Der Konformitätsdruck in den Köpfen
Wie auch? Kontrolle durch eine kritische Öffentlichkeit findet nicht mehr statt. Vom „ungeheuren Konformitätsdruck“, der in den Redaktionen herrscht, berichtet selbst Frank-Walter Steinmeier, als SPD-Politiker eigentlich über Zweifel erhaben, die ja nur den „Rechten“ zu gelten haben.
Denn offenkundig haben sich viele Journalisten vor den Stürmen der Medienkrise in ihre sicheren Redaktionsstuben hinter die fahl flimmernden Bildschirme zurückgezogen; und von dort aus berichten sie konform das, was sie meinen, dass irgendwelche Role-Models oder Alpha-Journalisten von ihnen verlangen. Jede Abweichung wird als Gefahr abgelehnt; im Rudel jagen sie und hoffen, als Einzelne nicht identifizierbar zu sein. Zum Ausbruch aus dem Rudel fehlt der Mut und so paddeln sie in der lauen Brühe des Gender-Mainstreaming dem eigenen Abgrund entgegen. Denn während ARD und ZDF ja noch rechtzeitig ihre Einnahmen durch die Wohnungs-Rundfunkssteuer gesichert haben – für Zeitungen und Zeitschriften gilt das nicht. Aus den Anstalten senden Rundfunk-Beamte, was von ihnen erwartet wird: erwartbare Staatsnähe, rundfunkratskonform und unbeirrt von der Realität auf der Straße.
Auch die Politik fühlt sich sicher; schließlich ist Wahlenthaltung gleichgültig, seit die Wahlkampfkostenerstattung nicht mehr an den tatsächlich von einer Partei erhaltenen Stimmen abhängt, sondern vom hochgerechneten Anteil an den Wahlberechtigten. Damit geht von Wahlenthaltung keine Drohung mehr aus. Dass die AfD viele Stimmen auch von SPD und der Linken erhält, führt nur dazu, dass alle diese Alt-Parteien eng zusammenrückt in der gemeinsamen Verteufelung der neuen Konkurrenz und gemeinsam durch das Bedienen der Nazikeule mittlerweile jedenfalls diese Gefahr neutralisiert haben. Dabei habe ich sogar Respekt vor vielen Politikern. Sie sind ja die ersten Opfer der „freiwilligen Gleichschaltung“, von der selbstkritisch sogar die Süddeutsche Zeitung schrieb.
Ein Präsident beschimpft sein Volk
Wer mit den Menschen auch nur sprechen will, wie Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, wird von der Medienmeute sofort angegriffen – und wehe, die CSU macht sich für das Erlernen der deutschen Sprache stark! Dann fällt das Beil der Scharfrichter, auch in der kleinsten Zeitung. Allerdings geht es auch anders. Bundespräsident Gauck spricht von „Chaoten und Strömungen, die wenig hilfreich sind“ und daher weniger Beachtung finden sollten. Alles Chaoten? Es ist eine bemerkenswerte Verachtung für das Volk, die da aus dem Bundespräsidenten spricht. Aber er besucht ja auch nur Flüchtlinge. Sie wohnen nicht bei ihm, nicht im Schloß Bellevue und nicht mal im Schlosspark. Das Aufeinandertreffen mit mittellosen, verzweifelten, entwurzelten Menschen findet ja nur am Stadtrand statt. Flüchtlingslager entstehen meist da, wo Menschen ohnehin in prekären Lebenssituationen finden. Es sind nicht die Schulen in den feinen Vierteln, sondern in den Industriegebieten, die kollabieren, weil zu viele Kinder ohne Sprach- und sonstige notwendige Kulturtechniken aufgenommen werden müssen. Es sind meist die Kinder von Migranten, die durch die nächste Welle daran gehindert werden, wenigstens bescheidene Integrations-und Lernerfolge zu erzielen. Es ist ihr Rücken, auf dem sich das Flüchtlingsdrama abspielt. Antworten dazu? Keine. Lösungen? Keine. Beschimpfungen? Billig.
Wir suchen uns neue Leser, die alten sind reaktionär
Für die gedruckte Presse aber beschleunigt das ganze den eigenen Untergang. Denn sollen die Leute wirklich lesen, dass sie alle Volltrottel im harmlosesten Sinn oder aber sogar bösartige Nazis sind? Das Verhalten vieler meiner Kollegen erinnert an die bitterböse Parabel, die Bert Brecht nach dem Niederschlagen des Volksaufstands in der DDR in seinem wunderschönen Band „Buckower Elegien“geschrieben hat: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“
Die Zeitungen haben offensichtlich beschlossen, sich neue Leser zu wählen, weil ihnen die noch vorhandenen nicht klug, nicht links, nicht grün und überhaupt nicht modern genug sind. Dazu passt, dass die Süddeutsche ihre Kommentarfunktion im Internet schließt und die ARD dies für die Tagesschau erwägt. Lesermeinungen sind einfach zu dumm für die Inhaber des erhobenen Zeigefingers. Alle fürchten sich vor dem Internet. Aber es ist die Verachtung der Leser, die zur Kündigung des Abos führt.
Die einzige Frage, die notorisch unbeantwortet bleibt: Wo findet man die bloß, diese neuen Leser, die sich ständig belehren und beschimpfen lassen und die demütig konsumieren, was ihnen als Schreibeintopf tagtäglich vorgesetzt wird. Wo?
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