Die globale Ökonomie kommt mir zurzeit vor wie ein gigantischer Luftballon, aus dem die Luft entweicht – pffffffffffffftt.
Schrumpelig wird die Welt, und sie schrumpft. Besonders schnell verfällt ein an sich kleines Land, nämlich Deutschland – schon allein deshalb, weil es sich zunächst selbst aufgebläht hat, indem es fast die Hälfte seiner Produkte exportiert. Jetzt also – pfffffffffffft – fährt unser Wohlstand dahin, weil die weltweite Nachfrage nach Maschinen und Autos verfällt.
Deutschlands Industrie wird von den Wirtschaftsforschungsinstituten ausgezählt wie ein geschlagener Boxer auf der Matte: 1,5 Prozent, 1,0 Prozent, minus 1,0 Prozent, minus 2,0 Prozent Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr. Im Augenblick gilt die ökonometrische Faustregel: An jedem neuen Tag wird das erwartete Wirtschaftswachstum um jeweils einen Prozentpunkt niedriger geschätzt; derzeit sind wir bei Minus 4,0. Dabei gilt noch eine Faustregel: Jeder Prozentpunkt Wachstumsverlust kostet schätzungsweise bis zu 350.000 Arbeitsplätze. Auch aus dem Jobwunder der vergangenen beiden Jahre ist die Luft raus, und man scheut sich, die wahre Dynamik auszusprechen: Es droht eine ungeheure menschliche, soziale und politische Belastung.
Wenigstens hat die Bundeskanzlerin jetzt zum Konjunkturgipfel ins Kanzleramt geladen. Denn bislang hat sich die Bundesregierung selbstverliebt im vorweihnachtlichen Frohlocken geübt, etwa über die niedrigste Arbeitslosenzahl seit Langem. In den Beamtenbunkern inmitten Hartz-IV-City (früher Berlin), von der wirtschaftlichen Realität sorgfältig abgeschottet, schien sich noch nicht herumgesprochen zu haben, dass man da draußen Stammbelegschaften zu halten versucht, solange es geht und was immer es zunächst kosten mag; dass allüberall die Arbeitszeitkonten geplündert werden, Kurzarbeit ausgerufen, Zeitarbeiter entlassen und die Weihnachtsferien künstlich verlängert werden. Aber spätestens ab Mai wird es vorbei sein mit der temporären Sonderkonjunktur für die große Kuschelkoalition, dann wächst nur noch eines: die Schlangen vor den Arbeitsämtern.
Abwarten und gemütlich beratschlagen, der lange Palaver am Kabinettstisch der großen Koalition – diese zähe Form der Politik ist für alle die teuerste Variante, auch für die öffentlichen Haushalte. Deutschland braucht ein schnelles, nachhaltiges und überzeugendes Konjunkturpaket, wie wir es mit unserer Forderung nach massiven Steuersenkungen schon seit Wochen an dieser Stelle fordern. Steuersenkungen sind nachhaltig und schaffen damit Vertrauen bei den Bürgern. Nur so kann auch die Binnennachfrage anspringen, denn machen wir uns nichts vor: Die Exporterfolge haben wir durch schwache Binnennachfrage teuer erkauft. Nicht um das Ob eines Konjunkturprogramms geht es, sondern um das Wie: In vielen Städten und Gemeinden liegen Pläne für die notwendige Renovierung von Schulen, Verkehrsanlagen und Infrastrukturmaßnahmen auf Eis. An vielen Orten könnte die deutsche Wirtschaft sofort anpacken.
Weltweit, in den USA ebenso wie in China, in Frankreich so gut wie in England oder Österreich, sind Regierungen und Ökonomen darin einig, dass sich dieser blaue Luftballon selbst wieder aufblasen muss. Überall werden dafür Milliarden über Milliarden bereitgestellt – nur der deutsche Bundesfinanzminister putzt in schneidigem Kasino-Ton seinen britischen Amtskollegen herunter und gefällt sich in der Rolle des besserwisserischen Sparkommissars. Aber in der heutigen Lage kann sich die Welt nicht gesundsparen, und eine global so verflochtene Wirtschaft wie die deutsche kann nicht darauf warten, bis irgendwann wieder einer anklopft und was bestellen will. Deutschland muss im globalen Konzert mitspielen, damit uns die Luft nicht endgültig ausgeht.
(Erschienen auf Wiwo.de)
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