Ende der Spar-Zeit

Deutschland zwingt die Euro-Staaten zum Sparen. Dabei halten wir das nicht einmal zu Hause durch – zum Schaden der Euro-Zone.

Mit der Stabilitätsbremse made in Germany soll sich Europa gesundsparen. Aber was ist, wenn die Sparerei den Deutschen selbst nicht mehr schmeckt? Genau danach sieht es aus: Der fette Zuschlag von 6,3 Prozent bis auf die für den öffentlichen Dienst wird auf Pump finanziert, und alle. Weniger aus Nächstenliebe zum Stadtkämmerer freuen sich Konto: Wenn die von Verdi mit Müllwerker, eher mit Blick auf das eigene der Sechs nach Hause gehen, brauchen die Bosse der Gewerkschaften Chemie und Metall sich mit einer Vier gar nicht erst blicken lassen.

So aber werden die Lohnstückkosten steigen, und die Wettbewerbsfähigkeit wird sinken. Da mag die deutsche Politik den Griechen, Portugiesen und Italienern noch so sehr Sparsamkeit und Maßhalten predigen – die Deutschen selbst haben längst die Nase voll von der elenden Sparerei: als Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft ist krachend gescheitert, weil ihre Hochschuldenpolitik keine Mehrheit im Parlament fand. Jetzt will sie über neue Wahlen zu neuen Schulden kommen.

Auch der Haushalt der schwarz-gelben Bundesregierung ist nicht sparsam, sondern “wachstumsfreundlich”. Wachstumsfreundlich, das heißt nach Lesart des gültigen Vulgär-Keynesianismus: wachsende Verschuldung. Deshalb wird Schäubles Haushalt nicht über Einsparungen solide, sondern nur über wachsende Steuereinnahmen, die aber nur bei Wirtschaftswachstum sprudeln. Kriselt es wieder, oder werden auch nur ein paar der vielen Bürgschaftsmilliarden für die Euro-Rettungsschirme fällig, stürzt der Haushalt ins Tiefrote; schon eine höhere Pendlerpauschale zerrupft das sorgsam frisierte Zahlenwerk. Schäuble droht damit das Schicksal seiner Vorgänger Peer Steinbrück und Hans Eichel: Erst schauen die Zahlen schön aus, dann stürzen sie ab.

Das Verballern immer neuer Milliarden für den Euro nehmen die Deutschen ja hin – aber anders als erwartet: “Jetzt sind wir mal dran, nicht immer nur die Griechen”, das war der Schlachtruf der “Schlecker-Frauen”, mit dem sie Forderungen nach Staatsknete für ihre Transfergesellschaft begründeten. Nun könnte man das ja als unzulässige Einzelfalllösung abtun – aber brav soufflierte die Hamburger “Zeit”: Dann müssten eben Rettungsschirme für alle Arbeitnehmer her, so schlicht kann Logik sein. Nicht Solidität ist die Lehre aus dem Debakel südeuropäischer Schuldenmacherei – sondern Wettlauf um neue Schulden zugunsten des eigenen Portemonnaies. War schon “Sterben für Danzig” in Frankreich 1939 nicht populär, so wenig ist es im verwöhnten Heute Sparen für Griechenland.

In Euro-Land wird die neue deutsche Großzügigkeit bei Staatsmilliarden und Löhnen gerne gehört. Schließlich seien ja die deutsche Wettbewerbsfähigkeit und die daraus resultierenden Exporterfolge für die Schulden der anderen verantwortlich. Ganz ohne expliziten Regierungsbeschluss steigt jetzt die deutsche Binnennachfrage durch Lohnerhöhung und Staatsverschuldung – so wie es beispielsweise Chefin Christine Lagarde und der sozialistische IWF- Präsidentschaftskandidat François Hollande in Frankreich fordern.

Wenn sie sich nur nicht täuschen. Denn die Beschäftigten im öffentlichen Dienst werden jetzt keinen Nachfragesog nach französischen Weinen, spanischen Immobilien und überteuerten Urlauben in Griechenland entfalten. Dafür wird eher die Euro-Zone insgesamt in die Schieflage geraten, wenn Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit auf europäisches Mittelmaß heruntergewirtschaftet ist: Nur der deutsche Exportüberschuss in die außereuropäischen Länder sorgt dafür, dass die gemeinsame Leistungsbilanz von Euro-Land ausgeglichen bleibt.

Auch der Kurs des Euro ist nur deshalb halbwegs stabil, weil Dollar in noch als solide geltende deutsche Bundesschatzbriefe investiert werden. Bricht aber der deutsche Stabilitätsanker, sind Europa und der Euro sowieso perdu.

(Erschienen auf Wiwo.de am 05.04.2012)

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