Wie amerikanische Präsidenten mit den deutschen Kanzlern umgehen und wie das die Politik beeinflusst, ist entscheidend. Bis jetzt ist Merkels diplomatische Kunst nicht besonders beeindruckend.
Da schau her: Angela Merkel hatte sogar schon persönlichen Kontakt zum neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump. In einem Telefonat gratulierte sie Trump zu seinem Wahlerfolg, sagte Vizeregierungssprecher Georg Streiter. Merkel habe gesagt, dass Deutschland und die USA durch gemeinsame Werte eng verbunden seien. Und: Sie freue sich, Trump spätestens beim G20-Gipfel im kommenden Sommer in Hamburg zu treffen.
Deutschland ist Gastgeber des Gipfels am 7. und 8. Juli. Das wäre ein halbes Jahr nach der Vereidigung Trumps. Und Merkel sagte: „Spätestens“. Schauen wir uns einmal an, wie andere US-Präsidenten und Kanzler miteinander umgegangen sind.
„Ich bin ein Berliner“
John F. Kennedy, der 35. Präsident der USA, war vom 23. bis zum 26. Juni 1963 zu Gast in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West). Dabei besuchte er Köln, Bonn, Hanau, Frankfurt am Main, Wiesbaden und Berlin (West). Es war ein Triumphzug durch Deutschland.
Legendär sind die Bilder von Kennedy im offenen Wagen. Und: „Ich bin ein Berliner“. Das Zitat zum Versuch der Sowjets, erst ganz Berlin und dann Europa zu erobern. Er sagte es am 26. Juni 1963 vor dem Rathaus Schöneberg in West-Berlin. Nachdem Kennedy in seinem ersten Amtsjahr als US-Präsident 1961 den Mauerbau hingenommen hatte, sollte sein Besuch anlässlich des 15. Jahrestages der Berliner Luftbrücke und seine Rede klarstellen, dass die Vereinigten Staaten West-Berlin keinesfalls dem Sowjetkommunismus überlassen würden. Und es macht deutlich: Ohne die USA hat Deutschland zu wenig Kraft, sich als Demokratie zu halten. Es begann eine Liebesgeschichte zwischen Deutschland und den USA, und die strahlend schöne Jackie war das Role Model der deutschen Frau an der Seite des mächtigen Mannes.Arbeits-Begräbnisse beenden Ost-West-Konflikt
Nach Kennedys Ermordung brauchte Lyndon B. Johnson nur fünf Monate, um Deutschland zu besuchen. Der 36. US-Präsident reiste anlässlich des Staatsbegräbnisses für den ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, vom 23. bis zum 26. April 1967 nach Köln und Bonn. Es war das, was man erstmals als „Working funeral“ bezeichnete, wie es sich später bei den Beerdigungen von Tito, Mao und anderen Würdenträgern wiederholen sollte: Begräbnisse waren der harmlose Anlass, um über den Ost-West-Konfllikt zu reden und vorsichtig die Annäherung per Beschnuppern zu versuchen.
Der Bösewicht unter den Präsidenten, Richard Nixon, brauchte ebenfalls nur fünf Wochen, um in Berlin (damals West) und Bonn vorbei zu schauen.
Ähnlich lang wie voraussichtlich Trump brauchte 1975 Gerald Ford; es war eine Stippvisite auf der Durchreise zur Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Eine gewisse Distanz zeigte sich zur sozialliberalen Koalition.Das sollte sich bei dem gelangweilten und uninspirierten Jimmy Carter wiederholen: dieser war vom 13. bis zum 17. Juli 1978 anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels in Bonn zu Gast in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist der Minimalkonsens: Wenn Weltwirtschaftsgipfel ist, läßt sich Abneigung nicht zur Methode machen. Das ist noch neutraler als ein „working funeral“.
„Tear down this Wall“
Und dann kam Ronald Reagan, in Deutschland ähnlich scheel angesehen wie heute Trump. Reagan war Republikaner, früher mal Schauspieler und als vermeintlicher Nicht-Profi von deutschen Parteipolitikern verachtet. Und doch schaffte er die prophetische Formel, die ihn in eine Reihe mit John F. Kennedy stellt: “Tear down this wall!” (deutsch: „Reissen Sie diese Mauer nieder!“) ist eine Zeile aus seiner Rede in West-Berlin am 12. Juni 1987, welche den Führer der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, dazu aufforderte, die Berliner Mauer zu öffnen.
Alle hielten Reagan für irre, übertrieben, pathetisch, die deutsche Linke in Politik und noch mehr in den Medien fand den Satz lächerlich. Er glaubte wie Kohl an die Wiedervereinigung – und nach diesem Satz ging es schnell. Nicht deswegen – aber der Satz, ähnlich wie Kennedys „Ich bin ein Berliner“, bündelte Hoffnung und Zuversicht und wirkte politischer als viele Gesetze, Verhandlungen, Summits und Gerede. Worte bewegen die Menschen. Kennedy und Reagan haben mit jeweils vier Wörtern bewiesen, was Vision und Mut in der Politik bedeuten.Lommerzheim sagte Nein
Es war Helmut Kohl, der Reagan pflegte. Allerdings den Nachfolger noch mehr. Aus Städte-Trips wurden richtige Reisen, wenn Kohl Gastgeber war.
