Allmählich beginnt man ja, sich mit den Folgen der Finanzkrise abzufinden und einzurichten – und sieht mit einem Mal die Konturen einer neuen Landschaft aus dem Nebel auftauchen. Wir hatten geglaubt, dass niemand mehr den Siegeslauf der Linken aufhalten könnte. Und siehe da – plötzlich ist die betont marktwirtschaftliche FDP der triumphale Wahlsieger in Hessen. Das ist kein rein lokales Ereignis, sondern es hat den Anschein, als ob der beklemmende Zuwachs an staatlicher Macht, den die Finanzkrise mit sich gebracht hat, über Nacht gewissermaßen wieder eingefangen werden soll. Das bürgerliche Lager aus Union und FDP, im Berliner Reichstag rechnerisch in der Minderheit gegen SPD, Grüne und Linke, hat in Wiesbaden eine solide Mehrheit gewonnen. Diese neue Stärke hat spürbare Fernwirkung bis in die Bundespolitik: Bislang ist es doch so, dass die letzten Aufrechten des CDU-Wirtschaftsflügels innerhalb der rot-schwarzen Koalition einfach weggebügelt werden – auf ihre paar Stimmen kommt es angesichts der überwältigenden Mehrheit nicht an, wenn sich die Spitzen von SPD und Union erst mal auf die Richtung einigen. Nun muss sich Angela Merkel bekennen: Will sie wirklich eine Koalition mit der FDP inklusive künftigem Ärger um marktwirtschaftliche Reformen – oder setzt sie auf die Bequemlichkeitskoalition mit der SPD? Ob Unternehmens- und Erbschaftsteuerreform, ob Gesundheitspolitik und die Ausdehnung der Mindestlöhne auf immer neue Branchen; ob es die verpasste Steuerentlastung ist, verschenkte Steuervereinfachung oder eine Haushaltssanierung, die nicht nur an der Finanzkrise gescheitert ist – überall werden jetzt die Folgen letztlich wirtschaftsfeindlicher Kompromisspolitik spürbar.
Aber nicht nur die politische Landschaft verändert sich – auch die Unternehmenslandschaft. Da gibt es eine Reihe von Unternehmen, die einfach unbeeindruckt weitermachen. Krise? Stell’ dir vor, es ist Krise, und keiner schert sich drum. Dies sind gut aufgestellte Unternehmen mit solider Eigenkapitalbasis und dem Selbstbewusstsein, dass eine Krise auszusitzen ist oder sogar neue Chancen eröffnet.
Den Champions stehen solche Läden gegenüber, die durch gewagte Übernahmen und zu schmale Eigenkapitalbasis nicht krisenresistent sind. Da wird jetzt gespart und geholzt; das an sich funktionierende Geschäftsmodell wird den Sparzwängen geopfert und die Spirale nach unten gedreht. Ihnen droht ein kalter Frühling, in dem große Namen für viele frühere Fehler büßen werden, welche die Finanzkrise nun schonungslos offenlegt.
So richtig gruselig aber wird es in der Finanzindustrie. Statt sich abzusetzen, sind die Banken wieder näher an den Abgrund gerutscht. Kein Gespräch mit Unternehmern, in dem nicht die Wut über die Selbstverständlichkeit spürbar wird, mit der die Banker immer neue Milliarden aus der Staatskasse einfordern. Bewunderung zollt man allenfalls der Kühnheit und der Raffinesse, mit der es die Geldverwalter geschafft haben, uns alle zur kollektiven Geisel zu nehmen und uns für ihre Fehler zahlen zu lassen. Geradezu atemberaubend ist die jüngste Forderung – eine „Bad Bank“ soll es sein, in der sie ungestraft alle ihre Sünden abladen dürfen.
Nun denkt eine Reihe von Unternehmern darüber nach, ob die Antwort auf diese Chuzpe nicht eigentlich die Gründung einer „Good Bank“ sein müsste, also eine neue deutsche Bank. Kapital ist ja da, man versucht im Augenblick nur, es vor den Banken zu sichern und zu schützen. So schwer kann es ja nicht sein, ein solides Geldgeschäft aufzubauen, wenn man nur darauf achtet, die Boni-Bürscherl rauszuhalten.
Was da sichtbar wird, ist ein neuer Konservatismus: nachhaltiger, solider, wirtschaftsnäher. Eigentlich keine schlechte Entwicklung.
(Erschienen am 24.01.2009 auf Wiwo.de)
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