Eröffnung und Protest: Das neue Headquarter der Europäischen Zentralbank wird eröffnet, und eine Gruppe von Protestlern aus dem grünen und linken Lager pöbelt dagegen. Architektur trifft auf Widerstand; welchen genau, wissen die Beteiligten zwar nicht genau – jedenfalls droht einer der Sprecher, dass man „angesichts der Gewalt der Krisenpolitik nicht mit einem Blumenstrauß in der Hand nach Frankfurt kommen“ werde, „ist ja klar“. Man wolle die Stadt blockieren, „im Stehen, im Sitzen und auch mit thematischen Gegenständen unseres Widerstandes“, so Aaron Bruckmiller (23) von der „Interventionistischen Linken“.
Damit will er offene Gewaltausübung rhetorisch verschleiern, und weiter heisst es in der „Frankfurter Rundschau„: „Wir werden unsere Blockade der EZB durchführen, die Polizisten sind dabei nicht unser Ziel. Aber wir werden uns von der Polizei auch nicht aufhalten lassen.“ Irgendwie sind sie gegen die „Sparpolitik“ – ausgerechnet in jenem Monat, in dem die EZB begonnen hat, 1,1 Billionen Euro in die Märkte zu pumpen – die große Geldschwemme, die alles andere ist als Sparpolitik.
Eine herrische Geste des Machtanspruchs
Es ist zwar das übliche linke Gewalt-Geschwurbel, aber es passt in seinem dumpfen, hirnlosen Gerede gar nicht mal so schlecht zur unverhüllten Demonstration der Macht, wie sie vom Neubau der EZB ausgeht. Ihr Bau ist eine herrische Geste der Macht und des Herrschaftsanspruchs. Der Bau demonstriert einen gigantomanischen Machtanspruch – der den der demokratisch-bescheidenen Länder übertrumpft. Als hätten die Planer schon vor zehn Jahren vorausgesehen, dass die EZB spätestens seit 2012 in die Rolle des europäischen Herrschers schlüpft.
Weil die nationalen Regierungen und die Kommission in Brüssel zahnlos geworden sind und die Staaten wie Deutschland sich nicht mehr trauen, ihren Bürgern die erschreckenden Zahlen zu offenbaren, haben sie der EZB einen wahren kristallenen Hermelinmantel in der Kaiserkrönungsstadt Frankfurt geschneidert.
Insofern sind die Proteste, die die Eröffnung begleiten, auf eine widersprüchliche Weise berechtigt: Demokratisch legitimiert ist die EZB nicht. Das muss eine Notenbank auch nicht sein – die Geldwertstabilität sollte der fluktuierenden Einflussnahme populistischer Politiker entzogen sein, und die Notenbank daher autonom entscheiden. Aber das geht in einem demokratischen System nur im Rahmen eines eng begrenzten Mandats – der Wahrung der Geldwertstabilität. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Aber längst hat die EZB dieses Mandat aufgegeben – und damit den Rahmen ihrer Autonomie weit überspannt. So finanziert sie die südeuropäischen Staaten, sorgt durch immer neue Not-Kredite dafür, dass Griechenlands Geldautomaten weiterhin Euro-Scheine ausspucken. Sie hat längst den Deutschen Bundestag entmachtet: Seine Budget-Hoheit ist nichts mehr wert, seit die EZB faktisch regiert, die Zinsen so manipuliert, dass die Explosion der Staatsverschuldung erst möglich wird und über den Ankauf von 1,1 Billionen Staatsanleihen frisches Geld in die Staatskassen schüttet.
Ich bin Dein Gott, das Geld
Die Architektur hat das vorweggenommen – und erstaunlicherweise haben Straßenkünstler das als Erste formuliert: Der Bauzaun war jahrelang ein Volksfest der Sprayer, die sich Geld- und kapitalismuskritisch in grellen Farben auftrugen. Eine der letzen Karikaturen zeigte Mario Draghi mit der drei Meter langen Nase des Pinocchio, des Lügners. Das Unbehagen brach sich mit Spraydosen früh Bahn.
Weniger wegen der Höhe des Baus, mehr wegen seiner unmissverständlichen Botschaft. Hier regiert eine fremde Macht, unnahbar, kalt, in brutaler Überhöhung statt weiser Selbstbeschränkung. Wie ein monströser, kalter Glaskeil ist der EZB-Tower, von einer außerirdischen, unantastbaren Macht in den Frankfurter Osten gerammt – eine moderne Feldstandarte.
Dabei herrscht an Hochhäusern in Frankfurt kein Mangel. Längst haben die Bürger damit ihren Frieden gemacht. Das gelegentliche Hochhausfestival zieht die Massen an, und die Hessen sind auf ihre Riesendinger so stolz wie die Hamburger auf die Reeperbahn und die Münchner auf das Oktoberfest. Doch die Banken stehen als Bündel, hochkonzentriert zwischen Hauptbahnhof und Westend und relativieren sich gegenseitig. Jeder will der Grösste sein und wird dadurch klein. Protziges Gehabe ist ihnen dabei nicht fremd. Legendär ist das Herrenpissoir in der Commerzbank, ab Hüfthöhe mit einer gläsernen Fassade, sodaß man buchstäblich auf den etwas niedrigeren Bau der Deutschen Bank …naja, Pinkeln kann eben.
Architektur ist immer auch Demonstration einer Haltung zur Welt, und die Architektur der EZB der pure Herrschaftsanspruch.
