Deutschland ist ein Waisenkind unfähiger Eliten

Die Welt sortiert sich neu. Deutschland findet seinen Platz nicht in der Welt von morgen - Folge einer Politik und Politikergeneration, die zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist und die Realität komplett aus den Augen verloren hat.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Die Welt gruppiert sich um – vermutlich ein Vorgang, der mit den Folgen der Selbstauflösung der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten vergleichbar ist. China ist längst die Fabrik der Welt, ohne deren Wirken die Regale leer bleiben würden. Mit den BRICS-Staaten verbünden sich die wachstumsstärksten Staaten mit gigantischen Rohsotffvorkommen neu. Israel hat längst mit vielen arabischen Nachbarstaaten seine Isolation überwunden und wird zum Power-House in Nahost, auch wenn es noch ein paar Ewiggestrige in ihren Erdlöchern nicht verstehen, deren Beitrag zur Weltkultur im Sprengstoffgürtel besteht.

Amerika wird wieder groß

Mit Donald Trump trumpfen die USA wieder auf. Welchen Platz findet Deutschland in dieser Welt? Welche Rolle spielt die EU?

Während Trump in seiner ersten Amtszeit häufig als durch die Weltlage irrlichternd wahrgenommen wurde, scheint er diesmal ein komplettes Regierungsprogramm zusammen mit einer entschiedenen Regierungsmannschaft vorzubereiten. Und während er zunächst als Newcomer eher eine Zufallsmehrheit errungen hatte, ist es jetzt ein triumphaler, in die Tiefe der Gesellschaft reichender Zuspruch: Er hat die Mitte der Gesellschaft erreicht, Frauen, Schwarze, Latinos, Juden, Muslime, die LGB-Community – es ist das starke Amerika, das sich hinter ihm versammelt, während Spinner und Fanatiker den Krieg in den Betten fortführen wollen, weil sie ihn in der Politik und Öffentlichkeit verloren haben. Die Ministerriege um Donald Trump: Personen sind Programm. Jetzt wird das Programm deutlich – und hat Beispielcharakter auch für Deutschland.

Gesellschaftspolitisch kann man es als Rückkehr zum gesunden Menschenverstand begreifen, als Absage an die Verherrlichung von Identitätspolitik und LGBTQ+ etc. als neuer Norm, immer monströserer Bürokratisierung aller Lebensbereiche, massiver Umverteilung, massenhafter Migration und für eine Rückkehr zu geordneten Lebensbedingungen in Städten, die von Polizei und Justiz gesichert werden.

Noch vor der offiziellen Amtsübernahme scheint ein Ruck durch Amerika zu gehen – und das ist etwas, was in Deutschland schon zu oft unterschätzt wurde: Die dynamische Kraft, die ausgeht von Amerikas Industrie, HighTech-Welt und Pioniergeist seiner Unternehmer. Elon Musk hat nebenbei die Finanzindustrie mit PayPal, den Automobilsektor mit Tesla revolutioniert, die Raumfahrt in unfassbarer Weise mit SpaceX vorwärtsgetrieben und die globalen Medien mit X umgeworfen: Ihm traut man zu, dass er dem Bürokratiemonster den Kopf abschlägt.

Deutschland dagegen feiert als Entbürokratisierungserfolg die Verkürzung der Aktenaufbewahrungsfrist um 2 Jahre, was ganz nebenbei auch die dem Kurzzeit-Kanzler Olaf Scholz die Aufdeckung seiner CumEx-Affäre erspart; und das Lastenfahrrad ist die Alternative, die Deutschland zur Eroberung des Planeten Mars besteuert, zu der Elon Musk aufgerufen hat.

Schnarchen im grünen Krähwinkel und Brüssel

Man spürt die Jämmerlichkeit und Enge, die bedrückende Beschränktheit, in die Parteienberufspolitiker das Land gestürzt haben und eingesperrt halten wollen. Es fehlt jede Perspektive für Deutschland und die EU. Das frühere Friedensprojekt und der gemeinsamen Markt ist einer Bürokratiehölle gewichen. Während europäische Staaten früher die Welt kolonialisierten, wollen die EU-Bürokraten  jetzt die Welt mit Lieferkettenrichtlinie und Baumkartierungsprogrammen missionieren und merken dabei gar nicht, dass sie sich selbst am meisten schaden. Man wird auch künftig an den Meistbietenden verkaufen, auch wenn er aus China kommt und nicht an Lieferkettenfragebogen-Ausfüller aus der EU. Mit der Blockade sozialer Medien wollen sie ihre Bürger vom Welt-Wissen und dem globalen Debatten-Raum abschotten, wie es einst der Sowjetunion nur bis zur Erfindung des Satellitenfernsehen gelungen ist. Sie reagieren auf Kritik beleidigter, als Kaiser Wilhelm II. sich je hat anmerken lassen.

