Russland: Warum die Sanktionen im Ukraine-Konflikt nicht wirken

Wenn es das Ziel der Wirtschaftssanktionen gegen Russland ist, Russland für die Politik des Regimes Putin zu bestrafen, dann sind die Wirtschaftssanktionen bislang sehr erfolgreich gewesen. Denn die Wirtschaftssanktionen gegen Russland haben wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Von Norbert F. Tofall

Zerstörter ukrainischer Panzer, russisches Propagandafoto. Sind wirtschaftliche Sanktionen ausreichend?

Der russische Finanzminister Anton Siluanov schätzte bereits im November 2014 den Schaden aus den Sanktionen auf jährlich 40 Milliarden USD. Wenn es jedoch das Ziel der Wirtschaftssanktionen gegen Russland ist, das Regime Putin dazu zu bewegen, die Schlußakte von Helsinki einzuhalten, die Krim zurückzugeben und den verdeckten Krieg im Osten und Süden der Ukraine einzustellen, dann sind die Wirtschaftssanktionen auf ganzer Linie gescheitert.

Bestenfalls Pause im Ukraine-Konflikt

Auch das Minsk-II-Abkommen von Mitte Februar ist im Moment bestenfalls eine taktische Gefechtspause. Russland wird weder die Krim noch die Geländegewinne im Osten und Süden der Ukraine preisgeben. Denn Wladimir Putin betrachtet spätestens seit dem 17. Oktober 2011 die postsowjetischen Staaten auch offiziell als weggebrochene Teile eines einzigen Staates: „Die Sowjetunion ist zusammengebrochen. Doch woraus bestand die Sowjetunion? Aus Russland. Sie hieß nur anders.“

Und seit Februar 2014 verfolgt Putin in der Ukraine eine Strategie „neuer Kriege“. Unter neuen Kriegen werden Kriege ohne formale Kriegserklärung und ohne immer klare Fronten verstanden. Oftmals handelt es sich um maskierte Stellvertreterkriege. In diesen neuen Kriegen werden über Wochen und Jahre Auseinandersetzungen gleichzeitig geschürt und verleugnet. In Russland wird das nichtlineare Kriegsführung genannt, in der Nato hybride Kriegsführung.

Darüber hinaus hat Putin am 4. Oktober 2011 seinen Plan zur Gründung einer Eurasischen Union verkündet, mit der eine mächtige supranationale Gemeinschaft neben China und den USA als einer der Pole der heutigen Welt erschaffen werden soll. Doch ohne die Ukraine bleibt Putins Eurasische Union ein Papiertiger.

Während die führenden westlichen Staatsmänner dies bis zum Frühjahr 2014 ignorierten, warnte Otto von Habsburg (1912 – 2011) in den letzten zehn Jahren seines Lebens ständig vor Putins Politik: „In der Zeit von Stalin bis Putin hat sich der russische Imperialismus immer wieder das Ziel gesetzt, die Ukraine erneut zu erobern, Russland einzuverleiben und als Ausgangspunkt für weitere große Operationen gegenüber Polen, beziehungsweise den anderen Teilen Europas, zu nutzen.“

Wenn an diesem Urteil nur zur Hälfte etwas dran ist, dann verheißt das für die Zukunft der Ukraine nichts Gutes. Denn dann ist es höchst unwahrscheinlich, daß durch Verhandlungen in Minsk oder an anderen Orten dieser Welt, Putin die russischen Geländegewinne auf der Krim und im Osten und Süden der Ukraine preisgeben wird. Das schließt zwar nicht aus, daß er sich kurz- und mittelfristig auf taktische und strategische Waffenstillstände einläßt. Die territoriale Integrität der Ukraine wird aber wohl auf absehbare Zeit verletzt bleiben. Ob in einer Ära nach Putin auf dem Verhandlungswege diese wieder hergestellt werden kann, ist sicherlich nicht ausgeschlossen. Nur wann wird das sein? Wer kommt nach Putin? Ein neuer lupenreiner Demokrat?

