Wie sind die offenkundigen Fehlentwicklungen des Journalismus in den vergangenen Jahren zu erklären? Warum Jan Böhmermann der ideale Preisträger für die Auszeichnung „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda und Agitation“ ist.
Wer ist der Chefredakteur des Spiegel? Der Illustrierten Stern? Focus? Wer ist Wolfgang Krach? Wer ist der kluge Kopf hinter der FAZ und welche Köpfe prägen die heutigen Medien? Welche Fernsehjournalisten kennen Sie?
Fakten, Fakten, Fakten – und immer an die Leser denken
Man kann sich ja nicht 20 oder 30 Jahre mittels einer Zeitmaschine zurückbeamen. Aber natürlich hätten wir damals Stefan Aust gekannt oder Helmut Markwort. Sein immergrüner Slogan „Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken“ ist heute so vergessen wie faktisch überholt.
Herbert Riehl-Heyse war der großartige Reporter der Süddeutschen Zeitung, ein guter Zuhörer, neugieriger Fragesteller, scharfer Beobachter und sensibler Beschreiber der Welt um ihn herum. Wolfgang Krach ist heute Chefredakteur einer Zeitung, die fast jeden Monat eine Verleumdungskampagne startet. Peter Scholl-Latour brachte den Deutschen die Welt ins Wohnzimmer. Tagesschau-Moderator Hajo Friedrich, politisch linksliberal verortet, prägte den Satz, dass sich Journalisten mit keiner Sache gemein machen sollten, auch nicht mit einer guten.
Es waren große Namen. Heute haben nur noch 40,4 Prozent der erwachsenen Bürger Vertrauen in die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bemerkenswert: 26 Prozent, die bislang Vertrauen hatten, haben dieses in letzter Zeit verloren. 19,5 Prozent der Befragten haben schon zuvor keines mehr. Das bedeutet: Aktuell haben 45,5 Prozent der Erwachsenen kein Vertrauen in das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag des Magazins Tichys Einblick hervor. Warum verschwinden Köpfe in der Anonymität, und warum wächst das Misstrauen in die Medien, wie es viele Studien immer und immer wieder bestätigen? Sinken Auflagen und Reichweite auch deshalb?
Torwächter entscheiden über Drinnen und Draußen
War früher alles besser? Harmonischer? Einiger? Was wir wissen, sagte der große Soziologe Niklas Luhmann, wissen wir aus den Medien. Demokratie ohne Medien ist nicht möglich. Medien in nicht-demokratischen Systemen sind vielleicht Vervielfältigungsmaschinen oder Lautsprecher, aber sicherlich keine Vierte Gewalt.
Politik ist die eine Seite der Medaille, Medien die andere. Gelegentlich geht das durcheinander, Medien und Politik durchdringen sich. Gehen wir der Frage nach, ob und was sich geändert hat und wenn ja, wie. Die erste Frage ist:
War früher die Politik harmonischer, weniger konfliktbeladen? Schließlich reden wir heute immer von Spaltung der Gesellschaft, angeblich wegen dieses Internets. War früher die Politik harmonischer?
Begeben wir uns auf eine kleine literarische Reise.1947 erschien das Drama „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert. Im Zentrum der Handlung steht der deutsche Kriegsheimkehrer Beckmann, dem es nach dreijähriger Kriegsgefangenschaft nicht gelingt, sich wieder ins Zivilleben einzugliedern. Während er noch durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs geprägt ist, haben seine Mitmenschen die Vergangenheit längst verdrängt. Beckmann bleibt draußen vor der Tür. Er wird, so hieße das heute, gecancelt.
Viele schaffen die jeweils geforderte flotte Anpassung an angesagte Umstände nicht. Nicht-Geimpfte wissen, wovon die Rede ist. Nicht-mehr-vorkommen ist heute ein probates Mittel geworden; Medien sind die Torwächter. Borcherts Drama haben viele als Schullektüre gelesen, es war eine Warnung. Eine Aufarbeitung. Die Aufarbeitung der Coronazeit fehlt. Ein Komplett-Versagen der Medien. Abweichungen vom Mainstream werden von den Medien nicht mehr wahrgenommen, sondern abgedrängt.
