Die Schein-Wirtschaft ist wie Monopoly spielen

Frank Schäffler: Wirtschaft im Draghi-Zeitalter ist wie Monopoly: Der erste, der über Los kommt, kassiert.

Wer für eine freie Marktwirtschaft ist, behauptet nicht, dass diese ideal, gut oder frei von Verwerfungen wäre. Wer für eine marktwirtschaftliche Ordnung eintritt, behauptet auch nicht, dass jeder Staatseingriff einer Minderung der Wirtschaftskraft gleichkommt und deshalb abzulehnen sei. Die Kritik bezieht sich lediglich darauf, dass mit den „Eingriffen“ jene Ziele, die ihre Urheber und Helfershelfer durch sie erreichen wollen, nicht erreicht werden können. Stattdessen werden durch die Eingriffe Wirkungen erzielt, die auch ihre Urheber und insbesondere deren Unterstützer nicht wollen. Sie laufen sogar ihren Absichten zuwider.

Die fortwährenden staatlichen Eingriffe in die Marktwirtschaft verändern alles: die Zinsen, die Preise, das Angebot, die Nachfrage, den Konsum und die Investitionen. Genau dies ist gewollt, da Regierungen einen Mangel im Jetzt feststellen und diesen durch staatliche Intervention beheben wollen.

Es ist wie beim Monopoly-Spiel. Werden die Rahmenbedingungen durch eine „Ereigniskarte“ zugunsten eines Spielers verändert und kommt er gleichzeitig über „Los“, dann hat er plötzlich einen Vorteil und kann aus dem Vollen schöpfen. Er kann Straßen in bester Lage kaufen, Häuser und Hotels darauf bauen und anschließend die Mieten erhöhen. Seine Investitionen stammen also nicht aus einem vorangegangenen Sparprozess, der die Basis der Investition in Straßen, Häuser und Hotels wäre, sondern es ist ein Zufallsprodukt, ein Willkürakt des Regelsetzers in der Spielanleitung. Es ist gleichbedeutend mit einem Wohlstand ohne Anstrengung, der Einzelnen in den Schoß fällt und anderen nicht. Den drohenden Bankrott der anderen verhindert der Regelsetzer dadurch, dass er alle Mitspieler vorerst am Leben lässt. Er schenkt allen frisches Geld, wenn sie über „Los“ gehen. Doch auch hier gilt, die die zuerst über „Los“ gehen, profitieren als Erste vom neuen Geld und können es zuerst ausgeben. Dann können sie die überhöhten Mieten bezahlen, selbst noch Häuser und Hotels bauen und erhalten dadurch einen einseitigen Vorteil gegenüber ihren Mitspielern. Dieser Schein-Wohlstand, verbunden mit den Marktverzerrungen, geht durch die Intervention noch einige Runden weiter, bis der Spielbetrieb durch noch so willkürliche Akte des Regelsetzers nicht mehr gerettet werden kann. Dann ist das Spiel aus.

Wie in der Monopoly-Welt verändern auch in der realen Welt staatliche Interventionen das Wirtschaftssystem. Sie verbreiten sich wie ein Virus in der Marktwirtschaft, verseuchen und zerstören sie. Die marktwirtschaftliche Ordnung ist anschließend nicht mehr frei und deshalb kann auch nicht mehr von einer solchen gesprochen werden. Besser wäre es, von einer Schein-Wirtschaft zu sprechen. Denn sie wird nur noch zum Schein aufrechterhalten, um den Marktteilnehmern etwas vorzugaukeln, was es nicht mehr gibt.

Und das Instrument dieses Scheins sind Scheine – Geldscheine überwiegend aus Papier. Das heutige Papiergeld-System ist der Nukleus der Intervention in die Marktwirtschaft. Es ist gekennzeichnet durch die Geldschöpfung aus dem Nichts, also die Schaffung von Kreditgeld über die Banken, die durch die Geldpolitik der Notenbanken gesteuert werden. Dieser Geldschöpfung durch die Kreditvergabe steht kein Sparvorgang gegenüber. Es ist wie beim Monopoly-Spiel der Gang über „Los“ oder das Ziehen der richtigen „Ereigniskarte“. Die Geldmenge und deren Verteilung wird lediglich über die Regulierungsvorschriften der Regelsetzer bestimmt. Doch wer die Menge und den Preis des Geldes bestimmt, verändert alles. Deshalb ist unsere Wirtschaftsordnung nur noch eine Schein-Wirtschaft.