Putin braucht außenpolitische Konflikte

Solange die Ära Putin währen wird, ist es sehr wahrscheinlich, daß Putin den Ukraine-Konflikt unter Akzeptanz von gezielt eingelegten Gefechtspausen am Köcheln hält. Er braucht diesen Konflikt, um den innenpolitischen Druck zu ökonomischen Strukturreformen außenpolitisch abzuleiten. Für Putin dürften durchgreifende Strukturreformen riskanter sein als der Krieg in der Ukraine, weil sie das etablierte Interessengerüst zum Einsturz bringen, welches das System Putin trägt. Die westlichen Regierungen verkennen, dass es für das Regime Putin deshalb keinen Trade-Off zwischen Änderungen der russischen Hegemonialpolitik und wirtschaftlicher Kooperation bzw. Rücknahme der Wirtschaftssanktionen geben kann. Das Regime Putin würde den außenpolitischen Feind verlieren, den es zum Überleben braucht.

Und deshalb hat Putin sein Russland bereits darauf eingeschworen, sich auf ein Jahrzehnt von Wirtschaftssanktionen einzustellen. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Wirt- schaftssanktionen in Moskau die dirigistischen politischen Gruppen fördern und nicht die westlicher orientierten Reformer. Enteignungen von ausländischem Vermögen liegen im Bereich des Möglichen. Russland ist deshalb kein Land, das Investitionssicherheit bieten kann.

Russlands größtes ökonomisches Entwicklungshemmnis besteht außenpolitisch in seinem imperialen Streben nach Hegemonie und innenpolitisch in seiner zwanghaften Kontrolle und Beherrschung aller gesellschaftlichen Bereiche einschließlich der Wirtschaft. Entgegen der eigenen Intenionen hat sich Russland dadurch selbst in eine geopolitische Lage manövriert, in der vorerst nur noch China als Kooperationspartner zur Verfügung zu stehen scheint. In einer Partnerschaft mit China wäre Russland aber gerade nicht Hegemonialmacht, sondern nur Juniorpartner. Innen- und wirtschaftspolitisch hat Russlands Kontroll- und Beherrschungswahn aller gesellschaftlichen Bereiche dazu geführt, dass Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des realexistierenden Sozialismus 1991 seine ökonomischen Strukturprobleme immer noch nicht gelöst hat, während andere Staaten der ehemaligen Sowjet- union und des Ostblocks wie bspw. Litauen, Lettland, Estland, Polen und Tschechien in einem schmerzhaften Trans- formationsprozess der schöpferischen Zerstörung ganz erhebliche Leistungen vorzuweisen haben. Und Innen-, Außen- und Wirtschaftspolitik gehören in Russland zusammen; denn Russland hat die eigene Energiewirtschaft und den Export von Öl und Gas zur zentralen geopolitischen und vom Kreml zentralgesteuerten Waffe geformt und dadurch sowohl die freie wirtschaftliche und auf Wettbewerb beruhende Entwicklung des eigenen Landes als auch die friedliche außenwirtschaftliche Kooperation mit seinen Nachbarn verhindert.

Sanktionen lenken von militärischen Notwendigkeiten ab

Damit sind Wirtschaftssanktionen kein geeignetes Mittel, um mit der Politik Putins umzugehen. Besonders problematisch ist, dass der Westen durch seine ablenkenden, aber nicht abschreckenden Wirtschaftssanktionen versucht ist, lediglich über eine neue schnelle Eingreiftruppe für die mittel- und osteuropäischen Nato- Mitglieder zu diskutieren, anstatt ein derartiges Eingreifen von vornherein durch abschreckende Truppenpräsenz im Baltikum und Polen zu verhindern. Auf militärische Bedrohungen muss militärisch geantwortet werden, nicht durch Wirtschaftssanktionen.

Die ausführliche Studie „Ziele und Wirksamkeit von Wirtschaftssanktionen. Eine Betrachtung hinsichtlich des Russland-Ukraine-Konflikts“ von Norbert F. Tofall kann auf der Homepage des Flossbach von Storch Research Institute als pdf-Datei heruntergeladen werden:

http://www.fvs-ri.com/analysen.html#analysis_13

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