- Mein erster Befund lautet: Medien haben eine neue Funktion übernommen, sie entscheiden über Drinnen und Draußen, jedenfalls die herkömmlichen Medien.
Wolfgang Koeppen erzählte 1953 im Roman „Das Treibhaus“ vom Scheitern eines SPD-Abgeordneten im Kampf um die Westintegration der noch jungen Bundesrepublik. Koeppens tragischer Held zerschellt zwischen dem gottbegnadeten Zyniker und Realpolitiker Konrad Adenauer einerseits und seiner eigenen Partei. Er geht nach dem Scheitern seines Privatlebens zugrunde zwischen dem „Alten“ aus Rhöndorf mit dem ledernen, starren Gesicht eines Indianerhäuptlings und den Machthabern seiner eigenen Partei, die Abweichung nicht zulassen. Auf einem Ruinengrundstück sucht er verzweifelt die Liebe einer 16-Jährigen – und tötet sich aus Abscheu vor sich selbst angesichts dieses Vergehens. Das waren die angeblich spießigen 50er-Jahre: direkt, hart, brutal.
Politik war also früher nicht besser oder moralischer. Es gab offensichtlich nur Autoren und Medien, die es formulieren konnten. Kennen Sie einen vergleichbaren Berlin-Roman? Lassen Sie es mich wissen.
Es mangelt an Widerworten
Selbstkritisch über meinen Berufsstand muss ich sagen: Es fehlt die literarische Kraft, diese Konflikte zu beschreiben. Schlimmer noch: Es fehlen die Widerworte. Der Diskurs.
- Es fehlt die Debatte, das ist mein zweiter Befund. Die Bundesrepublik war aber nie eine Harmonieveranstaltung.
Mit Generalstreiks versuchten Gewerkschaften und SPD Ludwig Erhards Marktreformen zu stoppen. 1958 nahmen 1,5 Millionen an den Ostermärschen gegen die Wiederaufrüstung teil. Die Ostverträge wurden nach jahrelangem Kampf und gewaltigen Auseinandersetzungen mit Hilfe von Bestechungsgeld im Deutschen Bundestag durchgesetzt – und die Geschmierten und die Geldgeber in der SPD flogen sogar auf.
1983 bildeten im Kampf gegen den Nachrüstungsbeschluss 500.000 im kleinen Bonn einen Stern, der die Botschaftsgebäude der fünf Atommächte miteinander verband.
Wer glaubt, dass wir heute in einer besonders schwierigen politischen Situation stünden, die ein Zusammenrücken erfordere, dass wir an der Schwelle zum Sein oder Nichtsein der Menschheit stünden: Papperlapapp. Wir leben in einem vergleichsweise friedlichen Zeitalter. Die russischen MIGs standen am Flughafen Sperenberg startbereit, um innerhalb von 3 Minuten Westberlin in Asche zu legen, wir Mitarbeiter des Kanzleramts übten das Überleben im Atombunker und das Regieren über ein Land, das es nicht mehr gibt.
Deshalb mein dritter Befund:
- Medien sind nicht für die Einstimmigkeit zuständig, sondern für den Streit. Heute herrscht mir zu viel uniformierte Einheitshaltung in den Medien.
Seltsam. In der militarisierten Gesellschaft, in der ich noch groß geworden bin, verspotteten wir den Spruch „Nehmen Sie Haltung an“ als Militarismus. Heute wird allüberall in den Medien ‚Haltung‘ eingefordert. Dabei brauchen wir Beweglichkeit. Ich jedenfalls habe mir vorgenommen, nie stramm zu stehen.
Medien lebten gut im Kampfgetümmel
Die linke Zeitschrift Konkret des großartigen Chefredakteurs Klaus Rainer Röhl und seiner strahlenden Ehefrau und glänzenden Kolumnistin Ulrike Meinhof wurde von einem graumäusigen Geldboten mit Pepitahütchen aus Ostberlin über Wasser gehalten. Regelmäßig brachte er den Geldkoffer vorbei, wie Tochter Bettina in ihrem großartigen Buch „Die RAF hat Euch lieb“ bildhaft beschreibt. Dieser Mann saß spät lange für die LINKE im Deutschen Bundestag, ein freundlicher und kompetenter Herr, der heute Putin verteidigt.
