4. Griechenland floriert mit der Drachme
Lapavitsas erwartet allerdings einen guten Ausgang: „In wenigen Monaten. Es gäbe schnell wieder eine starke Nachfrage, die Produktion würde anziehen. Dafür wäre ein Preisverfall von wahrscheinlich um die 15 bis 20 Prozent notwendig. Aber wenn diese beiden Dinge passieren – der Schuldenschnitt und der Grexit im Konsens – dann würde die griechische Wirtschaft schnell wieder wachsen. Alles deutet darauf hin. Es ist fast ein stehendes Gesetz von Währungsreformen, das Europa nicht wahrhaben will: Wenn es eine Währungsreform dieses Ausmaßes gibt, erholt sich die Wirtschaft sehr schnell.“
Da ist ihm nicht zu widersprechen, und deshalb hier unser Text von Anfang Januar: Griechische Unternehmer wären die Gewinner; sie könnten billig exportieren, Tomaten, Wein, Feta, aber auch Textilien, Chemieprodukte und andere Erzeugnisse konkurrenzlos billig auf den europäischen Märkten anbieten. Ausländische Konkurrenten im Inland, also die berühmte Holland-Tomate in Athen, wären sie los, weil der Drachmenkurs wie eine Einfuhrsteuer wirkt. Solaranlagen würden konkurrenzlos billigen Strom produzieren und importiertes Öl und Gas ersetzen. Das alles spricht für einen Grexit. Mit der Drachmen-Abwertung wäre endlich die griechische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig und könnte wachsen, Arbeitsplätze schaffen. Das Land könnte selbstbewusst auftreten. Der Grexit würde zum Role-Model, dem bald auch Italien, Portugal und Frankreich folgen könnten. Eine gute, wenn auch etwas ältere Darstellung des Vorgangs, auch mit Zahlen der griechischen Wirtschaft, findet sich in der Fachzeitschrift Wirtschaftsdienst.
Aber Reformen – auf eigene Verantwortung
Soweit die Theorie. Sie funktioniert dann einigermaßen, wenn, ja wenn: Die Griechen tatsächlich bereit wären, hart zu arbeiten für weniger Einkommen. Aber die griechische Linkspartei hat ja ein sozialistisches, nicht ein marktwirtschaftliches Modell im Auge. Sie will mehr überflüssige Parteifreunde als Beamte einstellen – die nichts produzieren, sondern nur konsumieren. Sie hat die Privatisierung des Hafens von Piräus schon am ersten Tag nach der Wahl gestoppt. Sie will wichtige Industriebetriebe verstaatlichen und Sozialleistungen ausdehnen – also immer mehr Drachmen drucken, geradezu mit Drachmen um sich werfen – und die Abwertung der Drachme immer weiter beschleunigen.
Immer mehr Griechen versuchen, ihre Ersparnisse und ihren Verdienst heimlich in Form von Euros, Dollars oder Gold zu verstecken. Schon heute leidet die griechische Wirtschaft daran, dass nicht investiert wird. In diesem Szenario käme es nach einer Anfangseuphorie sehr schnell zum Investitionsstopp. Da die Regierung immer mehr Konsum ermöglicht, aber faktisch nicht mehr importiert werden kann und auch nicht mehr produziert wird, wäre eine ungeheure Inflation die Folge. Arbeitnehmer in der Industrie und im Tourismus würden höhere Löhne einfordern, um überleben zu können. Verstaatlichung wäre die Folge, was aber bekanntlich die Sache nicht besser macht, sondern endgültig an die Wand fährt.
Der neuen Regierung fehlt jede Kraft und jeder Wille, das Land zu modernisieren; sie flüchtet sich in sozialistische Kraftmeierei an der Wirklichkeit vorbei, setzt auf Beamte, nicht auf Wirtschaft. Aber da Griechenland ausländische Bevormundung etwa durch die Troika ablehnt, ist es unvermeidlich das Land sich selbst zu überlassen. Darin liegt allerdings ein gewaltiges Risiko: Bis weit in die 1970er war Griechenland von brutalsten innenpolitischen Auseinandersetzungen erschüttert. Dies läßt einen für die Zukunft schwarz sehen: Bürgerkrieg statt Reform droht.
6. Die Verantwortung liegt in Griechenland
Ohne Strukturreformen der Wirtschaft in Griechenland läuft die Drachme auf ein Szenario einer Hyperinflation hinaus: Die Regierung braucht ständig frisches Geld, der Außenwert verfällt, alle Sorten Inflation entfalten sich, soziale Unruhen sind die Folge. Die Regierung könnte mit ihrer Micky-Maus-Drachme die wachsende soziale Not nicht befrieden; massenweise Emigration der Leistungsträger wäre die Folge. Der Drachmen-Kurs wird zum modernen Drama, in dem sich die negativsten Aspekte der Wirtschaftsgeschichte wiederholen. Sollte Sie dieses Szenario an die DDR vor dem Mauerbau erinnern, dann ist das richtig. Nur mit einem Unterschied: Es gibt keinen großen Bruder, der die wertlose Drachme in harte Währung zurück tauscht. Aber die Verantwortung liegt dann in Griechenland. Eine wirtschaftliche Reform könnte die obigen Befürchtungen ad absurdum führen – und den Griechen Wachstum und Wohlstand ermöglichen.
7. Was passiert mit Europa und dem Euro?
Der griechische Finanzminister Varoufakis hat Europa mit einem Wollpullover verglichen – wenn man mit dem Auftrennen beginnt, geht es unendlich weiter. Das ist das Risiko, gut beschrieben. Wenn die Befürchtung wächst, dass nach dem Grexit auch der Frexit kommt, also der Austritt Frankreichs, dann zerbricht innerhalb weniger Wochen der Euro, weil weltweit Euros in sichere Währungen getauscht werden würden. Kapitalflucht wäre die Folge. Rücken die verbleibenden Staaten glaubwürdig enger zusammen, dann wird der Euro tendenziell stärker, weil das leidige Griechenland-Problem ein für allemal gelöst wäre.
Ich erwarte einen demonstrativen gemeinsamen Auftritt Deutschlands, Italiens und Frankreichs zur Rettung des Euros und zur Versicherung des ewigen Euro-Bundes. Bisher ist schwer abzuschätzen, ob dies geschieht, wenn die Rechnung offengelegt wird. Die linken Kräfte in Spanien, Portugals und Frankreichs unterstützen die griechische Neu-Regierung; Widerstand bildet sich aber in den nordeuropäischen Mitgliedsstaaten. Inhaltlich läuft es erneut auf ein Zweiteilung der Euro-Zone hinaus, wenn auch zunächst nur rhetorisch.
Das ist die einzige wirklich Schwachstelle, mit der Griechenland bisher gedroht und neue Milliarden erpresst hat: Die Verunsicherung der Märkte, wenn der Grexit kommt. Aber da kann die europäische Gemeinschaft ihre innere Stärke beweisen. Dieses Risiko ist politisch beherrschbar – oder anders herum: Wenn Europa und die EZB dies nicht bewältigen, bleiben sie ohnehin unglaubwürdig.
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