Aber warum tapert Deutschland so hilflos durch die Weltgeschichte? Es ist ein grandioses Versagen seiner Eliten. Der französische Anthropologe und Demograph Emanuel Todd bietet in einem lesenswerten aktuellen Band eine Antwort: Längst ist Deutschland eine Art Demokratie, die den Namen nicht mehr verdient.

Demokratie, die keine mehr ist

Er schreibt über das Wesen einer funktionierenden Demokratie: „Die durch allgemeine Wahlen gewählten Vertreter müssen sich selbst vollständig als Vertreter derjenigen begreifen, die sie gewählt haben.“ Die gewählten und politischen Eliten aber wollen ihre Wähler nur noch dann vertreten, wenn man ihnen applaudiert und zustimmt. Kritik ist nicht vorgesehen. Die Wähler müssen verstehen, was man von ihnen will, nicht die Gewählten das, was sie tun sollen. Im Zweifel muss die Politik „besser erklärt“ werden oder die Bürger müssten „abgeholt“ werden; die Zweideutigkeit dieses Aussage spricht für sich. Und wenn die Bürger nun partout nicht wollen, wie die Eliten denken, dass sie sollen, dann sind sie eben rechts und damit sowieso indiskutabel. Todd weiter: „Die Eliten beklagen ein Abdriften der Bevölkerung in fremdenfeindliche Rechte, und die Bevölkerung verdächtigt die Eliten, einem wahnsinnigen `Globalismus` zu verfallen. Wenn das Volk und die Etie nicht mehr miteinander übereinkommen, um gemeinsam zu funktionieren, dann hat der Begriff der repräsentativen Demokratie keinen Sinn mehr: wir landen bei einer Elite, die nicht mehr vertreten will, und bei einem Volk, das nicht mehr vertreten sein will.“

Todd hat dieses Buch vor Monaten verfasst, aber es liest sich wie ein Drehbuch: Da beschließen CDU, SPD und Grüne, den Bundestag einfach ausfallen zu lassen. Einfach so! Der Bundestag als Ort der repräsentativen Demokratie wird abgeschaltet wie eine heißgelaufene Kaffeemaschine. Und wer sich nicht von diesen drei Parteien vertreten fühlt, hat eben Pech gehabt und erhält im Zweifelsfall das Etikett „Rechtsradikaler“.

Todd über den Vorgang der Entdemokratisierung durch die selbsternannten Demokratieverteidiger: „Das absolut Einmalige an den westlichen Oligarchien ist, dass ihre Institutionen und Gesetze sich nicht verändert haben. Formal betrachtet haben wir es immer noch mit liberalen Demokraten zu tun, ausgestattet mit allgemeinen Wahlrecht, Parlamenten und … freier Presse. Die besser gebildeten Schichten halten sich für intrinsisch besser und wie gesagt weigern sich die Eliten, ein Volk zu vertreten, dessen Verhalten in den Bereich des Populismus verbannt wird.“

In einem Punkt ist Todd zu widersprechen: Mittlerweile werden sehr wohl auch die Gesetze und Institutionen so verändert, dass sie zwar den Meinungen der Eliten Rechnung tragen, nicht aber denen der Wähler. So soll in Deutschland vor der Wahl schnell noch eine Partei verboten werden, die sich dem Eliten-Konsens entzieht und das Bundesverfassungsgericht wird derart „resistent“ gemacht, dass seine Richter fest in der Hand der Altparteien bleiben, um spätestens per Verfassungsgerichtsbeschluss „populistische“ Änderungen wieder einkassieren zu lassen. Oder man beachte das Kaffeekränzchen beim Bundespräsidenten, in dem von den Fraktionsvorsitzenden der erlauchten Parteien der Zeitpunkt der Vertrauensfrage des Kanzlers und der resultierende Wahltermin verabredet wurden: Es sind tatsächlich nur 5 (fünf) Personen, die das Land  regieren und im Bundestag ihre Puppen tanzen lassen – oder lieber doch nicht, denn es könnten sich ja „Zufallsmehrheiten“ (Friedrich Merz) ergeben, die dem willen der Top-Elite widersprechen. Es ist ihnen nicht einmal mehr peinlich und daher bestellen sie einen dpa-Fotografen um ihre Unverschämtheiten abzubilden.

