Nur die Rückbesinnung auf die Gesetze der Physik statt grüner Romantik rettet die Energiewende. Ob Sigmar Gabriel das schafft?
Strom ist überall. Kein Schluck Milch, der ohne Strom gemolken, verarbeitet oder gekühlt wird. Strom steckt in der Straßenbahnfahrkarte, in jedem Konsum- oder Investitionsgut und selbst in diesem Artikel, egal, ob Sie ihn auf Papier oder am PC oder Tablet lesen. Deutschland hat unter dem Eindruck der Katastrophe in Fukushima entschieden, billige Stromquellen wie Kernkraftwerke zu verbieten. Gleichzeitig genießt seitdem teurer Strom aus Solar- und Windkraftwerken Vorfahrt.Grüner Teuer-Strom verdrängt so den billigen aus Kohle- und Gaskraftwerken. Die Kosten tragen die Konsumenten. Ein Vier-Personen-Haushalt zahlt dafür etwa 1000 Euro mehr im Jahr. Das bedeutet ein niedrigeres Urlaubsbudget, den Verzicht auf einen neuen Farbfernseher – oder weniger Erspartes. Wenn die Industrie die höheren Stromkosten auf den Produktpreis draufschlagen kann, zahlt dafür der Konsument beim Einkauf. Beispiel Bahn: Wenn die die vollen Kosten für Grünstrom tragen muss, wie die Grünen oder EU-Kommission fordern, will sie ihre Ticketpreise um zehn Prozent erhöhen. Unternehmen, die aber die Strompreise nicht an die Konsumenten abdrücken können, reduzieren ihre Gewinne und Investitionen; Arbeitnehmer müssen auf Lohnerhöhungen verzichten. Wenn sie nicht gar mit ihrem Arbeitsplatz dafür bezahlen, dass wegen der überhöhten Stromkosten die Produktion unwirtschaftlich wird und abwandert. Man mag das in Kauf nehmen, aber darf es nicht verdrängen: Teurer Strom kostet Geld, Erspartes oder Konsumverzicht – irgendwer muss die höheren Kosten ja tragen. Man kann sie hin und her verteilen, aber sie verschwinden nie.
Auch der Zustand der Umwelt verschlechtert sich: Die Vermaisung zerstört die Ökologie, Windräder die Kulturlandschaft; der CO2-Ausstoß steigt – ungeheure Schäden entstehen, die als „externe Kosten“ heute nicht wahrgenommen werden, aber künftige Generationen belasten.
Der weitere Ausbau von Wind- und Solaranlagen verschärft diese Probleme weiter. Nachts, im Winter oder bei Windstille sinkt ihr Stromertrag auf null. Dann laufen die Kohlekraftwerke an. Die immer wieder bejubelte große Kraftwerksleistung der Erneuerbaren auf dem Papier schrumpft in der physikalischen Realität auf ein Siebtel.
Wir unterhalten daher zwei Parks von Kraftwerken: Fossile und Erneuerbare, für die wir auch neue landschaftsverschlingende Stromautobahnen bauen. Jedes zusätzliche Solarpanel, jede neue Windkraftanlage erzeugt zusätzlichen Mittagsstrom, den zu diesem Zeitpunkt aber kaum jemand braucht. Dann wird er ins Ausland verschenkt oder sogar Geld dafür gezahlt, dass er überhaupt wegkommt. Die grüne Lobby feiert das als „Exporterfolg“. Dabei zahlen wir für Stromentsorgung – wir vermüllen teuren Strom. Strom aus den Offshore-Parks ist noch teurer. Weil aber auf der Nordsee immer der Wind weht, ersetzt er wenigstens wirklich den Kohlestrom. Wenn Politiker wie der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig oder Bayerns Energieministerin Ilse Aigner für mehr Landwind-, Bio- und Solarstrom kämpfen, bereichern sie nur ihre Solarbauern und Windgenossen. Sie wissen, dass es schädliche Lobbyarbeit zulasten der Bevölkerung und Wirtschaft ist. So werden Wohlstand und Arbeitsplätze vernichtet und betrügerische Geschäftemacher wie bei Prokon gefördert. Warum nehmen wir das hin?
Sigmar Gabriels Reformpaket macht den Strom nicht billiger, es dämpft nur den Preisanstieg. Bald will er Kohlekraftwerke subventionieren – damit sie weiterlaufen für die unvermeidliche Nacht ohne Sonne oder Windstille. Künftig zahlen wir Milliarden auch für Strom, der nicht produziert wird. Trotzdem sollte man Gabriel gegen die Aigners und Albigs unterstützen.
Ein Ruderboot, das in die falsche Richtung steuert, kommt nicht ans Ziel, wenn alle schneller rudern. Es muss umkehren. Gabriel rudert langsamer. Immerhin ein kleiner Erfolg – denn Irrsinn ist nicht reformierbar. Man muss ihn abschaffen.
(Erschienen auf Wiwo.de am 01.02.2014)
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