Steuern, Mindestlöhne, Krankenversicherung, Mieten: Dem neuen Bundestag fehlt der wirtschaftliche Kompass. Der Liberalismus ist politisch mundtot. Die WirtschaftsWoche bietet der Freiheit ein neues Forum.
Glaubt ernsthaft jemand, die Mieten würden sinken, wenn eine Mietpreisdeckelung kommt – wie sie alle Parteien fordern? Es wird dann halt nicht mehr gebaut. Auch Mindestlöhne werden nicht mehr gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen, sondern schlecht bezahlte vernichten; und gerechter wird’s auch nicht: Selbst mit 8,50 Euro in der Stunde lässt sich in München, Frankfurt, Düsseldorf oder Berlin keine vierköpfige Familie durchbringen – die Aufstockerei niedriger Löhne auf ein Mindesteinkommen wird also weitergehen. Auch wenn die private Krankenversicherung abgeschafft wird, werden Kassenbeiträge immer weiter steigen, denn die Menschen werden deswegen nicht gesünder, nicht jünger, und Verschwendung im Gesundheitswesen wird nicht geringer. Eher sogar mehr, weil dann jeder Wettbewerb fehlt. Wieso reden wir im Hochsteuerland und angesichts der Steuerschwemme von Steuererhöhungen und nicht von Steuersenkungen? Aber populistische Forderungen wurden in griffige Formeln verpackt wie etwa “Bürgerversicherung”, sie wurden im Wahlkampf so lange wiederholt, bis sie als unvermeidlich gelten, wie Mindestlöhne. Sie sind Scheinlösungen, wie die Mietpreisdeckelung. Sie sind schädlich für Arbeitsplätze, wie die Steuererhöhung. Sie stehen jetzt auf der Tagesordnung der Koalitionsgespräche und damit an der Schwelle zur Gesetzgebung – wenn sie nicht in einem Kuhhandel verschoben werden: Tausche Mindestlöhne gegen Schwulen-Ehe. So wird wirtschaftliche Vernunft verschleudert. Und wenn von “mehr Europa” die Rede ist, dann geht es immer nur um Vergemeinschaftung der Schulden, Transferunion und Ausweitung der EU-Kompetenzen – eine Abkehr vom liberalen Europa, das nicht nur ein Friedensprojekt, sondern auch ein Freiheitsprojekt war.
Die Liste dieser Art freiheits- und marktfeindlicher Reformen ist lang. Die Kritik darf gerne differenzierter und mit mehr Zahlen und Fakten vorgetragen werden, als dies hier möglich ist. Aber eine Grundkenntnis ist verloren gegangen: Es ist nicht der Staat oder der Bundestag, die Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen, sondern Menschen und Unternehmen. Also sollte man die Menschen und Unternehmer stärken, unterstützen und fördern, statt wie jetzt das Abkassieren, Bevormunden und Blockieren zur Norm jeder Reform zu machen. Dass dies falsch ist, zeigen schon Gerhard Schröders Hartz-Reformen, die heute als Vorbild gefeiert werden. Die Grundtonalität lautet: Mit Eigenverantwortung fängt alles an. Deswegen nur wirken sie.
Es ist weder Aufgabe des Staates, noch ist es leistbar, Wellnessangebote für jede Lebenslage kostenlos frei Haus anzubieten. Weder der abhängige Versorgungsempfänger noch der subventionsgemästete Pseudo-Unternehmer dürfen zum Leitbild der Politik werden, sondern der mündige Bürger mit seinen freien Entscheidungen. Sie reden viel über Gerechtigkeit und Verteilen, aber nicht darüber, wie die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft erhöht wird. Gerade in diesen Tagen gehen in der Stahlindustrie viele gut bezahlte Arbeitsplätze verloren, der Softwaregigant SAP steht vor dem Wegzug in die USA. So geht es mit vielen Industriearbeitsplätzen: nicht aufwärts, sondern abwärts, während in Berlin so verhandelt wird, als wäre dieses Land ein Ponyhof, was, nebenbei gesagt, eine unzulässige Herabsetzung aller Ponyhofbetreiber ist. Denn die wissen sehr wohl, dass das Angebot stimmen muss und Löhne erst verdient werden müssen.
Im Bundestag gibt es nur noch vereinzelte Stimmen, die sich zur Freiheit und wirtschaftlichen Vernunft bekennen. Der politische, organisierte Liberalismus hat keine Stimme mehr, die wirtschaftliche Vernunft ist kaum mehr zu vernehmen. Die WirtschaftsWoche will das ändern. Wir haben für Sie auf unserer Website die Rubrik „Forum der Freiheit“ (www.wiwo.de/forumderfreiheit) eingerichtet, für die wir Sie auch um Ihre persönlichen Beiträge bitten. Was bedeutet heute Freiheit? Wie geht es mit dem Liberalismus als politische Bewegung weiter? Was wird aus der FDP nach ihrem Wahldebakel? Die Freiheit braucht jede Stimme.
(Erschienen auf Wiwo.de am 05.10.2013)
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