Nachwahl-Logik: Die Bayernwahl – medial betrachtet

Es hat sich etwas geändert in Bayern nach der Wahl, und doch ist es gleichgeblieben: Die CSU regiert, mit ein paar Ministern weniger. Wie Medien die Wahl analysieren.

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„CSU. Die Partei, die das schöne Bayern erfunden hat“. Das war der provokante Titel des 1989 erschienenen Buches des legendären SZ-Reporters Herbert Riehl-Heyse und der Karikaturisten Erst Maria Lang und Horst Haitzinger. Die CSU hatte damals 55,6 Prozent der Stimmen und es lohnte, Spott und Ironie der massigen Wucht von Franz-Josef Strauß entgegenzusetzen.

Wer hat Bayern die Demokratie gebracht?

Heute könnte er lauten: „Die Grünen. Die Partei, die die Demokratie in Bayern erfunden hat.“ Aber gegen die Anmaßung einer 17,5-Prozent-Partei wehrt sich kaum jemand. Die CSU soll gefälligst mit den Grünen koalieren, und damit ein bisserl links in die Staatskanzlei holen, wenn doch schon SPD und Grüne zusammen 10 Prozentpunkte weniger Stimmen haben als die CSU allein. Was zählen schon Wähler, wenn die politischen Redaktionen es anders wollen?

Und es gehört zu den völlig ironiefreien Besonderheiten der neo-bayerischen Grünen, dass sie vor der Wahl auf die CSU eingedroschen und ihr Demokratie, Europafreundlichkeit und Rechtsstaatlichkeit abgesprochen haben, um weinerlich am Tag nach der Wahl unbedingt den Juniorpartner dabei abgeben zu wollen, wenn die Demokratie in Bayern verhindert, Europa geschreddert und die Natur vergewaltigt wird.

Ein grundstürzendes Ergebnis?

Aber das fällt den Nachkommen der süddeutschen Spötter und ihrem karikaturistenfeindlich gewordenen Prantlhausener Zeitung nicht auf. Auch andere Qualitätsmedien haben erstaunliche Erkenntnisse. Angelas Merkels Sprecher in der ZEIT, Bernd Ulrich, jubelte noch in der Wahlnacht Grün zum „grundstürzenden“ Sieger und die Landtagswahl zu einer der wichtigsten in der Geschichte hoch, weil Umweltschutz wichtiger sei als „Flüchtlinge”.  Ulrich – wie andere Kommentatoren –  hat nur die Kleinigkeit übersehen, dass das bürgerliche Lager aus CSU, Freien Wählern, FDP und auch der AfD dummerweise annähernd eine Zwei-Drittel-Mehrheit erhielt. Es hat sich viel geändert, die CSU ist erneut in einer Koalition, die sie in der vorletzten Legislaturperiode schon mal mit der FDP geschlossen hatte – eine Tatsache, die irgendwie in der aktuellen Berichterstattung nie vorkam, in der suggeriert wurde, Bayern sei immer CSU-allein-regiert gewesen. Dabei war der Sozi Wilhelm Hoegner zwei mal Ministerpräsident und die FDP Koalitionspartner von 2009 bis 2013. Aber das historische Gedächtnis ist kurz und die Wirklichkeit ist der Feind der Träume.

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Und so darf im ZDF Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen darüber bramabarsieren, dass die CSU so viele Wähler an die Grünen verloren habe. Der Wahlforscher kennt halt seine falschen Prognosen, die die CSU um 4 Prozentpunkte unter- und die Grünen um 3 Prozent überschätzt hat; und die müssen nach der Wahl vernebelt werden: Denn die Stadt München hat die wichtigsten Wanderungssalden veröffentlicht:

Der „Erzfeind“ AfD hat also gewonnen?

Danach hat die CSU Wähler an die Freien verloren und an die AfD, aber nicht nennenswert an die Grünen. Trotzdem führt das ZDF einen enttäuschten CSU-Wähler vor, der jetzt Grün wählt. Die gibt es, wie alles auf der bunten Welt. Aber relevante Zahlen sind es nicht – nur die Phantasien der ZDF-Redakteure in Mainz, die sich ihre Welt herbeisehnten, wie es ihnen gefällt.

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Und da fehlt natürlich, dass die AfD von der kleinen SPD 12.700 Wähler geholt hat, von der größeren CSU aber nur 15.000: Ist es das, was Bernd Ulrich meint, wenn er schreibt: „Die CSU wurde dafür bestraft, sie hat mit ihrem unsäglichen Sommertheater nicht sich stark gemacht, sondern den Erzfeind: die AfD.“ Immerhin ist die AfD ziemlich grantig, weil sie weit hinter ihren Spitzenergebnissen anderswo zurück liegt. Könnte man das als Erfolg der CSU gutschreiben? Nicht, wenn man von Hamburg aus den bayerischen Kosmos erklärt.