Das ist mein vierter Befund:
- Medien waren parteiisch – aber nicht einparteiisch.
1960 wurde Werner Friedmann, Gründer der Abendzeitung und Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung zu Gefängnis verurteilt. Wegen Kuppelei; er liebte sehr junge Mädchen. MeToo ist keine neue Erfindung. Friedmann war aber auch Opfer eines wirtschaftlich-politischen Konflikts zwischen der linksliberalen, großstädtischen SZ auf Seiten der SPD und einem Gegenspieler, dem erzkatholischen Verleger der Passauer Neuen Presse, Hans Kapfinger, der mit der Feder für die CSU spritzte. Der dann seinerseits ein Kuppelei-Verfahren an den Hals kriegte, denn auch er soll ein Freund des Petticoats gewesen sein und sich mit jungen Damen zur Alleinunterhaltung getroffen haben, wie damals der Spiegel die verbotenen Gelüste beschrieb.
Zart besaitet durfte man in den Medien noch nie sein, aber es gab mehrere Seiten.
Medien kämpften auf allen Seiten
Wer die damaligen Spiegel-Storys nachliest, ist beeindruckt von der triefenden Ironie und tiefgründenden Recherche und erschrickt über die heute öde, besserwisserische Langeweile des Magazins. Ich selbst habe es noch atemlos miterlebt: Wenn der ARD-Report aus Mainz wieder mit einer linkslastigen Attacke gegen die Konservativen sendete, munitionierte man bei Report in München-Freimann sofort die schwersten Geschütze für den Gegenschlag auf. Man durfte nicht auf sich sitzen lassen, was der Rotfunk aus Köln behauptet. Es gab in der ARD den Krieg der Kommentatoren. München schickte Rudolf Mühlfenzl auf den Schirm. Der letzte Konservative des Bayerischen Rundfunks, Sigmund Gottlieb, war dem nach ihm gleichgelangweilten Sender nicht mal eine Besprechung seines Buches wert. Die ARD ist langweilig wie Ketchup über alles. Das ging auch über den eisernen Vorhang hinweg. Gerhard Löwenthal war der Mann des ZDF-Journals, der Karl-Eduard von Schnitzlers Schwarzem Kanal entgegentrat. Karl-Eduard von Schnitzler war der Chefpropagandist des DDR-Fernsehens; spöttisch Sudel-Ede genannt. Man konnte die Mauer nicht überwinden, aber übersenden, und Schnitzler war der bekannteste und einflussreichste Journalist der DDR.
Im Westen war Löwenthals Gegenspieler Gert von Paczensky mit Panorama. „Kam die Sendung aus dem Osten?“ und „Der Spitzbart muss weg“ lauteten die Schlagzeilen, die die Bild-Zeitung im Februar 1963 gegen den damaligen Leiter von Panorama, Gert von Paczensky, verbreitete.
Man hat einander nichts geschenkt und nichts verziehen. Nachsicht war keine Journalistentugend, Hass und Hetze Stilmittel und keineswegs geächtet und schon gar nicht vom Staat verfolgt. Zuspitzung ist eine Kunst, und das Publikum applaudierte. Wer langweilt, wird nicht gekauft. Deswegen gieren die Langweiler nach Gebühren und die Printmedien nach Subventionen. Weil sie dann nicht mehr das Publikum fesseln müssen, sondern alle gemeinsam das Sandmännchen machen. Deswegen umstellen sie die Mächtigen und schmeicheln ihnen. Und deswegen verlieren sie an Biss, das ist mein fünfter Befund:
- Zähne schärfen sich an Mächtigen, nicht an Schwachen.
