Trends 2016

„Urban Gardening“, Obst, Blumen und Gemüse in der Stadt macht unsere Betonwelt grün. Vermutlich braucht man das Gefühl, den Nahbereich zu beherrschen, wenn die große Welt schon unkontrollierbar und bedrohlich wirkt und Politik abdankt.

5. Teilen ist toll

Business man pointing the text: Sharing Economy

Selber besitzen ist out, Dinge belasten nur. Teilen ist der neue Konsum – aber mit App professionalisiert: und organisiert: Car-Sharing wächst, selber Taxi-fahren (Uber) ist auf Druck des Taxi-Gewerbes verboten worden, Zimmer vermieten (AirBnb) steht auf der Abschußliste der Hotel-Lobby. Alt wehrt sich gegen Neu. Aber der Trend geht trotzdem dahin – zu gewaltig sind die Vorteile. Verkehrsstaatsekretärin Doro Bär rechnet vor: Wenn nur jeder Fünfte auf dem Weg zur Arbeit einen Kollegen im Auto mitnimmt – gibt es keine Staus mehr. Mitfahrgelegenheiten per App sind aber beispielsweise erlaubt und ersetzen die bislang schwerfällige Mitfahrzentrale. Teilen statt Straßenbau, Information statt Beton, per App besorgen und teilen, was man nur selten braucht: Nicht alles lässt sich verbieten. Da Schlagwort ist „disruption“, also das Auf-den-Kopf-Stellen alter Geschäftsmodelle. Selbst Großkonzerne fürchten sich davon, weggeubert zu werden; ein neues Verb im Strukturwandel. Wer andere ubert gewinnt, wer geubert wird, verliert.

6. Mehr Arbeitsplätze

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Auch im kommenden Jahr wächst die Wirtschaft und entstehen neue Arbeitsplätze, so die Prognosen der Wirtschaftsforscher – hoffentlich. Denn: Weil praktisch alle Schwellenländer (China, Indien, Brasilien) stagnieren, kann es auch Deutschland und seine Exporte treffen. Auch die Konjunktur in den USA ist nicht wirklich expansiv; die Sanktionen behindern weiter den Handel mit Russland. Deutschland kommt bislang gut davon – die Zinsen sind niedrig und heizen den Binnenkonsum an; der fallende Euro erleichtert Exporte, fallende Erdölpreise wirken wie Lohnsteigerungen für die Arbeitnehmer und wie ständige Kostensenkungen für die Unternehmen. Aber Unsicherheit bleibt, und für viele Unternehmen steigen die Energiekosten trotzdem. Wegen vieler neuer Gesetze aus Berlin, die Arbeit bürokratisieren und verteuern, investieren die Unternehmen in Deutschland viel zu wenig. Die Substanz brennt aus. Folge: Gut bezahlte Industriearbeitsplätze fallen weg, zu wenig Billig-Jobs für Flüchtlinge mit geringer Qualifikation können entstehen, bestehende Einfach-Jobs sind durch weitere Automatisierung und Verlagerung nach Osteuropa ohnehin kaum von Dauer.  Das wird von der offiziellen Politik schon als Erfolg verkauft, so verschärft sich der Wettbewerb um Jobs. Dabei kommt der große Schub erst noch: Die Automatisierung und Digitalisierung erfasst immer stärke auch die Billig-Jobs in der Dienstleistung wie in den Lagern und Zustelldiensten. Nur die Bau-Industrie boomt wegen der Flüchtlingskrise- und auch der Handel stellt wieder ein. Die Groko und ihre Kontrollversagen wird zum Konjunkturrisiko: Eine handlungsfähige Regierung ist das nicht mehr. Es wiederholt sich das Politik-Muster in der Flüchtlingsfrage: Die CDU mit ihrem verstummenden Wirtschaftsflügel ist zum kleineren Anhängsel der entschieden auftretenden SPD-Linken in der Groko verkümmert, die ihren staatswirtschaftlichen Kurs verschärft. Da trifft sich erstaunlicherweise die Linke in SPD und der Linken  mit der neuen Rechten der AfD: Liberal ist out, Russland gilt als der wichtigste Partner, TTIP ist Gift, Marktwirtschaft generell schädlich: Deutschland in der Zange von Parteien, die freiheitliches Denken ablehnen oder bekämpfen.