Es sieht wohl eher so aus, als ob die AfD eben doch die Partei der Arbeiter wird, so weit die Grünen ihr davon überhaupt noch was übrig lassen – denn deren Zugewinn geht zu Lasten der SPD. Diese Wählerwanderung ist echt: Von der SPD zu den Grünen.

Diese Art von Wahlrechnung wird in ihrer Genialität nur noch von dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther überboten, den man sich als den geträumten Schwiegersohn von Angela Merkel vorstellen muss, hätte sie eine Tochter und nicht Annegret Kramp-Karrenbauer: Den Erfolg jenseits der vorherigen Fehlprognosen habe die CSU der Kanzlerin zu verdanken! „Die CSU sollte der CDU dankbar sein, dass wir ihr zu einem besseren Ergebnis verholfen haben“.

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Den Vogel in der allgemeinen Nachwahlverurteilung aber schießt SPD-Nörgel Karl Lauterbach ab: Das schlechte Ergebnis der SPD in Bayern habe die CSU verschuldet, wegen Streit mit Merkel. Also wenn Politik so einfach ist, dann hat es lange gedauert, bis die CDU das Geheimrezept gefunden hat, das da lautet: Wir zanken uns, und die SPD verliert. Merke: Verantwortung liegt immer bei den anderen, nie bei der SPD.

Aber jetzt kommt die Hessen-Wahl. Schneidet dort der CDU-Bouffier gut ab, hat er das Merkel zu verdanken, so wird geschrieben werden, wetten? Aber was ist schon „gut“ für die CDU? Nach einem CSU-Ergebnis von 37 Prozent würden sie sich buchstäblich die Finger nach dem Kreuzlmachen abschlecken. Schneidet er schlecht ab, war es die CSU. So einfach geht das.

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Kommentare ( 95 )

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95 Comments
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Josef K.
6 Jahre her

Ich habe gehört, dass sich Fr. Katrin Göring-Eckardt demnächst dafür einsetzen wird, dass auch Bienen, Schmetterlinge und Vögel zur Wahl zugelassen werden. Außerdem soll eine Frauenquote eingeführt werden. In Parteien, in denen die Frauenquote erreicht wurde, soll gegenüber den Parteien, die diese unterschreiten, der Überhang doppelt gezählt werden.

Wolfgang Schuckmann
6 Jahre her

Bei allem was ich lese fehlt mir eine einfache Rechnung um es mit Strauss zu sagen : Rechts der CSU darf es keine konservative Partei geben, außer : Vielleicht einige Leute, die vor Ort immer wussten wie es geht, eben die freien Wähler, und weil da einige Zauderer, Zögerer dabei sind und manchmal nicht richtig reagierten, sagten sich andere, na gut wir wollen es genauer, kontrastreicher, direkter, nicht um 100 Ecken, sondern auf den Punkt, die AFD eben. Was ist daran verwerflich? Und jetzt zum Ergebnis in Bayern. Rechnen wir doch mal die Ergebnisse von CSU, Freien Wählern , und… Mehr

Rebell
6 Jahre her

Ich habe gestern aus versehen in die Maischberger Propaganda rein gezappt. Dort saß ein sehr redseliger dicker Mann mit einer Art Dauerwelle in Grau auf dem Kopf. Mir völlig unbekannt. Der lies den Knaller schlechthin los. Der bemängelte die fachliche Kompetenz der Vertreter von CDU, CSU, SPD usw. Die Grünen hätten aber fachlich hoch kompetente Leute aufgestellt und das hätten die Bürger honoriert. Die führenden Köpfe bei den Grünen haben sich für jeden sich informierenden Bürger als Lügner, Pharisäer und in Sachfragen als völlig inkompetent und manchmal sogar völlig irre gezeigt. Historische Lügen. Naturwissenschaftlich nicht haltbarer Unsinn. Irrwitzig teure Abenteuer… Mehr

MartinS
6 Jahre her
Antworten an  Rebell

Immerhin haben die Grünen entdeckt, dass Leitungen Strom speichern können. Da legen wir dann doch einfach ein paar dickere Leitungen, fertig ist die Energiewende :-))).

Man sieht die Grünen ziehen sich ihren Nachwuchs in unserem grandiosen Schulsystem selbst heran. Und jetzt wissen wir auch, warum Kretschmann als erstes in BaWü das Schulsystem geschleift hat.

Dr. Mephisto von Rehmstack
6 Jahre her

Eines wird leider erschreckend deutlich: in der jungen Generation (18-35) kommen die gutaussehenden, faktenignorierenden („nun kommen Sie mir doch nicht wieder mit der Dunkleflaute, Hambi ja, Reinhardswald? kennen wir nicht, etc) Plaudertaschen ohne Wissenshintergrund aber von unerschütterlichem Selbstbewußtsein gut an, Harbeck, Baerbock, Schulze und ihre männlichen (?) Klone repräsentieren in der Tat eine ganze neue Generation (ob KGE, CR0, Antonia Hofreiter eigentlich schon begriffen haben, daß sie zum alten Eisen gehören?). Sie repäsentieren die 3. Generation, die Erbengeneration, für die Wohlstand und Sicherheit nicht erarbeitet werden muß, sondern verteilt und verspielt werden kann, für die MINT Fächer nicht wichtiger sind… Mehr

