Mindestlohn, Mietpreisbremse und Frauenquote verdanken wir letztlich der AfD

Keiner bekämpft die „Alternative für Deutschland (AfD)“ so heftig wie Sozialdemokraten, Grüne und Linke, stellen sie auf eine Stufe mit der NPD und anderen Rechtsradikalen. Dabei müssten SPD und Grüne der AfD eigentlich dankbar sein. Die Anti-Euro- und Pro-Konservativismus-Partei hat dank ihrer Wahlerfolge die politische Statik in diesem Land verändert. 

Ausgerechnet mit Hilfe der AfD ist die Bundesrepublik seit der Bundestagswahl 2013 noch weiter nach links gerückt. Die AfD-Gewinne auf Kosten von Union und FDP waren ein Wachstumsprogramm für Rot-Grün. SPD und Grüne verdanken ihr einen Ausbau ihrer Machtpositionen im Bund und in einigen Ländern.

Die AfD wurde vor gerade einmal zwei Jahren gegründet. Sie hat sich in dieser Zeit an sieben Wahlen auf Bundes- und Landesebene beteiligt und auf Anhieb gleich fünf Mal die Fünf-Prozent-Hürde glatt genommen: 7,1 Prozent bei der Europawahl, 9,7 in Sachsen, 12,2 in Brandenburg und 10,6 in Thüringen. Nur bei der Bundestagswahl 2013 und der am selben Tag stattfindenden Landtagswahl in Hessen reichte es mit 4,7 bzw. 4,1 Prozent nicht ganz.

So erfolgreich war seit den achtziger Jahren keine andere Partei. Die damals neu auf die politische Bühne kommenden Grünen jedenfalls brauchten einen längeren Anlauf, um sich durchzusetzen: 1,1 Prozent bei der Landtagswahl 1978 in Hessen, 3,2 bei der Europawahl 1979 und 1,5 Prozent bei der Bundestagswahl 1980 waren im Vergleich zur AfD recht klägliche Anfangsergebnisse.

Diese Anti-Euro-Partei, eine Kopfgeburt westdeutscher Ökonomie-Professoren und kulturpessimistischer Intellektueller, ist – jedenfalls auf Zeit – jene „demokratisch legitimierte Kraft rechts der Union“, vor deren Existenz schon Franz Josef Strauß selig gewarnt hatte. Mit einer diffusen Ansammlung von marktliberalen, wertkonservativen, deutschtümelnden und kruden politischen Forderungen („Wenn es ein Land wichtiger findet, dass man sonntags an privaten Tankstellen sein Auto waschen kann statt wochentags in staatlichen Schulen genug Lehrer zu haben, muss dieses Land verändert werden“), bedient die AfD enttäuschte Wähler der Union wie der FDP. Zudem ist sie längst zu einem Sammelbecken von Protestwählern geworden, denen die ganze Richtung nicht passt, die es „denen da oben“ mal richtig zeigen wollen. Sie hat es zudem verstanden, Pegida-Sympathisanten zu AfD-Wählern zu machen.

Alles in allem ist die AfD – ungeachtet einiger linkspopulistischer Forderungen wie der nach mehr direkter Demokratie – im politischen Spektrum eindeutig rechts von der Mitte zu verorten. Ihre führenden Figuren wie Bernd Lucke, Frauke Petry, Konrad Adam, Alexander Gauland oder Hans-Olaf Henkel stehen für das, was einmal den „Markenkern“ der CDU ausmachte: Soziale Marktwirtschaft und Wertkonservativismus. Sie wollen das Land wieder mehr nach rechts rücken.

Bisher hat die AfD allerdings genau das Gegenteil erreicht:
Gleich drei Mal hat die mit dem Auftreten der AfD verbundene Schwächung der FDP dazu geführt, dass schwarz-gelbe Regierungen abgelöst wurden: im Bund und in Sachsen durch Große Koalitionen, in Hessen durch Schwarz-Grün. Hier haben die AfD und ihre Wähler genau das Gegenteil dessen erreicht, was sie anstreben, nämlich eine konservative Kurskorrektur. Geradezu grotesk sind die Auswirkungen im Bundestag. Weil die AfD der FDP genügend Stimmen abgenommen hat, haben SPD, Grüne und Linke eine knappe Mehrheit. Wenn er will, kann SPD-Chef Sigmar Gabriel die Union also mit der Aussicht auf Rot-Rot-Grün erpressen. Mindestlohn, Mietpreisbremse, Frauenquote und andere Errungenschaften der GroKo verdanken wir also letztlich der AfD.

Eine Machtverschiebung nach links hat die AfD ebenfalls in Hamburg bewirkt. Weil sie den Einzug in die Bürgerschaft schaffte, verlor der pragmatische Sozialdemokrat Olaf Scholz seine absolute Mehrheit der Sitze. Jetzt muss er sich mit den auf Wirtschaftsdämpfung und Einheitsschule erpichten Grünen die Macht teilen. Rot-Rot-Grün in Thüringen hingegen lässt sich nicht direkt der AfD anlasten. Schließlich haben Die Linke, SPD und Grüne dort die Mehrheit der Sitze errungen. Und Mehrheit ist eben Mehrheit, vor allem dann, wenn Sozialdemokraten und Bündnisgrünen die Brosamen am Tisch des westdeutschen Edellinken Bodo Ramelow wichtiger sind als der aufrechte Gang.

„Wir sind manchmal leider noch sehr amateurhaft“, hat der AfD-Vorsitzende Lucke vor einiger Zeit in einem Interview geklagt. Vielleicht ist ja das ganze Projekt sehr amateurhaft. Bisher hat die AfD nämlich zweierlei erreicht: Im Bundestag sitzt keine Fraktion mehr, die sich der Marktwirtschaft verpflichtet fühlt. Und in mehreren Regierungen durften Sozialdemokraten und Grüne die Liberalen ersetzen. Das hatten sich die Herren Professores bei der Parteigründung sicherlich ganz anders vorgestellt. Aber Politik funktioniert eben nicht nach Lehrplan.




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