Die AfD und der große rosa Elefant

Bislang hat sie kaum Mandate, aber die AfD ist wie ein großer rosa Elefant im Raum: Vieles darf nicht getan, gedacht oder gesprochen werden, weil es der AfD hülfe. Doch Verbote machen die Frucht erst richtig begehrenswert.

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Es ist eine Frage, die uns auch hier immer wieder beschäftigt: Wie berichten wir über Flüchtlinge? Bislang haben wir Berichte über Einzelfälle vermieden. Sie sind für uns vor Ort schwer nachprüfbar; und Schufte gibt es überall. Aber seit Köln häufen sich die Berichte von Gewaltaktionen.

Alles nur Einzelfälle. Wirklich?

Aus Freiburg wird berichtet, dass die Discotheken der Stadt es erst mit Wachmännern versuchten und jetzt trotz ihrer alternativen Grundeinstellung doch die Polizei zu Hilfe rufen müssen, weil die Gewalt gegen Frauen unerträglich wird. Der grüne Ortsbürgermeister fordert ein hartes Vorgehen der Polizei. War es bisher kein hartes Vorgehen?

Aus Berlin melden Schwulenverbände eingeschlagene Schaufenster und offene Aggression. Länger schon vermeiden Juden das Tragen der Kippa in der Öffentlichkeit.

Aus dem Hochtaunuskreis wird berichtet, dass muslimische Wachleute Christen aus Irak und Syrien bis zur Bewusstlosigkeit verprügeln (helfen). Aktive Katholiken wenden sich an uns mit der Bitte, das zu veröffentlichen. Sie fühlen sich von ihrer Kirche und den Bischöfen allein gelassen. Ähnliches hören wir aus Hamburg. Es sind keine Schauermärchen. Die offizielle katholische und evangelische Kirche blendet in Deutschland aus, was hier passiert: Dass Christen aus der Heimat der Urkirche fliehen müssen, nur, um in Deutschland auch verfolgt zu werden. Das ist beschämend. Für Schwule gibt es jetzt eigene Unterkünfte, in denen sie vor ihren Verfolgern sicher sein sollen.

Aus Leipzig und dem Schwarzwald erhalten wir Mails, wie Supermärkte ausgeräumt werden. „Hast Du Problem?“, sagen die Täter, wenn sich Kunden schützend vor die Kassiererinnen stellen. Ja, hast du Problem?

Die Liste und die Links lassen sich beliebig verlängern. Sind es nur Einzelfälle? Oder braut sich da etwas zusammen? Die Bundesregierung schweigt. Berichte wurden kurz nach Köln etwas offener, jetzt ist die Klappe wieder zu. Die Wirklichkeit wird ausgeblendet. Wir halten die Hände vor die Augen, um das nicht sehen zu müssen, was nicht ins Bild passt. Weil es uns erschrecken, weil es an Grundüberzeugungen rütteln könnte: Nein, es ist nicht gut, was da abläuft, und es wird jeden Tag schlimmer statt besser. Ein großer rosa Elefant steht in der Küche. Keiner will ihn sehen. Von den Offiziellen. Nur das Küchenpersonal fühlt stich bedrängt.

Die Stadt redet und das Land leidet

Der oberbayerische Landkreis Traunstein will keine zusätzlichen Unterkünfte für Flüchtlinge mehr suchen. Derzeit beherberge man 1.800 Flüchtlinge; weitere 900 werden in den kommenden Monaten dazu kommen. Was hier passiert, ist ein weiteres schauriges Kapitel der Flüchtlingspolitik: Sie werden buchstäblich versteckt, auf dem Land, wo die großen Medien nicht mehr hinkommen oder hinschauen. Der Kiez-Blick wäre ja getrübt.

Schauen wir uns die Zahlen an: Rund 167.000 Menschen leben im Landkreis Traunstein. Mit 2.700 Flüchtlingen sind dann über 1,7 Prozent der Bevölkerung Migranten. In Berlin kommen auf 3,5 Mio. Einwohner rund 55.000 Flüchtlinge: Das sind 1,5 %. Im Laufe des Jahres soll die Zahl der Migranten im kleinen Traunstein auf 6.000 erhöht werden.