Und die EZB herrscht: Sie steht in vier Kilometer Entfernung vom enggedrängten Bankenviertel mit seinen wackligen Hochhausspargeln; größer, beeindruckender, ein Solitär, unvergleichlich und unvergleichbar. Dafür müßte die städtische Raumplanung mit ihrem Verdichtungskonzept, das nur für andere gilt, geschreddert werden.
Zwischen den am Horizont klein wirkenden Bankenhochhäusern und dem Palast der EZB, duckt sich die historische Stadt Frankfurt; klein ihr Kaiserdom wie ein winziger, scheuer Vogel im Gras, in die Zange genommen zwischen den hochfahrenden Türmen des Geldes. Die EZB-Turm wurde der Öffentlichkeit durch geschickte Fotoauswahl als leicht und spielerisch verkauft. Er kommt aber daher wie ein marschierender, alles niedertrampelnder Goliath.
Dabei ist ein Teil dieser Botschaft vielleicht gar nicht die schlechteste – die EZB ist nicht Teil der Bankenwelt und ihres Viertels, sondern die Mutter aller Banken und neuerdings sogar ihr Kontrolleur, seit sie die Bankenaufsicht übernommen hat. Und sie ist ihre eigene Insel, abgetrennt vom Rest der Stadt: eine eigene Brücke zum Flughafen ermöglicht ihren Emissären den schnellen Weg von und in die fernen Provinzen des großen europäischen Geldreichs. Sie leben nicht in Frankfurt, es ist nur ihr Residenz-Ort.
Man hätte es auch anders machen können. Wie bescheiden nehmen sich dagegen die Neubauten der Bundesrepublik in Berlin aus, obwohl sie schon gegen das Bundesdorf Bonn auftrumpfen. Aber der Reichstag mit seiner gläsernen Kuppel, die so zerbrechlich wirkt wie ein Hühnerei; das Kanzleramt, ein hingepurzelter, belangloser Betonwürfel wie ein Kinderholzspielstein mit runden Öffnungen, die der Volksmund „Waschmaschine“ taufte, und die diversen Ministerien wirken wie frisch renovierte Arbeitsämter – mit Ausnahme des Finanzministeriums. Aber selbst in Herrmann Görings riesigem Reichsluftfahrtmnisterium, das später als „Haus der Ministerien“ der DDR diente, gibt sich bescheiden dagegen. Sie alle überragt an Höhe und Volumen die EZB. Sie bündelt die Macht, sichtbar, bedrohlich.
Die 185-Meter Monstrosität stellt die Proportionen auf den Kopf: Jahrzehntelang galt die aus den 20er Jahren stammende Großmarkthalle, die neben dem Turm steht, als Riesenbau; tatsächlich galt sie jahrzehntelang als die größte und höchste freitragende Halle, zu ihrer Zeit ein Fanal des Modernismus. Jetzt wirkt sie wie ein kleiner, flacher Hühnerstall neben dem EZB-Turm. Was groß war, wird klein, das ist die Botschaft der EZB-Architektur. Alte Größe wird zum Anhängsel; ein Fitnesstudio für die Mitarbeiter kommt hinein und ein Kongreßzentrum. Die EZB harmoniert nicht mit der Umgebung, sie zitiert nicht, sie fügt sich nicht ein und hat keinerlei Anbindung, Gegenstück oder auch Gegengewicht: Ich bin das Geld, Dein Gott, gebietet sie.
Macht ohne Transparenz
Was bei der Planung und auf den Modellen noch leicht, verspielt und transparent gewirkt hat – der lichte, in sich verdrehte Doppelturm der Architekten Coop Himmel(b)lau, ist in der gebauten Realität grau und abweisend. Von innen, wissen die ersten Besucher der Außenwelt zu und uneinsehbar – von innen nach außen dagegen offenbart sich eine geradezu globale Weitsicht. Den Geldgöttern in ihrem Ratssaal im 41 Stock liegt zukünftig die Welt zu Füßen, deren Geschick sie lenken und leiten. Sie sind dort oben, göttergleich, den Wirrungen und Irrungen der Erdlinge enthoben durch ein fünffaches Sicherheitskonzept: Stählerne Poller als erster Schutzwall; ein Burggraben als zweiter, dann eine Prallmauer aus Beton, ein Stahlzaun bis 2.20 Meter und dahinter ein hügeliges Retrait: Die EZB ist gesichert, also ob sie das Geld, tatsächlich und buchstäblich in ihren unterirdischen Gelassen drucken würde und sich daher vor Panzerknackern und deren Schweißbrennern schützen müßte wie Dagobert Duck seinen Geldspeicher. Offenheit? Transparenz? Vermittlung? Fehlanzeige. Und es reicht immer noch nicht.
Zur Eröffnung wird ein Verhau aus Nato-Stacheldraht um die EZB und das umliegende Stadtviertel gezogen. Offensichtlich gelten Demonstrationen schon als Majestätsbeleidigung und müssen ferngehalten werden. Auch Journalisten werden handverlesen geladen. Wie zu einer Audienz – in die Hallen des Gedes dringt nur vor, wer sein Wohlverhalten täglich schreiberisch beweißt, das ist die Botschaft der EZB. Demokratie ist anders – sie stellt sich ihren Kritikern. Die EZB sperrt sie aus.
Na gut. Vielleicht sollte man doch demonstrieren – wenn auch aus anderen Gründen?
Sehen Sie auch das Interview mit Stephan Lamby von Dbate – Thema: „Die EZB ist vom Retter zum Monster geworden“
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