Tichys Einblick
175 Jahre Paulskirche-Parlament

Statt die Gefährdung der Demokratie zu thematisieren: Jubel über das Scheitern von Demokratie

Das Jubiläum zum Paulskirchen-Parlament von 1848 war der Vergangenheit angemessen – aber nicht der Gegenwart: Die Paulskirchen-Parlamentarier wären entsetzt über heutige Politiker und die schrittweise Beschneidung der Freiheitsrechte, die heutige Parlamentarier abnicken.

IMAGO / Christian Spicker

Während Bundespräsident Steinmeier die deutsche schwarz-rot-goldene Fahne vor Rechtsradikalen, natürlich denen, in Schutz nehmen wollte, wurde sie andernorts eingeholt: Auf dem Gebäude des Deutschen Bundestags und vor vielen Amtsgebäuden bis hin zu dem des Bundesverfassungsschutzes wurde die Regenbogenfahne der Bewegung diverser sexueller Minderheiten aufgezogen.

Es geht eben nicht mehr um Einigkeit und Recht und Freiheit als Unterpfand des Glücks, sondern um Ausgrenzung; die neuerdings gewünschte Zugehörigkeit zu einer Sexualitäts-Identität soll die nationale ersetzen. Die Paulskirchen-Parlamentarier stritten über die Gestalt eines vereinten Deutschlands, die Parlamentarier heute zerrütten und spalten – und mit Deutschland wollen sie schon gleich gar nichts zu tun haben. Nation ist nur noch peinlich; die Farben der Demokratie werden versteckt, der Stolz darauf verfolgt. Nein, da hätten sich ihre Parlamentarier-Vorfahren geschämt.

Wie sich die Zeiten ändern

Nun ja, die Zeiten ändern sich. Bei Steinmeier hört sich das so an: „Schwarz-Rot-Gold. Vom Hambacher Fest über die Paulskirche und die Weimarer Republik sind sie jetzt unsere Farben, die Farben eines geeinten demokratischen Deutschland … Auf Schwarz-Rot-Gold kann sich deshalb heute nicht berufen, wer neuen Nationalismus schürt und autoritäres Denken propagiert. Wer unsere Demokratie verachtet, hat kein Recht auf Schwarz-Rot-Gold.“

Und weiter: „Die Geschichte zeigt: Die Minderheiten von einst sind häufig die Mehrheiten von morgen.“ Wir wissen jetzt, was unsere Farben sind: beliebig, ununterscheidbar, ein Faschingsscherz, Gruppen-Sex ersetzt Nation. Andere Staaten und Völker wundern sich darüber. Beim Eurovision Song Contest belegt die seltsame Trans-Gruppe mit der Regenbogenfahne den letzten Platz – schlechte Musik, schlechter Geschmack, menschenfeindliche Ideologie.

Das ist das neue Deutschland – verlacht, verspottet, ohne innere Substanz und bewusstlos im Rausch immer neuer Kindergartenphantasien.

Feinstaubangst statt Feuerwerk bringt Demokratie um

Viele Bürger feierten in Frankfurt – und klar: Statt einem Feuerwerk, für das Frankfurt berühmt war, plapperte eine politisch überkorrekte Lightshow den Main entlang – langweilig, emotionslos, blass. Der Feinstaub ist gewichtiger als die Freude am Fest. Feinstaubangst überwältigt die Feierfreude. Wer Angst hat, kann leichter gelenkt werden. Selbstbewusstsein und Selbstentscheidung sind die neuen Verbotswörter.

Viel wurde trotzdem jubiläumsmäßig geredet und sich auf die stolze Brust geschlagen. Dabei kam nicht zu Wort, wie in der Gegenwart die Demokratie stückweise plattgemacht wird:

Die Legislaturperiode des Deutschen Bundestags soll auf fünf Jahre verlängert werden. Die ohnehin schon extrem eingeschränkte Möglichkeit des Wählers, sich am politischen Prozess zu beteiligen, wird weiter eingegrenzt. In Zahlen: Wir sollen 25 Prozent unseres urdemokratischen Besitzstands Wahlrecht verlieren.

Die Paulskirchen-Parlamentarier, die untereinander ums Allerheiligste stritten, hätten sich gewundert: Reduzierung der Demokratie als Ziel eines Parlaments?

Aber das ist ja nicht der einzige Punkt. Zukünftig soll das Wahlrecht so geändert werden, dass direkte Abgeordnete nicht mehr gesichert ins Parlament einziehen können. Direkt gewählte Abgeordnete aber sind unabhängiger, näher an ihren Wählern. Sie sollen zurücktreten; je nach willkürlichem Ausgang sollen sie sogar von Listen-Kandidaten anderer Parteien ersetzt werden. Das also ist unsere Demokratie? Nicht mehr die Wahl entscheidet, sondern endgültig nur noch die Parteien?

Weitere Pläne werden schon geschmiedet. Nicht mehr wählen, wen man will, lautet die neue Regel, sondern kontrolliertes Wählen nach Quoten. Das freie Wahlrecht soll abgeschafft werden zu Gunsten einer gesteuerten Wahl, nach der bestimmte Gruppen ins Parlament gehoben werden. Nein, die Abgeordneten der Paulskirche können heute dagegen nicht mehr wettern. Aber die Überwindung der Ständeparlamente, der von oben nach „Stand“ zusammengesetzten Pseudoparlamente hätte bei ihnen Widerstand ausgelöst. 