Am 30. und 31. Mai 1989 besuchte Präsident Bush Bonn, Mainz, die Rhein-Main-Airbase in Frankfurt am Main und unternahm zusammen mit Bundeskanzler Helmut Kohl eine Schiffsfahrt auf dem Rhein von Oberwesel nach Koblenz; deutsche Romantik pur und Saumagen, Kohls Lieblingsgericht. Ähnlich umschmeichelte er Bill Clinton, der mit dem ersten Besuch sechs Monate bis zum Juli 1993 wartete – aber dann so richtig kam. Bonn, nach Ludwigshafen-Oggersheim ins Privathaus Kohls, Ramstein-Airbase und ins wiedervereinigte Berlin. In Berlin betrat Präsident Bill Clinton als erster US-Präsident die ehemalige DDR. Clinton machte auf locker. Bei einem späteren Besuch beim Weltwirtschaftsgipfel in Köln brach er aus dem strengen Besuchsprogramm aus und wollte die wohl urigste Kölner Kneipe, das Lommerzheim in Köln-Deutz besuchen, wo die Kotellets schmecken und Kölsch in Mengen fließt. Er musste in die Malzmühle am Rande der Altstadt ausweichen, wo die Schnitzel über den Tellerrand hängen und Kölsch ebenfalls in Mengen fließt. Dem Vernehmen nach hatte die US-Botschaft Lommis Kneipe ausgewählt, als aber das Vorauskommando forderte, dass an dem Tag des Clinton Besuches die Kneipe für andere Gäste zu schließen sei, sagte Lommi ab, weil ihm seine Stammgäste wichtiger waren. Kölsche Köbesse lassen sich bei der Führung ihrer Schankwirtschaft nicht reinreden. Ein schönes Bürgerstück in der Geschichte der US-Präsidentenbesuche in Deutschland.
Flott kam George W. Bush, und noch flotter Barack Obama, der vier Monate nach der Amtsübernahme am 3. und 4. April 2009 anlässlich des NATO-Gipfels in Baden-Baden den deutsch-französischen Grenzübergang Kehl besuchte, wo er zusammen mit anderen Regierungschefs der NATO-Mitgliedsstaaten symbolisch die deutsch-französische Grenze zu Fuß über eine Rheinbrücke überquerte. Wenn man so will – eine Segnung der EU durch den US-Präsidenten. Und wann also kommt Trump? Was ist seine Botschaft?Die USA sind nach wie vor die Schutzmacht Deutschlands, das auf seine Verteidigung verzichtet und den schmutzigen Job an die USA delegiert; dass ohne Zugang zum riesigen US-Markt die deutsche Wirtschaft vermutlich eine Lungenentzündung bekommt, gehört zur Wahrheit dazu.
„What says Helmut to this?“
Deutsche Kanzler sind damit unterschiedlich umgegangen. Der alte Konrad Adenauer hatte eine tiefsitzende Abneigung gegen den juvenilen John F. Kennedy. Helmut Kohls Verdienst ist, dass er die Nähe wieder hergestellt hat, die unter Schmidt gelitten hatte: Schmidts Arroganz kam nicht gut an; der selbsternannte Weltökonom war nicht gerne gesehen bei der Weltwirtschaftsmacht. Allerdings setzte er den Nato-Doppelbeschluss um und schuf damit eine Voraussetzung für die Wiedervereinigung.
Helmut Kohl wirkte groß und massig gegenüber dem körperlich kleinen, schmalen und schon altersgebeugten Ronald Reagan. Aber Kohl machte sich klein, er war sich seiner geringen Gewichtigkeit bewusst. Irgendwann in den 80ern flog ich in der Kanzlermaschine mit zu einem Kurztrip nach Washington – eine Schinderei in der alten Luftwaffen-Boeing für ein paar Stunden Aufenthalt. Ich fragte Kohl, warum er sich und uns Journalisten das antue, welche Ziele er erreicht habe. Kohls Antwort ist bezeichnend: Wenn Reagan im Oval Office vor sich hindämmernd den Vorträgen seiner Berater lausche, sagte er, dann müsse er nur gelegentlich aus dem Halbschlaf aufschrecken und sagen. „What says Helmut to this“. Für den Satz, sagte Kohl, fliege ich so oft und so lange es nötig ist.
Es war eine Bescheidenheit, die den großen Mann auszeichnet. Und Angela Merkel?
Die Belehrerin aus Deutschland
Merkel hatte dem designierten US-Präsidenten bereits am Mittwoch in einem ersten Statement zur US-Wahl die Zusammenarbeit angeboten. Sie listete aber eine Reihe von Bedingungen auf: “Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung“.
Möglicherweise muss Trump das aber nicht lernen von ihr. Zurück bleibt ein schales Gefühl: Mangelnder Respekt, mangelnde Selbsteinschätzung, mangelnde Kompetenz.
Trump wird sich nicht direkt rächen. Es werden viele Nadelstiche sein. Sie werden Deutschland treffen. Und es kann eine Richtung der Politik anzeigen. Dass Japans Premier Shinzo Abe bereits am 17. Januar auf Trump trifft, ist so ein Signal – die pazifische Karte wird gespielt, die unter Obama eingeleitete Abkehr von Europa und Hinwendung zu den asiatischen Mächten und ihren Absatzmärkten wird sich fortsetzen. Die Belehrerin bleibt möglicherweise allein zu Haus. Jetzt ist entscheidend: Gilt das „spätestens“? Wird es früher etwas mit einem Besuch – oder wird es kälter? Nicht zwischen Russland und Amerika, sondern Washington und Berlin?
Fußnote: Der Clintonbesuch in Köln wurde umgeschrieben. Das verdanken wir dem Hinweis des Kölners Lutz Neumann: Clinton kam nicht zu Lommi, weil für ihn seine Stammgäste Vorrang hatten.
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