Welche „Blüten“ diese Schein-Wirtschaft treibt, zeigt die Diskussion über die anstehende quantitative Lockerung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank. Wahrscheinlich wird der EZB-Rat in seiner Sitzung am 22. Januar die Entscheidung treffen, Schulden der Euro-Staaten mit neu gedrucktem Geld der EZB zu kaufen. Das Ziel, die Bilanz der Währungshüter um 50 Prozent durch das Drucken von 1.000 Mrd. Euro auszuweiten, ist ein beispielloser Akt in der jungen Euro-Geschichte. Die Diskussion über das „wie“ ist dabei unter den „Hohepriestern des Geldes“ und ihren Jüngern heftig umstritten. Jedoch zeigt die Diskussion darüber das ganze Dilemma der Schein-Wirtschaft. Welche Schulden soll die EZB ankaufen? Nach dem Anteil der jeweiligen Notenbanken an der EZB-Bilanz; nach dem Anteil der ausstehenden Schulden der jeweiligen Euro-Staaten; oder doch nur die Staatsanleihen mit der höchsten Bonität; vielleicht sollte nicht die EZB, sondern die jeweiligen Notenbanken auf eigenes Risiko die Anleihen kaufen? Fragen über Fragen, die in den Gazetten rauf und runter diskutiert werden. Welche Vor- und welche Nachteile hat die jeweilige Intervention? Hilft es? Und wenn ja, wem? Bei dieser Auseinandersetzung um die nächste Interventionsstufe geht es längst nicht mehr um das ursprüngliche Ziel der Überwindung der Wachstumsschwäche im Euro-Club, sondern nur um den kleinen „Geländegewinn“ des einen oder anderen. Doch selbst wenn, was ist das für ein armseliges Wachstum, das anschließend wieder auf der Kreditexpansion aus dem Nichts beruht?

Letztlich soll der Eindruck einer funktionierenden Marktwirtschaft vorgespielt werden, die der Staat durch das Drehen der einen oder anderen Schraube wieder ins Lot bringen kann. Es soll die Fiktion aufrechterhalten bleiben, dass der Staat als Hüter der marktwirtschaftlichen Ordnung den Rahmen setzt, aber dennoch die Marktkräfte wirken lässt. Doch es ist das Gegenteil dessen. In einer Marktwirtschaft ist die Rolle des Staates abstrakte, allgemeine Regeln zu schaffen, die für alle gleich sind. Die aktuelle Geldpolitik, die Mutter aller Interventionen, schafft Regeln, die Einzelne willkürlich bevorteilt, andere nach Gutdünken benachteiligt und wieder andere in Investition und Risiken treibt, die sie unter normalen Umständen nie eingegangen wären.

Zu Weihnachten haben mir Freunde eine Ergänzung zum klassischen Monopoly-Spiel geschenkt. Mit neuen Ereignis- und Gemeinschaftskarten kommt damit neue Fahrt ins Spiel. Der Regelsetzer kann plötzlich eine Währungsreform verordnen und alles umlaufende Geld verliert seinen Wert. Dann muss erst wieder jeder peu à peu über „Los“ und neues frisches Geld erhalten und der ganze Wahnsinn beginnt von vorne.

Ich hätte auch schon eine eigene „Erweiterungsidee“: Freies Geld, das jeder Teilnehmer in Umlauf bringen kann. Die Solidität und das Vertrauen in das jeweilige freie Geld schafft eine dezentral verteilte Sicherheit, die kein staatlicher Geldmonopolist jemals dauerhaft gewährleisten kann. Na gut, das Spiel dauert jetzt länger, Straßen, Häuser und Hotels werden nicht so schnell gebaut. Es gibt auch nicht ständig neues Geld aus dem Nichts, wenn man über „Los“ kommt, aber eines ist gewiss: es wäre eine freie Marktwirtschaft.

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