Mit der Energiewende isoliert sich Deutschland in Europa. Und die Gewerkschaft warnt vor Arbeitsplatzverlusten und Umverteilung.
Die Energiewende ist ja eines dieser Dinge, an die viele Deutsche ganz, ganz fest glauben – bis zum bitteren Ende. Endlich einmal wieder Vorbild für den Rest der Welt sein! Aber die jüngsten Erklärungen beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in der EU zeigen: Schon wieder wollen sich die europäischen Nachbarn nicht überzeugen lassen. Da ist sehr viel die Rede von bezahlbarer Energie, von der Notwendigkeit, die Strompreise im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu halten. Geradezu gemein wird es, dass sich die anderen Länder ausgerechnet jene Forderung zu eigen machen, die sonst Deutschland so gerne erhebt – um sie dann gegen Deutschland zu wenden: Alle Kräfte müssen für Wachstum mobilisiert werden, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Aber diesmal geht es nicht um die Euro-Rettung durch Wirtschaftswachstum, sondern um Energie – und diesmal sitzt Deutschland auf der Anklagebank, weil die durch die Energiewende ausgelöste dramatische Verteuerung der Energiepreise und Alleingänge eines der Haupthindernisse für die wirtschaftliche Erholung sind. Und während Berlin inbrünstig an ständig und unvermeidlich steigende Energiepreise glaubt, warnt EU-Energiekommissar Günther Oettinger vor den sinkenden Energiepreisen, allerdings nur in den USA: Während dort der Gaspreisindex in der Industrie um 66 Prozent fiel, verteuerte er sich auf dieser Skala in Europa um 35 Prozent. Sinkende Preise für Energie geben den USA Rückenwind für die Re-Industrialisierung , während europäischen Verbrauchern der Wind ins Gesicht bläst. Und weil das alles an Kritik an der deutschen Energiepolitik noch nicht reicht, soll auch in Europa zukünftig Fracking möglich sein – also die Förderung von Schiefergas. Allerdings war die Verhandlungsmacht Deutschlands noch groß genug, wenigstens dieses Wort noch zu meiden, weil auch nur seine Erwähnung teuflisch wirkt. Nun ist nebulös von „systematischerem Rückgriff auf einheimische Energiequellen“ die Rede – Brüssologie heißt die Kunst, die es versteht, aus diplomatischen Verschleierungsklauseln in Euro-Sprech die versteckte Absicht herauszulesen, die man dem gemeinen EU-Bürger so direkt nicht zumuten will. Klimapolitik, die zweite Leidenschaft der Deutschen neben dem Atomausstieg, spielt ohnehin keine Rolle mehr. So spottet die Londoner „Financial Times“, dass die „Klimaskeptiker im Ergebnis gesiegt haben“: einfach weil Klimapolitik nicht mehr stattfinde.
Es wird nicht besser. Großbritannien will jetzt zwar nach deutschem Vorbild eine Art „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ mit garantierten Preisen für Stromerzeuger einführen – dummerweise verstehen die Briten darunter nicht Strom aus Wind oder Sonne, sondern Kernenergie. Weil die Meiler irrsinnig teuer werden, will Großbritannien sogar finanzielle Unterstützung aus EU-Kassen: Dann zahlen die Deutschen für die Abschaltung der eigenen Kernreaktoren und gleichzeitig für den Aufbau neuer auch in Frankreich und Tschechien – Kernkraft, auf deutsche Kosten erneuert.
Aber auch zu Hause regt sich Widerstand: Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der sowohl für Energieerzeugung wie -verbrauch zuständigen IG Bergbau, Chemie, Energie, stellt sich ausdrücklich hinter den EU-Energiekommissar Oettinger. Im WirtschaftsWoche-Interview analysiert er, dass die Strompreise sich zu einem „echten Standortproblem“ für die Industrie und zu einem sozialpolitischen Problem für die Menschen entwickeln. Und weil er schon beim Austeilen dabei ist, weist er auch darauf hin, dass in den hochgelobten grünen Industrien die Beschäftigten besonders mies behandelt werden.
Es ist der Einbruch der Wirklichkeit in das Ökopuppenhaus. Er kommt Berlin nicht mal unpassend: Aus eigener Kraft kann sich diese Regierung aus der selbst gestellten Energiefalle nicht mehr befreien; und SPD/Grüne sowieso nicht.
Jetzt soll’s die EU richten. Dann kann man ja weiterträumen von einem grünen deutschen Sonderweg.
(Erschienen auf Wiwo.de am 25.05.2013)
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