Reise zum Club Med

Sie sollten Ihren Sommerurlaub am Mittelmeer verbringen – und schon mal im Club Med die Mediterranisierung der Wirtschaft üben.

Bald muss wieder die Euro-Feuerwehr ausrücken. Diesmal brennt es in Spanien. Die Anleihezinsen dort lodern auf bis zu sechs Prozent – die Höhe, die Griechenland, Irland und Portugal unter die Schutzschirme gezwungen hat. Aber Spanien ist größer, und sein König schießt nicht mickriges Kleinvieh, sondern Elefanten. Daher werden die Löschmittel – allein Deutschland bürgt für 320 Milliarden Euro – wieder nicht ausreichen, und alle Rettungsleitern werden wieder zu kurz sein. So wird schon in den nächsten Wochen die Europäische Zentralbank wieder für zweistellige Milliardenbeträge Staatsanleihen kaufen oder wieder viele Hunderte Milliarden frisch gedrucktes Geld einsetzen beim Versuch, das Feuer zu ersticken.

Die Bundesbank-Tradition soliden Geldes ist längst perdu. Schlimmer noch: Es zeigt sich, dass auch Frankreich im Wahlkampffieber von der Konsolidierungskur auf Verschuldungskurs wechselt und der europäische Stabilitätspakt wertlos ist.

Vor uns liegen damit Jahre einer mediterranen Wirtschaftskultur: mit Inflation, Abwertung zu Dollar, Schweizer Franken und künftig Yuan. Wie in Griechenland, Spanien oder Frankreich ist dies eine Kultur, in der die Lohn-Preis-Spirale die Arbeitslosigkeit beschleunigt und die globale Wettbewerbsfähigkeit mindert, während gleichzeitig die Schulden wachsen – es ist die falsche Grundannahme dieser Wirtschaftsform, dass nur Staatsdefizite den Laden in Schwung bringen können.

Nun hat es ja keinen Sinn, darüber zu jammern, dass die Euro-Retterei gegen sämtliche Vernunftprinzipien der Währungspolitik oder solider Haushaltspolitik verstößt: Besser ist es, sich jetzt schon darauf einzustellen, statt sich dumm überraschen zu lassen, wenn die Inflation zu galoppieren beginnt. Schon hat EZB-Präsident Mario Draghi die Maginotlinie geräumt, welche die Inflation knapp unter zwei Prozent eingrenzen sollte.

Und was jetzt? Inflation kommt nicht sofort. Es ist ein krebsartig schleichender Prozess, der in immer neuen Bereiche wuchert. Die heutige Flucht ins Betongold, die gleichermaßen Immobilienpreise und Mieten treibt, zeigt schon die hässliche Fratze der Inflation: Schlangen von Kaufwilligen wedeln mit Geldscheinen, um an die knappen Güter heranzukommen. Ludwig von Mises hat schon 1912 beschrieben, dass die Inflation in Schüben unterschiedliche Gruppen begünstigt oder belastet. Am besten haben es die Beamten und Staatsdiener, so Mises.

Denn deren Gehälter werden immer als Erstes erhöht. Und wie um dem Klassiker der Nationsökonomie noch posthum recht zu geben, marschiert der öffentliche Dienst gerade jetzt mit kräftigen Lohnerhöhungen voran. Da werden andere Gewerkschaften in den kommenden Wochen nicht den armen Jakob der wirtschaftlichen Bescheidenheit geben können. Nicht, dass ich das zu kritisieren hätte, wie mir manche Leser vorwerfen: Ich verstehe, dass deutsche Arbeitnehmer nicht länger das europäische Sparschwein geben wollen. Und schließlich sind ja unserem Politiker auch nicht besser als ihre Wähler, wie denn auch: Es vergeht kein Tag, an dem Volkskümmerer wie Ursula von der Leyen oder Hannelore Kraft nicht neue Sorten Kamellen erfinden und sie vom Prunkwagen locker in die Menge streuen. Das ist nachvollziehbar: Arme-Leute-Kost für den eigenen Wähler, damit der Nachbarn weiter Elefanten jagen kann, das ist ein Programm, das auch der idealistischste Politiker nicht lange aushält. So verändern die Euro-Rettung und der Schwenk zu einer anderen, mediterranen Stabilitätspolitik die wirtschaftlichen Voraussetzungen.

Eine andere Wirtschaftskultur aber verlangt auch anderes wirtschaftliches Verhalten. Die Stabilitätskultur des europäischen Nordens wird durch inflationsgeübte Verhaltensweisen ersetzt. Das mag langfristig für Wohlstand und Wachstum nachteilig sein. Aber Sie können es nicht mehr ändern. Also üben Sie schon mal für das neue süße Leben im Club Med.

(Erschienen auf Wiwo.de am 21.04.2012)

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