CDU/CSU haben keine Quote, aber viele Frauen. SPD und Grüne sind Frauenquotenfans ohne Frauen. Was lehrt das die Wirtschaft?
In der CDU gibt es nur die schwächste Form einer Frauenquote für politische Ämter – trotzdem ist die Union die Partei der Frauenpower. Da ist Angela Merkel, die aus der Rolle der Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin längst in das Fach Staatsfrau auf Europaniveau gewechselt ist. Im Bundeskabinett sitzen vier Frauen vier Männern gegenüber und darunter mit Ursula von der Leyen eine mit Anspruch aufs höchste Amt. Auf Landesebene führen mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Christine Lieberknecht zwei CDU-Ministerpräsidentinnen. In der zweiten Reihe warten Frauen wie die rheinland-pfälzische Oppositionschefin Julia Klöckner auf den Tag ihrer Machtübernahme. Auch in der früher so männerdominierten CSU gibt es Veränderung: Christine Haderthauer ist eine kluge Ministerin, die in Talkshows sogar zuhört. Trotz Gender-Geschmuse – in der Politik müssen auch Frauen ihre Gegner in den Boden stampfen, weswegen Haderthauer durch Ilse Aigner an der Parteispitze ersetzt wird: Aigner verkörpert im Dirndl die resolute bayrische Frau, die in diesem lebensfrohen Habitat als allmächtige Chefin entschieden jeden Kerl vor Wirtshaustür oder Festzelt setzt, der ihr frech kommt – sie ist wie eine fröhliche Rache der Frauen am ewigen Stenz Horst Seehofer. So tritt die alte Macho-CSU feminin runderneuert im Landtagswahlkampf gegen den SPD-Kandidaten Christian Ude an, der mit einer älteren Zauselriege in die Abenddämmerung statt in die Morgenröte marschiert. Selbst in der quotenfreien FDP drängen Frauen nach vorn wie in Hessen Nicola Beer – “Grinsekatze” schmäht sie hilflos der hessische SPD-Quoten-Generalsekretär Michael Roth.
In der SPD gilt eine strenge 40-Prozent-Quote und bald ein Männer-Frauen-Reißverschluss für Mandate. Viel gebracht hat das oben nichts: Peer Steinbrück setzte sich im internen Dreikampf um die Kanzlerkandidatur gegen zwei Männer durch. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft blieb außen vor – könnte aber bald gezwungen sein, als Trümmerfrau wegzuräumen, was die Kerls zerdeppert haben.
Bei den Grünen hat die Quote viele Frauen befördert – aber keinen Generationswechsel bewirkt. Mit Jürgen Trittin tritt ein wurmstichiger Klassenkämpfer als möglicher Kanzlerkandidat gegen Claudia Roth an. Roth wirkt, als sei sie einem überbelichteten alten Diafilm entsprungen – zu grell, zu bunt, so ganz aus der Zeit gefallen. Zusammen mit der überanstrengten Renate Künast verteidigen drei altgediente Alpha-Tiere des Machterhalts ihre Positionen; es sei denn, Katrin Göring-Eckardt schafft es gegen die Alten. Nach Merkel und Joachim Gauck käme mit ihr eine Dritte aus ostdeutsch-protestantischem Milieu an die Spitze. Ansonsten fehlt Führungsnachwuchs – es sei denn, man glaubt daran, dass der ewig junge Cem Özdemir mit fortschreitendem Alter doch noch von der Trauer- zur Lichtgestalt mutiert. Aufstiegs-orientierte Männer meiden generell die Grünen. Wer einmal einen Nominierungsparteitag und sein bemühtes Gequote erlebt hat, weiß, warum sie dem Kindergarten der Polit-Greise/-Greisinnen entfliehen.
Die Parteien haben damit vorgemacht, was sich derzeit in der Wirtschaft wiederholt: Sind Frauen unterrepräsentiert und droht eine Quote, entsteht Bewegung – wie in der Union. Derzeit besetzen alle großen Konzerne in vorauseilendem Gehorsam alle frei werdenden Top-Jobs mit Frauen. Frauen sind so knapp wie begehrt, man braucht sie, um aus der Schusslinie der Gleichstellungsdebatte herauszukommen. Um nicht gezwungen zu werden, auf weniger geeignete oder noch unerfahrene Frauen zurückgreifen zu müssen, sorgen die Personalverantwortlichen in den unteren Rängen endlich für Frauen-Nachwuchs. Gibt es dagegen eine feste Quote wie bei der SPD und den Grünen, konserviert dies alte Strukturen: Statt gewollter Frauenförderung herrscht Grabenkrieg zwischen Alten und Jungen. Und wie bei den Grünen wenden sich junge Männer mit Grausen ab und den Piraten zu: lieber Freibeuter als Quoten-Depp. Das kann Quoten-Unternehmen auch passieren.
(Erschienen auf Wiwo.de am 29.09.2012)
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