Unvorstellbar damals, dass eine EU-Kommissionspräsidentin damit davongekommen wäre, dass sie die SMS-Nachrichten mit den Details vom Pfizer-Deal einfach löscht wie schon vorher fragwürdige Nachrichten als Bundesverteidigungsministerin. Der verständnisvolle Umgang mit Gedächtnislücken, wie ihn heute der amtierende Bundeskanzler genießt, den gab es nicht. Es wurde härter zugelangt in der Sache, nicht beim Versuch, Begriffe zu dämonisieren und daraus einen Strick zu flechten. Sprachverbote gab es nicht, und das zwang zur Auseinandersetzung mit Fakten, nicht mit Begriffen.
Wir erleben jetzt, was es bedeutet, wenn Sprache bereinigt und desinfiziert wird. Wir streiten um Worte, nicht mehr um Handlungen. Wolf Schneider, der legendäre Gründer der Henri-Nannen-Journalistenschule, betitelte seine Biographie wie folgt: „Hottentottenstottertrottel. Mein langes, wunderliches Leben“. Den Titel „Sprachpapst“ hat er sich zuletzt damit redlich verdient. In einem Zwei-Wort-Buchtitel drei heute toxische Begriffe unterzubringen ist nicht so einfach. Er ist sicherlich rassistisch, kolonialistisch, verspottet Minderheiten und weniger Privilegierte. Gut, dass die Henri-Nannen-Journalistenschule irgendwie wegbürokratisiert, der Henri-Nannen-Journalistenpreis umgetauft und der Name des legendären Gründers aus dem Stern getilgt wurde. Konsequent, dass Preis, Schule und Zeitschrift in der Bedeutungslosigkeit versunken sind. Kastraten kriegen keine Kinder.
Der Kampf gegen die Mächtigen
Einst kämpfte Journalismus gegen die Mächtigen, Ehrensache. Legendär Rudolf Augsteins Kampf gegen Franz-Josef Strauß. Augstein besetzte die Kioske, Strauß die Redaktion mit der Polizei. Der stellvertretende Chefredakteur versteckte sich im Kleiderschrank, Rudolf Augstein wanderte ins Gefängnis. Am Ende obsiegte Augstein, und Strauß versteckte sich für viele Jahre in Rott am Inn. Unvorstellbar, dass heute der Spiegel die Regierung auch nur hänselt. Heroisierung der Regierungsgrößen ist angesagt; alle 10 Minuten verliebt sich eine Spiegel-Redakteurin aufs Neue in Robert Habeck, die Männer scheinen willenlos Annalena Baerbocks Styling auf Kosten der Steuerzahler ausgeliefert. In den 60ern quälte der Spiegel den damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke wegen seiner Versprecher, die ihn dement und senil erscheinen ließen. In Osaka soll er die Bürger als Einwohner von Okasa begrüßt haben, einer Vorform von Viagra. „Meine Damen und Herren, liebe Neger“, soll er bei einem Staatsbesuch in Afrika gesagt haben und: „Equal goes it loose“.
Es ist alles erfunden. Gut erfunden. Lübkes Ruf hat sich nie erholt. Man schämt sich seiner, historisch ist das ungerecht. Die Frage ist nur: Baerbock liefert echte Böcke. Kobolde in Batterien; Strom, der im Netz gespeichert wird, das ist alles durchgerechnet. Sagt sie. Es gibt da so Länder, die sind 100.000 Kilometer entfernt, und hoffentlich macht Putin eine 360-Grad-Wende. Dort findet er vielleicht den Bacon of Hope, ihen Speck der Hoffnung. Lübke wurde filetiert, Baerbock liefert Gags und wird geschont. Seit Gerhard Schröders rotgrüner Koalition sind die Richtigen an der Macht. Denen unterwirft man sich gerne. Angela Merkel kämpfte zunächst und sah dann ein, dass Unterwerfung unter den linken Zeitgeist der Medien ihre Amtszeit verlängert.
Das ist mein sechster Befund:
- Die Medien haben die Seite gewechselt.