Patrick B.
5 Jahre her

Ich bin unter 35 und als staatlich gepr. Techniker sagt mir ein Dr. Spaniel (Maschinenbauingenieur) oder ein Guido Reil (Bergmann) mehr zu, und einige andere der AfD mehr. Die haben wenigstens das gelernt, von dem sie reden, ganz im Gegensatz zu den anderen Parteien.

elly
6 Jahre her

Leider helfen alle Fakten nichts, einmal groß verkündet die Grünen hätten die Ballungsräume in Bayern erobert. Dem ist halt nicht so: „In der bayerischen Landeshauptstadt und Millionenmetropole holten die Grünen insgesamt 30,3 Prozent und sind damit auf Platz 1. Die CSU kommt in München nur noch auf 25,2 Prozent.Ingolstadt und Augsburg noch klar in CSU-Hand In allen anderen Großstädten kann sich die CSU aber trotz der teils herben Verluste als stärkste Kraft behaupten (jeweils die Gesamtstimmen). In Nürnberg schafften die Christsozialen immerhin 34,1 Prozent (Grüne 20,9), in Erlangen 31,2 (Grüne 26,4). Knapp behaupten konnte sich die CSU auch in Regensburg… Mehr

Andokides
6 Jahre her

Mal so betrachtet, wären die zu den FW abgewanderten Stimmen mutig genug gewesen, die AfD zu wählen, wäre die Landschaft wohl jetzt eine ganz andere. Mal seh n, wie die Hessen das sehen.

Ines Dunkel-Branz
6 Jahre her

Analyse der Landtagswahl in Hessen Die letzten Unfragen vor dem 4.9.2015 ergaben in Hessen folgendes Ergebnis: CDU 39,5 SPD 27,5 GRÜNE 13,5 AfD 3 Die letzte Umfrage vom 24.9. bis 1.10.2018 zeigt folgende Werte: CDU 29 (-10,5 – klingelt da was?) SPD 23 (-3,5) GRÜNE 18 (+4,5) AfD 13 (+10) Die Analyse könnte nicht einfacher sein. Wegen Bouffiers noch immer nicht ausreichender Unterstützung für Merkel verliert die CDU 10,5 Prozentpunkte an die Grünen. Wegen der halbherzigen Unterstützung der Energiewende in manchen Ortsvereinen hat die SPD 3,5 Prozentpunkte an die Grünen verloren. Warum die Grünen trotzdem nicht bei 27,5, sondern nur… Mehr

country boy
6 Jahre her

Ich frage mich, wie viele der GRÜNEN-Wähler überhaupt als Bayern angesprochen werden können. Die meisten sind ja identitätslose Globalisten, die momentan zufällig in München wohnen, die sich aber auch jederzeit in einer anderen reicheren Stadt auf unserem Globus niederlassen würden.
Bei der Wahlanalyse und der Suche nach den Ursachen für das schlechte Abschneiden der CSU haben unsere Qualitätsmedien einen Namen mit einem Tabu belegt: Angela Merkel.

Oswaldo
6 Jahre her

Was soll man sich in Hessen für ein Ergebnis wünschen? Ernstgemeinte Frage. Eine Neuauflage von Schwarz-Grün? Gewiss nicht. Das würde von Merkel als Erfolg verkauft und in der Union die Schwarz-Grünen stärken. Eine Rot-Rot-Grüne Höllenregierung und den Absturz der CDU? in der Annahme, Merkels Ende käme dann schneller? Vielleicht. Aber haben die Hessen das verdient? Eigentlich nicht. Wobei das freie Menschen sind und die Umfragen es tatsächlich hergeben. Oder einen Verlust der Schwarz-Grünen Mehrheit, aber eine „Große“ Koalition statt R2G? Das wäre zwar nicht Fisch nicht Fleisch, ersparte den Hessen allerdings die Höllenregierung und wäre für die Grünenfreunde in der… Mehr

Ines Dunkel-Branz
6 Jahre her
Antworten an  Oswaldo

Die FDP hat sich mit dem Bekenntnis zu „Jamaika“ möglicherweise den Einzug in den Landtag verbaut. Dann würde es für die Weiterführung von schwarz-grün reichen. Das wäre der totale Triumph für Merkel und die Grünen, und das haben wir Hessen nun wiklich nicht verdient.

Wolfgang Wegener
6 Jahre her
Antworten an  Oswaldo

Ich bin zwar kein Hesse und kann dort nicht wählen. Aber allgemein gilt: Taktisch gewählt (u. a. Stimmensplitting etc), das habe ich mir schon längst abgewöhnt. Solange es klare Alternativen gibt, wähle ich durch. Nur so kann ich die Botschaft vermitteln, auf die es mir ankommt. Und je stärker die AfD ist, desto mehr Stimmen und Prozente fehlen den anderen, oder?