Die Überraschung beim diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis ist: Mit Elinor Ostrom und Oliver Williamson wurden Forscher ausgezeichnet, die sich der Ordnungsökonomie verschrieben haben. Es ist eine marktwirtschaftlich geprägte Denkschule, mit der aus Deutschland stammenden Ordnungspolitik eng verwandt. Ordnungspolitik? War da nicht mal was? Lehrstühle, die sich damit befassen, werden an deutschen Universitäten gerade als vermeintlich unwissenschaftlich einkassiert. In Politik und veröffentlichter Meinung dominiert weiterhin der schlichte Glaube an einen primitiven Staatsinterventionismus.
Das zeigt sich bislang auch in den Koalitionsverhandlungen: Zäh verteidigt die Union Positionen aus der schwarz-roten Koalition, lässt SPD-nahe Beamte sogar Unterlagen aus den Koalitionsverhandlungen überprüfen. Es ist schwierig, eigene Fehler einzugestehen. In der großen Koalition war es die SPD gewesen, die genauso zäh ihre alten Positionen aus der zurückliegenden rot-grünen Koalition verteidigt hat. So folgte auf rot-grün eine Koalition mit schwarzem Schleifchen – neue Verpackung für alte Inhalte. Und jetzt sollen ein paar gelbe Punkte auf dem Geschenkpapier den großen Unterschied markieren?
Es scheint in Berlin noch nicht angekommen zu sein, dass eine schwarz-gelbe Koalition von den Wählern das Mandat für einen entschiedenen Kurs hin zu marktwirtschaftlichen Reformen erhalten hat. Die FDP wurde nicht „aus Versehen“ gewählt, das waren auch keine „Leihstimmen“, die eigentlich der Union gehörten. Und die schwarz-gelbe Mehrheit ist nicht deshalb zustande gekommen, weil „knapp zwei Millionen SPD-Wähler zu Hause“ geblieben sind – es waren entschiedene Wahlakte selbstbestimmter, mündiger und bewusster Bürger. Es ist beleidigend, welches Bild da manche von „ihren“ Wählern haben – die Zeit des Stimmviehs mit unauslöschlichem Brandzeichen einer Partei ist vorbei. Es war Peer Steinbrück, der seiner SPD zugerufen hat, dass die Befragungen nach der Wahl eine relativ hohe Akzeptanz der neuen Koalition bestätigen – wobei die Zustimmung ständig weiter steigt. Nein, die Mehrheit der Wähler glaubt einfach nicht, dass noch mehr Umverteilung und Staatsdirigismus die aktuellen Probleme lösen können.
Allerdings weicht die Meinung der Wählermehrheit davon ab, was in vielen Medien vorgebetet wird. Da wurden ja marktwirtschaftliche Positionen als überholt kritisiert und die FDP verteufelt. Die Wähler haben sich keine Angst vor dem Medien-Teufel einjagen lassen, sie wollen von ihm sogar regiert werden!
Angst vor dem eigenen Zerrbild
Die Union erkennt die Chancen nicht, die darin liegen, dass sie als Hüterin der Marktwirtschaft wahrgenommen wird. Noch erstaunlicher ist nur, dass die FDP vor sich selbst erschrickt – gerade so, als habe sie Angst vor dem Zerrbild, das gegnerische Wahlkämpfer und manche Medien von ihr entworfen haben. Anders ist die strukturkonservative Blockade durch die CDU nicht zu erklären.
Wer sich jetzt gegen Steuersenkungen stemmt, begeht Wahlbetrug. Wer jetzt noch an die eine große, alle nährende Krankenkassenmutter glaubt, hat die Zeichen des Wechsels nicht erkannt. Die Bürger wollen eine nachhaltige Energie- und Bildungspolitik; die Debatte um Thilo Sarrazin zeigt, dass die Ureinwohner dieses Landes auch Anforderungen an Zuwanderer stellen. Diese Wähler sind nicht illiberal – es war auch eine Wahl gegen den Internet-Schnüffelstaat. Diese Koalition ist ohne Alternative – weder in den Inhalten noch an Mehrheiten. Das rot-stasirote Bündnis im Brandenburger Sandkasten jedenfalls ist kein Modell für Deutschland.
Der Wählerwille muss jetzt in Politik umgesetzt werden – mit Mut und Weitsicht, wie es das Nobel-Komitee vorgemacht hat.
(Erschienen am 17.10.2009 auf Wiwo.de)
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