Müssen nach dem Fall Hoeneß die Steuerstrafen verschärft werden – oder sollte der Staat endlich seine Hausaufgaben machen?
Uli Hoeneß kann einem leid tun, und Mitleid ist das Schlimmste, was einem Mann wie ihm passieren kann: Da tritt ein Fußballer mit einem Pager beim Devisenhandel gegen die riesigen Handelssäle der Großbanken mit ausgefuchsten Teams und Computerprogrammen an, die ihre Käufe oder Verkäufe in Nanosekunden abwickeln. Der Sportruhm muss ihm schon die Sinne vernebelt haben, oder ein harter Kopfball zeigte verspätet Wirkung.
Aber das Schlimmste am Fall Hoeneß ist, dass sein buchstäblicher Fall allen wirtschaftlich aktiven Menschen so sehr schadet. Denn die öffentliche Debatte, die sich an seinem Fehlverhalten entzündet, fordert nur verschärfte Kontrollen, schärfere Strafen und noch entschiedeneres Vorgehen gegen „Steuerdiebe“. Der Steuerdieb ist der jüngste Kampfbegriff im Krieg der neuen deutschen Staatssozialisten gegen den Bürger. So wird die Wirklichkeit auf den Kopf gestellt: Der Dieb nimmt etwas weg; der Steuerzahler dagegen erwirtschaftet etwas, von dem er dann Steuern zahlen muss. Das ist keine Entschuldigung, Steuern zu hinterziehen – aber auch dem peinlichen Hoeneß sollte man zugutehalten: Er hat zunächst in zehn Jahren klaglos 50 Millionen Euro Steuern bezahlt, deutlich mehr, als die meisten seiner Kritiker von sich je werden sagen können. Zumal viele der Empörtesten von ihnen aus öffentlichen Kassen alimentiert werden, die von den dummen Hoeneßen mehr oder weniger korrekt gefüllt werden.
Denn in jedem Steuerzahler steckt längst ein kleiner Hoeneß, freiwillig oder unfreiwillig. Wenn der paragrafengewaltigste Steuerrechtler dieses Landes, Paul Kirchhof, seine Steuererklärung nur noch unter Vorbehalt unterschreibt, dann heißt das: Kaum jemand, der mit seiner Unterschrift die Richtigkeit bestätigt, kann sich sicher sein. Aller heiligen Schwüre zum Trotz haben es die Finanzpolitiker nicht geschafft, wenigstens einigermaßen stringente und nachvollziehbare Regeln zu schaffen. Übrigens sind die in aller Regel korrekten und oft sogar hilfsbereiten Mitarbeiter der Finanzämter die Ersten, die dieser Behauptung zustimmen. Sie wissen, welchen hanebüchenen Unsinn sie dem Steuerzahler zumuten. Dass es überhaupt noch steuererwirtschaftende Menschen außerhalb der Gefängnismauern gibt, haben wir vermutlich diesen vernünftigen, maßvollen Steuersachbearbeitern zu verdanken – denn wenn sie wollten, kriegten sie jeden an den Haken, und zwar deswegen, weil das System irre ist. So wie die Finanzpolitik und Ministerialverwaltung unfähig sind, klare und nachvollziehbare Regelungen zu schaffen, so unfähig sind sie auch, klaffende Lücken im Steuerrecht zu schließen. Da ballt mancher Mittelständler vor Wut die Faust, wenn er sieht wie Starbucks, Apple und Amazon Milliardenbeträge am nationalen Finanzamt vorbeischleusen. Was wird dagegen unternommen? Nichts. Die Steuererklärung auf dem Bierdeckel von Friedrich Merz oder der einfache Drei-Stufen-Tarif von Hermann Otto Solms – so was traut sich keiner mehr auch nur zu denken.
Stattdessen wird vorgerechnet, wie viel Kitas oder Schulen man für die von Hoeneß hinterzogenen Steuern bauen könnte. Die Rechnung geht auch anders herum. Nennen wir 27,2 Millionen Euro der Einfachheit halber „einen Uli“: 18 Ulis versenkte der Ex-Ministerpräsident Kurt Beck am Nürburgring mit dümmlichsten Aktionen. 26 Ulis müssten eingetrieben werden, um die Kostenüberschreitungen bei der Hamburger Elbphilharmonie zu finanzieren; 125 Ulis beträgt die Kostenüberschreitung beim Berliner Pleiteflughafen BER.
Auffällig: Dafür geht kein Politiker je in den Knast; und ja: Hoeneß gehört als Aufsichtsratschef der FC Bayern München AG davongejagt. Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit verantwortet die BER-Pleite – von Rücktritt ist nichts zu hören.
Ehret den Steuerzahler! Denn wenn wir vorgebliche Steuerdiebe nur mal eine Woche lang nicht mehr arbeiten, könnt ihr euren Laden zusperren. Denn nicht mehr arbeiten ist die ultimative Form des Steuersparens. Und vorerst noch legal.
(Erschienen auf Wiwo.de am 15.03.2014)
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