Nun ist es gar nicht so einfach, von oben her durchzuregieren, auch wenn mittlerweile die Einschüchterung durch frühmorgendliche Hausdurchsuchungen für jede Form der Regierungskritik und Satire durchaus üblich ist.

„Völlig in Beschlag genommen durch ihre neue Beschäftigung – Wahlen zu gewinnen, die zwar nichts anderes mehr sind als Theaterstücke, die aber dennoch, wie das wahre Theater, spezifische Kompetenzen un Einsatz erfordern – haben die Mitglieder der politischen Klassen im Westen nicht die Zeit, sich im Umgang mit internationalen Beziehungen zu übern. So betreten sie die große Weltbühne ohne jegliche Notwendige Grundkenntnisse“.

Man sieht geradezu Annalena Baerbock durch die Welt geistern; von Brandherd zu Brandherd, von Kiew nach Ramalah und bis ins ferne Fidschi, ohne auch nur das geringste Verständnis zu haben außer einigen wohlklingenden Formeln wie „feministische Außenpolitik“, die über den richtigen Standort von Toiletten in Kenia Auskunft geben soll.

Spöttisch endet Todd: „Allmählich beginnen wir, die reale technische Unterlegenheit Joe Biden oder Emmanuel Macron gegenüber Wladimir Putin oder Xi Jinping zu erkennen …“

Besonders weit fortgeschritten ist diese allgemeine westliche Entwicklung in Deutschland, weil durch die Väter des Grundgesetzes aus Angst vor dem Nationalsozialismus zwischen Volk und Regierung die Parteien in eine privilegierte Rolle gebracht wurden – sie wirken nicht mit bei der Willensbildung , wie es im Grundgesetz heißt, sondern bestimmen mit Milliarden aus der Staatskasse die Willensbildung, unterstützt von einer subventionierende Presse und einem monströsen Staatsrundfunk, deren Vertreter zu gern am Katzentisch der Macht teilnehmen und die touristische Möglichkeit wahrnehmen, die Welt vom Regierungsflieger aus zu betrachten.

So geht also die Welt einen neuen Gang, und Deutschland bleibt zurück und ersetzt einen Olaf Scholz durch seinen Bruder im Geiste namens Friedrich Merz und oh Wunder: Sie verständigen sich in der schwersten Krise des Kanzlers auf ein Rettungsboot, das Merz zu Wasser lässt, um die Gesetzentwürfe der Ampel nicht ins Wasser fallen zu lassen – für die Zustimmung wird dann der Bundestag kurzzeitig wieder als Akklamationsmaschine in Gang gesetzt und frischer Kaffee gebrüht, der eigentlich der kalte von gestern ist.

Deutschland ist ein Waisenkind, von allen verlassen in einer feindlichen Welt.


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Kommentare ( 254 )

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254 Comments
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SB
19 Stunden her

An der Schwelle zum 20. Jahrhundert war Deutschland für seine Errungenschaften in Naturwissenschaft und Technik bekannt und im angloamerikanischen Raum für seinen rasanten industriellen Aufschwung gefürchtet. Seither versuchen USA und GB, die aus ihrer Sicht größte Horror-Vorstellung – eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit Deutschlands mit einem rohstoffreichen Rußland – mit allem Mitteln zu unterbinden. Von den Dreibund-Koalitionen gegen Deutschland vor dem 1. Weltkrieg über die gezielte logistische und finanzielle Unterstützung der NSDAP in der Zwischenkriegszeit (u. a. mit G.W.’s Großvater Prescott Bush als einem der Hauptdrahtzieher) bis hin zur Hochrüstung Deutschlands zum Frontstaat im Kalten Krieg ging es den Angloamerikanern nur… Mehr

Timur Andre
1 Tag her

Ja, die Stärken sind eben nicht Geopolitik oder Strategie. Der dt ist Meister des taktischen, wir aber in der Strategie (fast) immer ausgespielt.
Der produzierende Sektor und gerade Mittelstand, haben das Land hochgehalten, Dienstleistungen sind bestenfalls 2 Welt Niveau. Zu den Dienstleistungen zähle ich unsere Verwaltung und Politiker. Die haben nur den Überfluss verwaltet. Nun aber wird es eng.
International werden die dt Verwalter nicht ernst genommen.