Gleichzeitig wird heute ein Bürgerrat geschaffen, in dem die Teilnehmer nach dem Gusto der Obrigkeit eingesetzt und deren Entscheidung von superunabhängigen Beratern gelenkt werden. Das ist der neue Parlamentarismus Made by Bundestag: Regierung von oben, statt Wahl von unten und Parlament des Volkes.

Endpunkt eines intellektuellen Verfalls

Das Parlament von 1848 war ein Zusammentreffen von Intellektuellen – Professoren, Gelehrten, Schriftstellern. Der Deutsche Bundestag von heute ist ein Parlament der Ungebildeten, der Berufslosen, der Dünnbrettbohrer. Für sie steht Emilia Fester von den Grünen: Ohnehin nicht gewählt, sondern nur nachgerückt, plappert sie viel, weiß nichts und führt seltsame Spielchen der Selbstdarstellung im Tiktok-Modus vor. Sie steht für die wohl größte Gruppe der neuen Abgeordneten: leicht steuerbar und manipulierbar von den mächtigen Parteibonzen, die den Ton angeben, den die Festers aller Parteien nachpfeifen müssen – sonst verlieren sie ihren Listenplatz und ihr Einkommen, und eines außerhalb des Parlaments finden sie nicht.

Längst ist der Deutsche Bundestag nicht mehr die Versammlung der Klügsten oder Mutigsten, sondern eine Art betreutes Parlament, in dem sozial von ihrer Partei elementar Abhängige und intellektuell Prekäre auf Kommando die Hände heben. Debatten von der Qualität der Paulskirche, Mut und Bekenntnis zur Demokratie? Heute wird darüber diskutiert, so ein Umweltrat im Auftrag der Bundesregierung, dass man doch in der Corona-Phase gelernt habe, dass mit dem Grundgesetz weit mehr möglich ist, als man sich früher so vorstellen konnte. Und diese Maßnahmen aus der „Pandemiezeit” könnten doch jetzt wiederholt werden.

Es geht um nichts anderes als die Abschaffung der Grundrechte auf Unantastbarkeit der Wohnung, der Versammlungsfreiheit, der Erwerbsfreiheit und des Rechts, sich dahin zu bewegen, wozu und wann man Lust hat. Eine Art Klimadiktatur wird herbeigewünscht, die das Haus kontrolliert vom  Keller bis zum gedämmten Dachboden, die die Menschen bespitzelt, ihre Bewegungsfreiheit einschränken will und mit immer neuen Vorschriften der Ernährung und des betreuten Denkens die Freiheit von Stallhasen vermittelt, aber nicht die Freiheit von selbstbewussten, selbstbestimmten Bürgern: Dass Rentner aus ihren Wohnungen vertrieben werden sollen, weil der Staat erst die Bauwirtschaft abwürgt und sich dann über Wohnungsknappheit wundert, ist Teil dieser Debatte. Die Bürger sind nicht mehr der Souverän, sondern eine beliebig zu lenkende Masse, die Eigentum und Verfügungsmasse der Regierung wurde.

Die Errungenschaften damals sind die Verluste heute

Das Paulskirchen-Parlament ist innerhalb eines Jahres gescheitert. Aber einige Errungenschaften sind geblieben: das Bewusstsein für Freiheit, der Wunsch nach nationaler Einheit, ein Grundrechtekatalog, und: eine Vielzahl von Zeitungen. Im Zuge der Debatten in der Paulskirche entstand eine Flut von Presseerzeugnissen. Sie sind mit dem Parlament nicht verschwunden. Wer die historischen Blätter liest, ist erstaunt über die Frechheit, die Ungeniertheit, die Härte der Kritik und die Freiheit des Wortes.

Damals waren Zeitungen die kommunikative Innovation schlechthin. Heute ist das, was aus den viel schneller laufenden Druckpressen kommt, langweilig und eintönig; Rundfunk und Fernsehen als Nachfolgemedien weitgehend vom Staat beherrscht und entsprechend staatstreu und ohne Kritik; nicht einmal der Wetterbericht ist noch korrekt, sondern wird zurechtgebogen, um die Klimaideologie zu transportieren. Die heutige innovative Form der Presse, das Internet, soll kontrolliert, überwacht und zensiert werden. Alles soll einfließen in den grauen Einheitsstrom einer von oben kontrollierten, überwachten und manipulierten Bevölkerung, die nur noch selten an die Urnen kann und auch dann nur noch ein eingeschränktes Wahlrecht zur Selbstbestätigung der Regierung ausüben soll. Die Grundrechte sind ohnehin seit Corona nicht mehr Rechte, die die Bürger vor einem übergriffigen Staat schützen, sondern sie sind Freiheiten, die von der Regierung und ihrem Parlament gelegentlich noch gewährt und bei Bedarf einkassiert werden.

Das Jubiläum des Paulskirchen-Parlaments war eine vertane Chance. Die Chance, die Gefährdung unserer Demokratie zu thematisieren – das wäre ein Fest gewesen.

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