Die Energiewende könnte bis zu 1000 Milliarden kosten, gesteht jetzt der Umweltminister ein. Aber wer kriegt die Kohle, wer zahlt?
Die größte Umverteilung findet nicht mehr durch Steuern statt – sondern durch die Energiewende. Dabei geht es nicht um den Atomausstieg. Es sind die Effekte des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) der rot-grünen Koalition aus dem Jahr 2000. Das funktioniert so: Wer Strom aus Sonne oder Wind erzeugt oder Getreide vergast, erhält einen Strompreis, der weit über den Stromkosten aus Atom, Kohle oder Gas liegt. Und: Dieser grüne Strom hat Vorfahrt. Egal, wie teuer er ist – er verdrängt jeden billigen Strom aus den Netzen. Klar, dass die großen Stromkonzerne die Verlierer sind. Sie müssen Dutzende moderner Kohle- und Gaskraftwerke verschrotten. Das trifft auch viele Stadtwerke. Sie müssen, wie die Stadtwerke München, ihre Anteile an Atomkraftwerken, aber mehr noch an vielen fossilen Kraftwerken abschreiben. Damit sind sie das Großrisiko ihrer kommunalen Eigner. Die Energiewende kostet so Aktionäre und Kommunen einen dreistelligen Abschreibungsbetrag, der in Peter Altmaiers 1000 Milliarden Euro noch nicht enthalten ist – die größte Kapitalvernichtung seit Kriegsende.
Der gewaltigste Posten aber ist die Vergütung des unwirtschaftlichen Grünstroms. Allein bis 2022 werden seine Produzenten die sagenhafte Summe von 680 Milliarden Euro erhalten. Das ist der Betrag, um den Grünstrom teurer ist als herkömmlicher Strom. Gewinner sind also diejenigen, die Solarpaneele aufs Dach geschraubt haben und denen der Staat dafür eine Rendite von zehn Prozent garantiert – und zwar 20 Jahre lang. Ein bislang fast wertloser Acker erzielt eine Windrente von 50.000 Euro. Gewinner und Verlierer sind Nachbarn: Wer ein Wohnhaus oder ein Hotel an der Küste besitzt, wird faktisch durch das Windrad nebenan enteignet – wer will schon im Schatten der gigantischen Lärmmacher wohnen oder urlauben?
Die Profiteure des Solarstroms wohnen meist im Süden, wo sie die Solarstadl oder Solarparks betreiben, und im Eigenheim auf dem Land. Draufzahler sind alle Stromverbraucher und Kleingewerbetreibende, denn sie müssen über Aufschläge auf ihre Stromrechnung die 680 Milliarden finanzieren. Sie zahlen auch jene 100 bis 200 Milliarden Euro für neue Stromleitungen, die für den Solar- und Windstrom gebraucht werden. Damit findet eine gewaltige Umverteilung von den städtischen Regionen aufs Land und an die Küste statt; von Mietern, die Zuschläge aufgebrummt kriegen zugunsten von Hausbesitzern mit Sonnenkollektoren auf dem Dach. Von den Bundesländern ist es so vor allem Nordrhein-Westfalen, das ausblutet: An Rhein und Ruhr erstreckt sich die größte Stadtregion Europas. Die Reste der Montanindustrie – Stromkonzerne, Kraftwerke, Zulieferer – verlieren ihre Existenz.
Noch ist die Industrie nicht der Hauptzahler. Ausnahmegenehmigungen verhindern vorerst, dass ihre Stromrechnung zu hoch steigt. Aber damit ist der Strompreis ein politischer Preis. Ausnahmegenehmigungen entscheiden über Leben oder Tod von Betrieben und Branchen. Das feinnervige Geflecht von Stromerzeugern und Stromverbrauchern, Basis für die schwerindustriell geprägte Landschaft zwischen Köln und Kamen, ist zerrissen – mit Langzeitfolgen. Niemand wird dort noch langfristig investieren, wenn morgen die Politik die lebenswichtige Strom-Ausnahmeregelung streichen kann. Und während weltweit die Energiepreise sinken, weil billiges Gas die Märkte überschwemmt – das Energieimportland Deutschland verliert trotzdem. Denn in Deutschland wird billiger Strom durch teuren ersetzt, koste es, was es wolle.
Auch die Umwelt kennt Sieger – und Verlierer. Energiepflanzen ruinieren Land und Boden. Nur eine Alt-Energie hält sich noch gegen Solar und Wind: Braunkohle. Ihr Abbau aber verschlingt Dörfer und Landschaften. Sie ist auch dafür verantwortlich, dass erstmals seit Jahren der CO₂-Ausstoß wieder steigt. Dumm gelaufen. Im grünen Gewand kommt eine soziale und industrielle Revolution daher. Jetzt frisst sie ihre Kinder.
(Erschienen auf Wiwo.de am 23.02.2013)
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Fairerweise müsste erwähnt werden, dass wir aktuell 100 Mrd. € für Energieimporte ausgeben müssen (Öl, Gas).
Klar, die Lieferanten kaufen dann ein paar Panzer bei uns, muss man natürlich dagegenrechnen ob sich das lohnt?