Konjunkturpolitik gleicht derzeit einem Buchstabenrätsel – allerdings mit grauenhaften Konsequenzen bei einer fehlerhaften Einschätzung: Liegt vor uns ein V-förmiger Konjunkturverlauf, also ein schneller, scharfer Einbruch, der sich aber schon im kommenden Herbst wieder fängt? Oder müssen wir uns – wie bei einem U – auf eine langanhaltende Wirtschaftsschwäche, ein ausgefurchtes Tal mit hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Nachfrage, schrumpfender Produktion und fallenden Kursen einstellen, aus dem es erst nach 24 Monaten wieder aufwärtsgeht? Oder ist das Tal der Depression weit länger als unsere Wirtschafts- und Unternehmenspolitik denkt, jahrzehntelang, eben wie in Japan und so, dass das U zum L umgebogen wird?
Das V ist die gemütliche Variante; alles kann bleiben, wie es ist. Weder müssen sich Konsumenten und Arbeitnehmer auf Sparen und Arbeitslosigkeit einstellen, noch müssen Unternehmen ihre Produktions- und Marketingstrategien ändern. Auch die Politik kann sich so oder so wichtigtun; Konjunkturpakete und Ausgabenprogramme helfen dann im besten Fall nicht viel, aber sie schaden auch nicht sonderlich.
Tückisch aber das U, das sich im allerschlimmsten Fall zum L verlängert. Leider sieht es danach aus. Zum ersten Mal erleben wir eine wirkliche globale Rezession, deren weltweites Zusammenspiel sich gerade offenbart. Danach hat die Kreditblase in Amerika ja ganz andere wirtschaftliche Aufblähungen ausgelöst, die sich erst nach und nach entleeren. So wurde das chinesische Wirtschaftswunder erst durch die riesigen Exporte in die USA ermöglicht, anschließend wurden die Exporterlöse in die US-Blase recycelt. Auch Deutschland hat seine Binnennachfrage kurzgehalten und fröhlich den Exportsektor aufgeblasen. Russland schließlich und der Nahe Osten pumpten sich wie Michelin-Männchen mit überhöhten Preisen für Erdgas und Öl auf – mächtig und bedrohlich anzuschauen, aber stets in Gefahr, schnell und faltig zusammenzufallen.
Was bedeutet das für uns? Wenn das so ist, dann kommen wir beispielsweise mit einer künstlichen, subventionierten Verlängerung des Kurzarbeitergeldes nicht sehr weit. Wirklich weiter helfen dann weder die paar neu gestrichenen Schulen, so notwendig dies sein mag, noch die paar neuen Dienst-Opel auf frisch geteerten Autobahnkilometern. Die Bauwirtschaft, und darum geht es letztlich doch immer bei staatlichen Konjunkturprogrammen, wird uns nicht alle aus dem U ziehen – haben wir das nicht nach der Wiedervereinigung mit Milliarden über Milliarden für Straßen nach Nirgendwo und die dortigen Ohnegewerbegebiete schon einmal ausprobiert?
Wenn wir im U-Tal festhängen, dann sind Steuer- und Abgabensenkungen der einzig richtige Weg daraus, wie es die WirtschaftsWoche mit der Aktion „Steuern senken“ schon im November gefordert hat. Nur so werden die Leistungsträger der Gesellschaft entlastet, die letztlich die Pfade zu einem neuen Wirtschaftswachstum finden. Wir müssen die Aktiven belohnen, statt die Passivität und das Nichts-Tun noch höher zu subventionieren. Steuersenkungen sind schnell zu haben, sie können in die Vorauszahlungsprogramme und Lohnsteuerberechnung schneller eingearbeitet werden als staatliche Planungsprozesse für Bauvorhaben. Die Bürger, das muss man den Politikern der CDU und SPD immer wieder sagen, wissen selbst am besten, wofür sie ihr Einkommen ausgeben. Ohnehin stranguliert die Abgabenbelastung, die unter dieser Regierung angestiegen ist, die Nachfrage.
Noch fehlen den Koalitionären Mut und Elan. Zur Mahnung veröffentlichen wir einen Essay, der in unserem Vorgänger, dem „Deutschen Volkswirt“, bereits 1929 erschienen ist. Geschichte kann, aber sie darf sich nicht wiederholen.
(Erschienen am 10.01.2009 auf Wiwo.de)
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