Die Welt hört täglich die Klagen, wie Berlin und sein Lageso überfordert sind. Bisher gab es keine Klagen über Unterbringung und Versorgung in Traunstein. Dort funktionieren Verwaltung und Helfer. Noch. Eine Verdopplung werden sie nicht bewältigen. Aber sie sind im Schatten. Sie leisten viel, und kriegen immer noch mehr draufgepackt. In der Kreisstadt selbst mit 18.000 Einwohnern werden im Laufe des Jahres dann 5 % der Bevölkerung Migranten sein.

Traunstein ist überall. Landgemeinden und Kleinstädte werden vollgepackt, die Metropolen jammern – wie etwa Frankfurt. Die Stadt hat 700.000 Einwohner und gerade 5.000 Flüchtlinge: 0,7 %. Das Entsetzen ist groß, die Zahl soll auf 12.000 erhöht werden. Frankfurt stöhnt. Steckt dahinter System?

Jetzt wollen die großen Städte eine Residenzpflicht für Flüchtlinge durchsetzen, sie sollen in den Dörfern wohnen bleiben, wo es keine Arbeits- und wenig Schulmöglichkeiten gibt, um die großen Städte möglichst nicht zu belasten. Die Metropolen als Medienstandorte, mit vielen Wählern und Abgeordneten, sind artikulationsstark. Sie verschieben die Lasten auf das Land. Da lässt sich dann leicht davon sprechen, dass Deutschland noch mehr Flüchtlinge aufnehmen kann.

Wir halten die Hände vor die Augen, damit wir nicht sehen, was wir nicht sehen wollen. Und halten die Migrantenzahlen in den Medienstandorten klein, damit die Oberseher nicht sehen müssen?

Jetzt will der Traunsteiner Landrat den großen rosa Elefanten nicht mehr füttern. Wie erstaunlich ist das denn? Kommt der Zirkus doch in die Stadt?

Die Groko ist gelähmt. Warum keine Neuwahlen?

Dazu passen die Meldungen vom Wochenende. Julia Klöckner schlägt im neuen Gewand vor, was die SPD schon im November abgelehnt hat: Transitzonen in Grenznähe, um abzulehnende Asylbewerber möglichst schnellt auch tatsächlich abzuschieben, ehe sie über Land und Dörfer verteilt oder in den Großstädten untergetaucht sind. SPD-Vize Ralf Stegner ist sofort dagegen; er hat die Transitzonen mit dem Kampfbegriff „KZ“ abgeschossen.

Abgesehen davon, dass er die unvorstellbaren Grausamkeiten der Konzentrationslagern der Nazis damit verharmlost und verniedlicht, wenn er den Begriff auf eine korrekte und humane Grenzkontrolle anwendet: Es ist das Spiel um die Mehrheiten. Die CDU zeigt sich gerne handlungsbereit, die SPD ihr Herz. SPD-Chef Sigmar Gabriel wiederum kritisiert die Bundeskanzlerin wegen ihrer Einladungspolitik; ein Begriff, den die CDU zurückweist. Dann kommt Thomas Oppermann, der Fraktionschef der SPD im Bundestag und erwartet 1,5 Mio Flüchtlinge zusätzlich in diesem Jahr. Recht hat er vermutlich, aber unternehmen will er nichts. Denn die große Koalition ist handlungsunfähig.

Es reicht gerade für Minimalkompromisse – da wird der Familiennachzug nach einem Vierteljahr schwieriger Verhandlungen für 5.000 Betroffene ausgesetzt und das als Erfolg verkauft. Wie toll ist das denn? Die Wortklaubereien sind ermüdend. Es ist viel Getöse und wenig Geleistetes. Arbeiten müssen ja die Helfer vor Ort, nicht die Lautsprecher der Politik. Die Polizei rebelliert gegen den Bundesinnenminister, der die Lage beschönigt. Kontrollen finden nicht statt. Die Flüchtlingsfreunde behaupten, die Grenzen sollten abgeriegelt werden – dabei geht es nur darum, halbwegs zu kontrollieren, wer kommt. Die CDU will wenig, den Rest blockiert die SPD.