Sie sind Verlautbarungsorgane geworden. Wie langweilig. Abweichung wird von den Medien umgehend bestraft, aber von den Lesern gefordert. Nicht Bekanntes lockt, sondern noch nicht Gelesenes. Dass Kritik an der Bundesregierung sich nicht schickt, musste beispielsweise die ZDF-Moderatorin Anna Maurer in ihrer ersten ZDF-Sendung von „Berlin Direkt“ erfahren
Sachliche Sätze wie: „Das Atom-Aus ist auch ein Grund, warum der Wohlstand schwindet“, und wenn Habeck „warnt, dass die Wirtschaft sich dramatisch schlecht entwickelt, dann warnt er in den Ohren vieler Unternehmen auch vor sich selbst“, sind unerhört.
How dare you, ZDF? Der grüne Parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium Jan-Niclas Gesenhues twitterte, für einen Zusammenhang zwischen Atomausstieg und Wohlstandsverlust gebe es „keinen Beleg“. Und behauptet faktenfrei: Der Verzicht auf Atomkraftwerke habe Deutschland „unabhängiger“ gemacht.
Der Vorsitzende der grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung Jan Philipp Albrecht versuchte sogar, kaum verhohlen Druck auf das ZDF auszuüben. Auf X schrieb er: „Ich bitte das @ZDF hiermit öffentlich darum, Fakten dafür zu vorzulegen, dass durch die Umsetzung des von CDU/CSU und FDP beschlossenen Ausstiegs Deutschlands aus der Atomenergie der Wohlstand hierzulande schwindet. Oder diese unsägliche Aussage zu korrigieren.“
Heute zählt Haltung. Schon in den Nuller-Jahren beschrieb die SZ-Autorin Evelyn Roll die „freiwillig gleichgeschaltete Presse“. Ein böses, ein wahres Wort. In Berlin-Mitte bestünde die „Gefahr, dass Journalisten sich mit Meinungen und Überzeugungen anstecken“. Genährt wird das durch die Hoffnung, die Bundesregierung möge endlich auch Print-Erzeugnisse direkt subventionieren, einen Teil der Vertriebskosten übernehmen und die an sich schon staatlichen Werbebudgets für dies und das in den Zeitungen ausweiten. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing: Auch früher stolze freie Medien lehnen sich am Geldautomaten an.
Gleichzeitig glaubt man, an der vordersten Front zu kämpfen, um das Klima zu retten, die Demokratie zu verteidigen, den Faschismus zu stoppen. Das verlangt nach einer Unbedingtheit und absoluten Intoleranz, die gleichzeitig das eigene Selbstwertgefühl stärken, das ansonsten von Auflagenschwund und sinkenden Berufschancen geschwächt ist. Das ist mein siebter Befund:
- Haltung ist alles. Substanz? Fragwürdig.
… und wofür steht Jan Böhmermann?
Jan Böhmermann ist ein deutscher Entertainer, Satiriker, Fernseh-, Radio- und Podcast-Moderator, Musiker, Autor, Filmproduzent und Journalist. Ziemlich viel, berichtet Wikipedia. Er moderiert die Sendung ZDF Magazin Royale und den Podcast Fest & Flauschig.
Er vereinigt viele der beschriebenen Fehlentwicklungen auf sich. Böhmermann steht in geradezu unangenehmer Art und Weise auf der Seite der Mächtigen und tritt die Schwachen mit Füßen.
Selbst dem ZDF war seine Verhöhnung von kindlichen Gewaltopfern zu viel. Satire ist Verletzung der Verletzlichen für ihn, niemals Kritik an den Mächtigen. So macht er einen kleinen Bienenzüchter mit der Wucht des ZDF nieder – aber verklagt diesen, als der sich mit einem Böhmermann-Bild auf seinen paar Honiggläsern wehrt. Das Urheberrecht! Bei ihm sind alle Österreicher ausnahmslos debil, das ist natürlich witzig und kein Rassismus. Es sind ja nur: Österreicher.
Abgesehen davon, dass es sachlich komplett falsch ist – es ist in besonderer Weise niederträchtig. Wir wissen, wie sehr Kinder unter der Vereinsamung gelitten haben. Es ist lustig? Nur gemein.
Gut, dass er mächtige Verbündete hat, von denen er gefüttert wird. Aus dem Amt von Nancy Faeser, Bundesinnenministerin, gelangten offenbar angeblich belastende Informationen über den damaligen Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm in die Redaktion von Böhmermann. Das zeigen interne Mails, die dem „Focus“ vorliegen.
