8. Was passiert mit dem Euro?
Hier ist keine klare Aussage möglich. Wenn die Befürchtung wächst, dass nach dem Grexit auch der Frexit kommt, dann zerbricht innerhalb weniger Wochen der Euro, weil weltweit Euros in sichere Währungen getauscht werden würden. Kapitalflucht wäre die Folge. Rücken die verbleibenden Staaten glaubwürdig enger zusammen, dann wird der Euro tendenziell stärker, weil das leidige Griechenland-Problem ein für allemal gelöst wäre. Ich erwarte einen demonstrativen gemeinsamen Auftritt Deutschlands, Italiens und Frankreichs zur Rettung des Euros und zur Versicherung des ewigen Euro-Bundes. Bisher ist schwer abzuschätzen, ob dies geschieht, wenn die Rechnung offengelegt wird. Die linken Regierungen stützen die griechische Neu-Regierung; Widerstand bildet sich aber in den nordeuropäischen Mitgliedsstaaten. Inhaltlich läuft es erneut auf ein Zweiteilung der Euro-Zone hinaus, wenn auch zunächst nur rhetorisch.
Das ist die einzige Schwachstelle, mit der Griechenland drohen kann: Die Verunsicherung der Märkte, wenn der Grexit kommt.
Schon nach der Freigabe des Franken-Kurses hat die Hoffnung der Bundesregierung einen Dämpfer erhalten, dass die Stabilität des Euro durch die diversen Rettungsmaßnahmen und institutionellen Erneuerung gewonnen habe. Der Euro ist weiter ein Wackelkandidat, den jeder griechische Spinner in die Krise stürzen kann.
9. Was macht die Europäische Zentralbank ?
Sie hat sich am 22. Januar dafür entscheiden, für 1140 Milliarden Anleihen aufzukaufen und damit billige Euros in die Welt zu kippen. Warum und wie, habe ich hier beschrieben. Damit macht sie den Weg frei für die wahrscheinlichste Lösung:
10. Das realistische Szenario: Schrecken ohne Ende
Griechenland wird die Drachme nicht spielen. Es hat sich gezeigt, dass die Vorbereitungen einige Monate dauern würde – die zu einem katastrophalen Abschwung der Wirtschaft sofort nach Bekanntwerden der Absicht führen würde.Die Nachteile wären zu extrem. Es wird zu einem kleineren Schuldenschnitt, einem Hilfsprogramm auf europäischer Ebene und frischem Geld aus der EZB (siehe oben) kommen, um einige weitere Sozialprogramme zu finanzieren. Das Euro-Gewürge geht also in die nächste Runde; es erinnert an einen Schrecken ohne Ende.
Für Deutschland und Europa ist der Grexit nicht ganz ohne Risiko, also ein Ende mit Schrecken. Aber Griechenland ginge unvergleichlich höhere Gefahren ein.
Trotzdem schrecken deutsche Politiker davor zurück. Sie fürchten, dass die Kosten der bisherige Appeasement-Politik in Währungsfragen auffliegen. (Siehe Punkt 5) Der erste Schuldenschnitt hat jedem Bürger Griechenlands einen Ertrag von 10.000 € gebracht; seither ist die Summer auf über 30.000 € angewachsen. Mit dem sich ankündigenden Rückzieher Berlins dürfte diese Summe weiter anwachsen. In dem Zusammenhang erreicht uns ein interessanter Aufsatz von Urs Pichler, einem Spieltheoretiker des Schweizer Forums für Wirtschaftspolitik- er beschreibt die wahrscheinlichste Lösungen: einen verdeckten Schuldenschnitt innerhalb des Euros und zeigt, mit welchem Kaliber die neue griechische Regierung antritt.
„In der neuen griechische Regierung sitzen mehrere Minister, die als Beruf “Ökonom” und/oder “Mathematiker” angeben könnten. Allen voran der neue Finanzminister Yanis Varoufakis. Varoufakis Spezialgebiet ist Spieltheorie (die Theorie strategischen Verhaltens); er hat u.a. zwei Lehrbücher dazu mitverfasst (siehe unten).
Dies verheisst den Gegenparteien wie EU, EZB oder IMF im Verhandlungspoker kein leichtes Spiel. Aber es erlaubt eine Vermutung, wie es kommen könnte, wenn alle Seiten rational spielen. Varoufakis hat seine Sicht bereits in einem Aufsatz vom Februar 2012 offengelegt: “Greek default does NOT equal Greek exit”. Er skizziert darin einen “dritten Weg” zwischen Austerität Austritt aus der Euro-Zone. Im Klartext: “Greece must default within the eurozone!”
Strategisch geht das dann so: Griechenland ist nahe an einem Primärüberschuss. Die alten Schulden sind aber zu hoch. Diese sind zu kürzen (was in der Zwischenzeit auch bereits geschah). Das einzige Problem, das dann verbleibt, sind die griechischen Banken; sie sind weiterhin auf Unterstützung durch die EZB angewiesen. Es liegt aber gar nicht im Interesse der EU und der EZB, die griechischen Banken fallen zu lassen: “the ECB will not knowingly take steps which will destroy the eurozone”. Im Gegenteil: “Europe’s optimal strategy is to let Greece default, to allow the Greek government to find ways to live within its tax take for the next year or so and, at the same time, work out the Overall Solution to the euro crisis that was promised last year and never delivered.”
Der GREFAULT ist also das Resultat, wenn sowohl Griechenland als auch die EU je ihrer optimalen Strategie folgen. Das nennt man ein Nash-Gleichgewicht, und es liegt nahe, dieses als Prognose des Kommmenden zu verwenden.
Die EZB hat sich bereits selbst zu fesseln versucht mit dem Hinweis darauf, dass ihr ein Schuldenerlass gesetzlich untersagt sei. Der IMF seinerseits wird auf dem Vorrang seiner Guthaben bestehen. Verschiedene Politiker aus der EU haben einen Austritt Griechenlands als verkraftbar bezeichnet. Was aber, wenn Varoufakis’ Poker aufgeht, und die EU (wie schon 2012) einen GREXIT letztlich eben doch nicht will, bzw. ihn sich nicht leisten kann?
Dann bleibt — spieltheoretisch — wohl nur ein dritter Weg innerhalb des dritten Wegs: Ein versteckter GREFAULT, bei dem die griechischen Schulden so umgemischelt werden, dass Griechenland lange nichts zahlen muss, aber die Gläubiger im Moment keine Abschreiber verbuchen müssen.“
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