Wenn eine Regierung nicht mehr handeln kann, das soll ja vorkommen, weil einer der Partner eben anders will, was sein gutes Recht ist, dann gibt es nur eine Lösung: Neuwahlen. Letztlich hat Gerhard Schröder so seine Hartz-Reformen zur Entscheidung gestellt. Die SPD, die davon abrücken wollte, hat verloren.

Die Union, die Schröder vor der eigenen Partei in Schutz genommen hat, stellt seither die Bundeskanzlerin. Große politische Fragen verlangen nach großen Antworten. Los damit. Macht Wahlkampf mit dem großen rosa Elefanten. Damit diskutiert wird, was zu diskutieren ist.

Die einzig wachsende Partei ist ein rosa Elefant

Aber das bleibt natürlich Illusion, wir werden keine Neuwahlen erleben. Denn alle Parteien haben Angst vor dem von ihnen verursachten Erstarken der AfD. Denn deren Wähler kommen mittlerweile von CDU, SPD und der Linken. Die Verlierer klammern sich aneinander und gemeinsam an die Macht.

So ist das Land auch deshalb gelähmt, weil sich alle vor der AfD fürchten, die vorher so erfolgreich gar nicht war. Vieles darf nicht getan, gedacht oder gesprochen werden, weil es der AfD hülfe. Aber hier geht es wie mit Verboten; die machen die Frucht erst richtig begehrenswert. Es soll vieles nicht geschrieben, gesagt oder gesendet werden, weil es ja „den Rechten“ helfen könnte. Auch hier kommt es zur peinlichen Grenzverwischung: Gezielt wird, wer die herrschende Politik kritisiert, in die Nähe von Nazis gerückt.

Auch hier gilt: So wird historische Verantwortung an einzigartigen Verbrechen verharmlost und verkindlicht. So wird die Realität ausgeblendet – wegen der AfD – und genau das macht sie stark. Sie ist der Angstmacher schlechthin, wir sollen uns davor fürchten und vor Angst schütteln; deshalb wird der Südwestrundfunk gezwungen, auf eine Debatte mit allen relevanten Kandidaten zu verzichten. Wer dämonisiert, verleiht Macht. Die AfD hat derzeit jede Menge verliehender Macht.

Denn ohne dass die AfD auch nur das geringste sagen oder fordern muss – alles dreht sich darum, was die AfD sagen könnte, weil die Bürger sonst meinen könnten, dass sie doch der AfD ihre Stimme leihen sollten. So viel Konjunktiv war noch nie in der deutschen Politik, und so viel Feigheit vor dem politischen Gegner. Dann zeigt doch eure Problemlösungskompetenz, SPD, CDU, Grüne – und zwar nicht in Sonntagsreden, sondern im Handeln.

Behandelt die AfD nicht wie ein unheimliches Gespenst. Es sind ziemlich reale, ziemlich klar erkennbare Personen, und dagegen kann man argumentieren. Solange die AfD übrigens nicht als verfassungsfeindlich gilt, ist sie mit allen Rechten und Pflichten ein vollwertiger Mitspieler in der Konkurrenz um Wähler.

Hat jemand eine Verbotsklage in Karlsruhe eingereicht? Nein? Dann hört auf mit eurem schäbigen Spiel und stellt euch. Sonst macht ihr die AfD zur Stärksten der Parteien, und das nur weil die anderen vor Angst wie gelähmt um sie herumschleichen. Ob das kühle Konzept der Kanzlerin aufgeht: Wenn in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg alle gegen den rosa Elefanten verlieren – stellt die CDU in neuen großen Koalitionen zwei Ministerpräsidenten. Rein rechnerisch mag das stimmen. Aber hilft es politisch, wenn Wahlverlierer sich zum Sieger machen?

Ein großer rosa Elefant steht in der Küche, und keiner spricht davon. Geht er davon weg? Das Küchenpersonal kann ihm nicht aus dem Weg gehen.

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