7. Weniger Hunger in der Welt

Die schlechte Nachricht zuerst: Einer von neun Menschen weltweit muss jeden Abend hungrig schlafen gehen. Die gute Nachricht: Die Anzahl der Hungernden und der Menschen in großer Armut ist schnell gefallen – trotz des weltweiten Bevölkerungswachstums: 2014 waren noch 900 Millionen Menschen als sehr arm, heute sind es noch 700 Millionen. Das sind 700 Millionen zu viel. Doch es bewegt sich in die richtige Richtung, wenn Politik und Wirtschaft funktionieren statt sich zu bürokratisieren und zu korrumpieren. Die extreme Armut zu halbieren war das Millennium-Entwicklungsziel, das die UN fünf Jahre vor dem Ablauf der Frist erreicht hat. Mit den neuen Sustainable Development Goals (Nachhaltige Entwicklungsziele) soll noch mehr erreicht werden: bis 2030 soll niemand mehr in extremer Armut leben müssen. Damit könnten wir die erste Generation in der menschlichen Geschichte sein, „die extreme Armut ausrotten kann“, sagt Weltbank-Präsident Jim Yong Kim.

Ob das gelingt, wird aber daran liegen, ob Afrika das chinesische Wirtschaftswunder wiederholen kann. China kommt der Verdienst zu, die Armut am schnellsten abzubauen; und das chinesische Wachstumsmodell strahlt auf andere asiatische Länder aus. Dagegen wird Afrika immer ausgeprägter zum Armenhaus der Welt – und bleibt gleichzeitig der Kontinent mit der am schnellsten wachsenden Elends-Bevölkerung. Damit kommen neue Zuwandererströme nach Europa, die nur in Deutschland (und Österreich) Flüchtlingsströme genannt werden.

8. Internet ohne die Deutschen (fast)

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Amazon und Google haben 2015 jeder über 170 Milliarden Börsenwert dazu gewonnen – allein dafür könnten sie auf einen Schlag die untere, also kleinere Hälfte der im Dax vertretenen Konzerne einfach so kaufen, rechnet Netzökonom Holger Schmidt vor. Weit abgeschlagen auf Platz 18 folgt als bester Deutscher „United Internet“ (GMX, web.de) nein, nicht aus Berlin, sondern aus Montabaur im Westerwald. (12.000 Einwohner). Deutschland ist ein Netz-Zwerg. Halt. Es gibt auch tolle Deutsche – „Papagei“ aus Hannover beispielsweise. Die Neurobiologin Michaela Meier kennt den Trick, wie wir Sprachen lernen. Jetzt bietet der TV-Riese CNN weltweit englisch-Sprachkurse mit Meiers Papagei-Lernsoftware an. In Deutschland sollen Flüchtlinge per Smartphone blitzschnell deutsch lernen – denn es geht schneller, aktueller und besser als mit Buch und Lehrer. Merke: Auch Deutsche können Internet. Aber der große Motor sind die gewaltigen Gewinne der US-Internet Konzerne Amazon, Apple, Google, Facebook und die davor liegende Ausrüster- und Ausstatter-Industrie sowie die nachfolgenden Anwender – bis hin zur NSA.… Die neue Wertschöpfungskette der Globalwirtschaft wie so stark wie nie von der neuen US-Industrie beherrscht, die zunehmend auch in die klassische Industrie eindringt. Kaum zu glauben, dass BMW oder Daimler, nach diesen Maßstäben bessere Mittelständler, im Kampf um den Verkehr der Zukunft die Nase vorne haben.