Damit hatte Böhmermann Material für Berichte, auf deren Grundlage Faeser den ungeliebten Spitzenbeamten hinauswerfen konnte. Böhmermann macht sich bereitwillig zum Handlanger. Es ist weder Satire noch Journalismus, und schon gar nicht lustig. Es ist öffentlich-rechtlich finanzierte Denunziation, um der Macht dienstbar zu sein. Es ist unethisch, unappetitlich. Allerdings: Er hat opportune Haltung. Er weiß, auf wessen Seite er zu stehen hat. In der Ibiza-Affäre, die in Österreich eine Regierungskrise ausgelöst hat, stellte er das erneut unter Beweis. Er versteht sich als Aktivist, nicht als Journalist. Dass die vorgeführten Auszüge aus einem offensichtlich gestellten Video höchst manipulativ waren: Böhmermann eben.
Er ist damit längst einer der wichtigsten Verbündeten der Ampel geworden. Hier geht es längst nicht mehr um Ausrutscher oder eine Formulierung, die daneben geht. Es ist einseitige Propaganda im Sinne der Ampel, und wehe, wer sich dagegenstellt. Karl-Eduard von Schnitzler, der wichtigste Propagandist der DDR, hätte seinen Job nicht besser machen können. Wer es wagt, seine Stimme gegen die Ampel zu erheben, wird ausgegrenzt, in bester Manier als Klassenfeind markiert, den es auszumerzen gilt.
Das geht über die Verharmlosung sexueller Gewalt gegen Kinder bis hin zum Clinch mit Alice Schwarzer, die er als Alt-Feministin der Menschen- und Frauenfeindlichkeit bezichtigt, weil sie nicht mitmachen will, wenn Männer sich kurzerhand zu Frauen erklären und in deren Schutzräume eindringen, wie es das „Gleichstellungsgesetz“ von Grünen/FDP erzwingen will. Auch Schwarzers EMMA – wie könnte es anders sein – werde von Nazis gelesen.
Nun kann man über seine Inflationierung des Begriffs „Nazis“ verwundert den Kopf schütteln oder sich darüber ärgern, wie auf diese Weise die Verbrechen der Nazis relativiert werden. Aber es ist keine Besessenheit, wenn Böhmermann überall Nazis am Werk sieht:
EMMA ist Nazi.
CDU ist Nazi.
Auch Sandra Maischberger ist Nazi.
Man könnte sich entlasten mit der Vorstellung: Wenn alle Nazis sind, die Deutschen und die Kretins in Österreich, dann ist man es halt.
Das unhistorische, den Holocaust relativierende Nazifizieren ist Strategie. Die Gesellschaft soll gespalten werden in Anhänger der Ampel auf der einen Seite – und Nazis auf der anderen. Letztere haben nichts Gutes zu erwarten.
So will er „Nazis keulen“. „Keulen“ ist ein Begriff, der für die massenhafte Tötung von erkrankten Tierherden steht. Wer diese „Nazis“ sind, bleibt natürlich offen, hahahahah, und es war ja auch gar nicht so gemeint, hihihi. Es ist eine Grenzverschiebung: Es gibt also Personengruppen, die darf man, nein: die muss man sogar töten. Denn Keulen ist Rettung der gesunden Viehbestände vor Ansteckung.
So wird Gewalt und Brutalität per ZDF der Bevölkerung nahe gebracht, der Massenmord zunächst semantisch sprechfähig gemacht. Nicht immer, aber zu häufig folgen den Worten die Taten.
Jan Böhmermann hat viele Preise kassiert. Wir fügen nun einen hinzu: den für politische Propaganda. Er ist ein würdiger Nachfolger von Karl-Eduard von Schnitzler. Er steht für viele Fehlentwicklungen im Journalismus.
