5. Was bedeutet das für die EZB?
Es ist der Hütchen-Spieler-Trick: solange keiner das richtige Hütchen aufdeckt – gar nichts. Auf dem Papier ist alles in Ordnung. Dumm ist nur, dass Griechenland nicht auf die Füsse kommt. Darum ist ja die Forderung des IWF nach einem Schuldenschnitt so gefährlich für Europa: Streicht man Griechenlands Schulden, fällt auch die aufgeblähte Bilanz der EZB in sich zusammen. Aber das sind eher buchhalterische Betrachtungen. Die EZB hat ihren Charakter verändert: Sie wurde vom Treiber zur Getriebenen. Die EZB kann nicht mehr autonom entscheiden: Stoppt sie ihre laufende Kreditvergabe an Griechenland, bricht ihr System zusammen, das ja darauf beruht, alte, faule Kredite durch neue, noch faulere zu ersetzen. Die EZB findet keinen Ausstieg aus der Schuldenfinanzierung Griechenlands. Sie hat sich von der Politik in diese Rolle drängen lassen und muss jetzt feststellen, dass sie eben nicht mehr unabhängig agiert, wie es eigentlich richtig und notwendig wäre – sondern eingebunden ist in ein Geflecht von Abhängigkeiten, das ihr keinen echten Spielraum mehr lässt, zukünftig die Sicherung der Währungsstabilität zu gewährleisten.
6. Was bedeutet das für die Inflationsbekämpfung?
Als europäische Schuldenfabrik kann die EZB ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr erfüllen: die Inflation zu bekämpfen. Inflation bekämpfen aber heißt: Zinssätze rauf. Hohe Zinsen belasten die Wirtschaft, erhöhen die Arbeitslosigkeit, der Staat kann mit höheren Zinsen seine Schulden nicht mehr bezahlen. Keiner mag Anti-Inflationspolitik, und doch ist sie notwendig. Als Staatsfinanzierer aber steckt die EZB jetzt in der Falle: Anti-Inflationspolitik schadet ihr selbst. Mit höheren Zinssätzen triebe sie Griechenland und andere Länder zur Offenbarung, dass sie ihre Staatsschulden nicht mehr finanzieren können. Ohnehin ist dem Zentralbankrat der EZB ist das Ankurbeln der Wirtschaft wichtiger als die Inflation zu bekämpfen. So war das auch immer in Frankreich und Italien. Die EZB-Gremien haben sich dem politischen Druck der Südländer gebeugt, und es ist nicht ersichtlich, wie sich das ändern soll. Man kann es auch so sagen: Die EZB wurde nach dem Muster der Bundesbank konstruiert, von Bundesbankern dominiert, und aus symbolischen Gründen in Frankfurt angesiedelt.
Aber faktisch wurde sie von der Wirtschaftspolitik südlicher Tradition gekapert, die geldpolitischen „Falken“ in der Tradition der Bundesbank vertrieben. Klar ist: Währungsstabilität ist als Ziel in den Hintergrund getreten. Man könnte schon heute die Protokolle der zukünftigen Sitzungen ihrer Gremien formulieren: Da wird der Bundesbankpräsident, wenn er überhaupt noch Sitz und Stimme im Rotationsverfahren des Zentralbankrates hat, sofortige Maßnahmen fordern – aber er wird von der Mittelmeer-Mehrheit überstimmt: Lieber etwas Inflation als höhere Zinsen und Arbeitslosigkeit; dieses Argument kennt man ja schon von Helmut Schmidt – der dann beides hatte: Inflation UND Arbeitslosigkeit Das war bei der Bundesbank anders. Denn Inflationsbekämpfung erfordert Mut. Den hatte früher die Deutsche Bundesbank. Ihre Chefs legten sich mit Bundeskanzlern und Wirtschaftsministern an, sie haben sich nicht beeinflussen lassen. Ihr eisernes Gesetz lautete: Nur gesundes Geld, eine Währung ohne Inflation schafft langfristig Wachstum, Wohlstand, Arbeitsplätze. Immer wieder gab es Krach zwischen Bundesbank (erhöht Zinsen) und Bundesregierung (fordert niedrige Zinsen). Fragen Sie mal Ihr Sparbuch und sie wissen, auf welcher Seite die EZB steht: Null Zinsen sind ihr Rezept, weil Inflationsbekämpfung keine Rolle mehr spielt.
7. Droht Inflation im Euro-Raum?
Eine Voraussetzungen über eine aufgeblähte Geldmenge ist vorhanden – Inflation bedeutet ja, dass zu viel Geld zu wenig Gütern nachjagt. (Ein Bild von Milton Friedman) Nur am „nachjagen“ fehlt es noch. Inflationsvoraussetzungen sind also gegeben, Inflationsimpulse fehlen. Aber die können jederzeit auftreten: Wenn der Euro-Kurs weiter sinkt, und dadurch notwendige Importe sich verteuern; weil Gewerkschaften satte Lohnerhöhungen fordern und das auf die Preise durchschlägt. Noch ist die Inflation keine Gefahr. Noch wird vieles billiger, statt teurer. Aber die explorierenden Preise für Häuser, Wohnungen, Grundstücke zeigen: Die Inflation kann jederzeit aus den Löchern kriechen und unser Geld kaputt machen. Dann gibt es niemanden, der sie schnell, hart und brutal niederkämpft wie früher die Bundesbank. Die EZB hat sich selbst gelähmt und in die Abhängigkeit von Politik und Konjunkturpolitik sowie Haushaltsfinanzierung begeben. Sie kann nicht mehr frei agieren. Für die gemeinsame Währung ist das gefährlich, weil sie drei enormen Risiken ausgesetzt ist:
- Den Haushaltsrisiken, weil die Schuldenfinanzierung der Staaten durch die EZB kaum mehr gebremst werden kann, wie Griechenland exzellent vorführt. Denn klar ist: Kurzfristig ist Griechenland für viele Politiker abschreckend – in die peinliche Lage eines Bettlers wie Alexis Tsipras will keine geraten. Aber immerhin führt er vor, dass man nur kaltschnäuzig genug agieren muss, und dann fließen doch EZB-Geld und Steuermittel.
- Dem Stabilitätsrisiko, weil sich die EZB selbst geschwächt hat und keine starke Rolle mehr im Verhältnis zu den Euro-Staaten hat, sondern letztlich vollkommen durchpolitisiert wurde.
- Von einem drohenden Grexit – denn wegen der katastrophalen Lage in Griechenland ist dieser keineswegs ausgeschlossen. Dann verliert die EZB ihre Provinzen.
Damit bleibt: Die EZB hat ihren Einfluss weit überdehnt – und sich damit selbst entmachtet.
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