Die Telekom hierzulande kriegt es ja nicht einmal hin, ein wirklich funktionierendes Mobilnetz entlang der Autobahnen zu entwickeln oder auch kleinere Städte ans schnelle Netz anzuschließen. Deutsche Unternehmen, die im Gestern irrlichternde Politik sowieso, haben vielfach nicht begriffen, wie die digitale Industrie mit ihren irrwitzigen Milliarden und Innovationen beginnt, die herkömmliche Industrie zu beherrschen und buchstäblich aufzufressen. Einzelne kleinere Unternehmen werden trotzdem durchbrechen – und sich dann möglichst schnell globalisieren. Sie zu finden ist die Kunst auch für Anleger und Investoren.

9. Rückzug ins Private und auf das Hochbeet

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Die Zuversicht der vergangenen Jahre sinkt, viele Deutschen, nach Umfragen bis zu 70 Prozent, haben Angst vor der Zukunft und insbesondere vor wachsender Kriminalität. Demoskopen vermelden einen Kältesturz in Zukunftserwartungen. Ausgelöst ist das durch die Kontrollaufgabe in der Flüchtlingspolitik, die eine zerstrittene, wirre und unsichere Bundesregierung zeigt. Während die Flüchtlinge der Welt nach Deutschland kommen, ziehen sich viele zurück in eine neue Innerlichkeit: Der Renner und er Verkaufsliste von Amazon sind Ratgeber, wie man am besten Zöpfe flechten kann – und Bücher zum Ausmalen mit Farbstiften für Erwachsene.

Vegane und regionale Küche wird schon wieder langweilig – der neue Trend ist Ernährung und Kochen aus Garten, Balkon und direkter Umgebung. Überlebenstraining oder Lass die Globalisierung nicht in Deine Küche! Eine Trendsetterin ist Karin Frank aus Bayern: Sie lehrt, wie man pflegeleichte „Permabeete“ (steht für: andauernd ertragreich, ohne gießen) anlegt. Große Städte suchen ihren Rat. „Urban Gardening“, Obst, Blumen und Gemüse in der Stadt macht unsere Betonwelt grün. Vermutlich braucht man das Gefühl, den Nahbereich zu beherrschen, wenn die große Welt schon unkontrollierbar wirkt. Es zeigt auch, wie wohlhabend und reich dieses Land geworden ist: Vermeintliche Marotten werden zu respektablen Märkten; neue Luxusbedürfnisse rufen nach Bedienung.

Auf die Entwicklung, über die ich unter Trends 2016 am liebsten berichten würde, müssen wir weiter warten: eine Politik, die die selbst errichteten Hindernisse den Ideenreichen und unternehmerisch Handelnden wieder aus dem Weg räumt. Veränderung bleibt in der Nische. Aufbruch bleibt im Flüchtlingslager stecken. Aber vielleicht kommt daher ein Teil der Dynamik, wird der Mut zur Veränderung importiert, der den Satten beim Verdauungsvorgang des Gestrigen abhanden gekommen ist? Vielleicht entsteht Veränderungsdrang bei den vielen  neuen Armen, die sich ihren Teil schon holen werden? Ist das der Push, der der Politik fehlt? Dort ist Durchwursteln zum jeweils nächsten Wahltermin in irgendeinem Bundesland angesagt; eine einfallslose Groko klammert sich aneinander zwecks Machterhalt bei insgesamt sinkender Zustimmung. Die Stabilität des deutschen politischen Systems schlägt zum Nachteil um: Stillstand regiert, notwendige  Veränderung wird blockiert, Machterhalt statt Reformen dominieren.

Aber noch ist das Land unglaublich wirtschaftlich stark, seine Unternehmen erfolgreich und durch die Windfall-Profits der Währungspolitik schier unschlagbar. Wer jetzt die Trends und die Nischen erkennt und schnell reagiert kann die günstige Lage für sich nutzen.

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