GermanMichel
10 Tage her

Hilflos, unfähig, „Eliten“ … seit der Leser gelernt hat was framing ist, sieht es es überall, sogar in den weniger Mainstream Medien.

Das sind Anti-Eliten, die äußerst fähig im verschlagenen Hochverrat und in dreister Korruption sind, denen es exzellent gelingt sich ihren Herren (den Feinden Deutschlands) bedingungslos anzudingen, und die dann tatsächlich auch gegenüber ihren Auftraggebern liefern, nur eben nicht im Sinne Deutschlands oder der Deutschen, sondern im Sinne von Deutschlands Feinden.

Marcus Tullius
10 Tage her

Eher Nomenklatura als „Eliten“.

Timur Andre
1 Tag her
Antworten an  Marcus Tullius

Verwalter
nicht mehr

kb
23 Tage her

Wie soll man einen Platz in der Welt von morgen finden, wenn man dort keinen Platz mehr hat ?

Medienfluechtling
26 Tage her

In Deutschland bzw. Europa wurde aus der Demokratie eine Dilletantie

Modelbrot
27 Tage her

Ein paar handgeschnitzte Anzüge, gesponsort vom Steurzahler und den Puppenspielern, machen halt noch lang weder geistige Größe noch Schärfe aus. Im Gegenteil, meist bekommen nur Flachpfeifen die Anzüge aus genau dem richtigen Mangel an eben beiden Dingen!

Klaus D
27 Tage her

Deutschland ist ein Waisenkind unfähiger Eliten….das stimmt und rückblickend fing alles mit schwarzen koffern und einem ehrenwort an. Schon Helmut Kohl CDU war unfähig deutschland auf den richtigen weg zu bringen siehe atomstrom.

Sting
28 Tage her

US-Stratege George Friedman 2015: “Wir werden die Völker Europas gegeneinander aufhetzen damit sie Krieg gegeneinander führen, Russland schaden und in andere Länder eindringen”.
https://www.youtube.com/post/Ugkx8HyO2b5KKfNCVBNmieVcbZW7GRZVc1JQ?app=desktop
Die USA ist der größte Kriegstreiber der Welt.

kb
23 Tage her
Antworten an  Sting

Und wenn jetzt Trump den Krieg in der Ukraine beendet ?

GermanMichel
10 Tage her
Antworten an  Sting

Da merkt man immer die geistigen Beschränkungen der „Herde“, es wird endlos über politisches „weißes Rauschen“ debattiert, aber die ganz einfachen geopolitischen Ursachen kapieren sie selbst dann nicht, wenn sie direkt drauf starren.

Sting
28 Tage her

Russophobie ist nicht die Ursache für die Einkreisung Russlands, sondern der US-Imperialismus und ihre Geopolitik !! Eins steht fest: das Volk wollte das nicht.  Die Deutschen waren regelrecht begeistert von Gorbi und seinem Annäherungskurs… Von links bis rechts, über alle Lager hinweg !!  Und 2001 die Rede Von Putin: “ EUROPA VON LISSABON BIS WLADIWOSTOK“ war DAS ANGEBOT DESJAHRHUNDETS !! Das hat die US-Imperialist wach gemacht und sie suchten mit allen Mitteln die Zusammenarbeit von RUSSLAND und EUROPA zu verhindern ! Es bedurfte massiver Lügenpropaganda, um das wieder ins Gegenteil zu verdrehen !! Ins Hysterische kippend ab 2014, mit dem US –… Mehr

Timur Andre
1 Tag her
Antworten an  Sting

Geldpolitik ist der Kern. Die Vorteile des Dollar (und Fiat Geldes) gehen weit über den Billionen, die wir immer anführen. Nur die Geldschöpfung geht dem Ende zu. Es wackeln auch Billionen an Investitionen, auch im nicht US Ausland. Die USA (und City of London) müssen die Kreditschöpfung hochhalten, leider brauchen sie dafür Besicherungen die es nicht gibt, außer neues aus der Ukraine (B. Graham hören) und Sibirien!
Jetzt fahren die USA zweigleisig, als Absicherung werden die Vasallen ausgenommen.