Im Sinne der Stiftung Meinung und Freiheit und der rund 10.000 Teilnehmer an unserer offenen Jury sind wir ihm sehr dankbar. Jede Sendung von Böhmermann zeigt die permanente Grenzverschiebung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Seine Sendung bündelt alle Fehlentwicklungen, an denen der Journalismus derzeit leidet. Aber bekanntlich wächst mit der Bedrohung auch das Rettende. Die Zahl derjenigen, die derartige Späße nicht mehr mit ihren Zwangsbeiträgen finanzieren wollen, wächst mit jeder Sendung. Vielen Dank, Jan Böhmermann, für Ihre Unterstützung unseres Anliegens, ARD und ZDF zu reformieren. Oder gleich abzuschaffen.
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Ganz gute Gedanken zur politischen Geschichte der BRD. Ich würde es aber so sehen, dass die harten Konfrontationen mehr in den ersten Jahrzehnten lagen. Irgendwann ab den 70ern, spätestens 80ern hat sich das schleichend in mehr Konsens transformiert. Das war sicher nicht nur schlecht, nur ist dieser Konsens dann irgendwann ab oder nach den 0er Jahren dahin ausgeufert, dass die „Mitte“ etwas anderes als ihre eigene Weltsicht nicht mehr ertragen wollte.Und das in einer sich schnell und grundlegend ändernden Welt und in einem Aufsteigen anderer Weltregionen, also dem relativen Abstieg der Weltregion, die 2 Jahrhunderte den Ton angegeben hat.
Meine Frau und ich haben uns die alten Schinken aus den 80er Jahren angetan: Monaco Franze und Kyr royal! Es ist interessant zu beobachten, wie diese damalige Gesellschaft doch bereits den Keim für den heutigen Niedergang in sich trug!
Ein beeindruckender Text. Man kann vermutlich ganze soziologische Studien über die Veränderungen in den Medien machen.
Vielleicht spielt noch etwas eine Rolle. In den Medien geht es heute eigentlich ja nicht mehr darum, zu sagen „was ist“ – und dann es auch der Öffentlichkeit zu überlassen, welche Schlüsse sie daraus zieht. Medien versuchen heute zunehmend, v.a. über die Sprache, die „Wahrheit“ festzulegen. Und die Bevölkerung über „Narrative“ zu erziehen.
Sie sind in vielen Punkte heute eigentlich die moderne Kirche.
Die Ära der 1960er und 70er war wohl eine Ausnahmezeit. Endlich verstand man in der westlichen Welt, den bürgerlichen Spießer, die bürgerliche Enge wirklich mal massenwirksam aufs Korn zu nehmen oder ihn einfach zur Seite zu schieben (- siehe die Beatles und deren leibliche Lebendigkeit, die den Puritanismus in den Abgrund schickte. Heute sind wir wieder halb puritanisch – zum Glück noch nicht ganz!) Was danach kam (1980 Die Grünen plus deren neue strenge Weiblichkeit der Verbote), ist eher wieder der Normalfall engen bürgerlichen Miefs ( ich schreibe bewusst nicht klein-bürgerlich, denn das Problem betrifft immer alle Leute, die sich… Mehr
Dieser Kerl war von mir nie wahrgenommen worden, ist mir aber dann aufgefallen, als 2 satirische Songs über Erdogan kursierten – das eine war witzig, handwerklich gut gemacht und hatte einen gewissen Rhythmus. Das andere – das Böhmermann-Konvolut – war von unglaublicher Plattheit, Einfallslosigkeit und nicht zu unterbietender Dummdreistigkeit gekennzeichnet. Nichts daran war witzig oder originell. Einfach nur dämlich und unter der Gürtellinie. Ich war mir sicher, daß so einer bald wieder von der Bildfläche verschwinden würde. Aber nein – inzwischen ist er einer der Topverdiener der Branche: 670000€ in 2023 und 730000€ in 2024. Ich finanziere ihn mit, über… Mehr
In der alten Bundesrepublik gab es zwei große Lager: Rechts und Links, beide unterschieden sich deutlich, sagen wir Freiheit oder Gleichheit, Individuum oder Kollektiv, Eigenverantwortung oder Solidarität. Die Medien waren m.E. vor allem deshalb anders, weil sie auf die Machterringung einer der beiden Seiten setzten. Das Elend begann mit der Großen Koalition. Die Lager bekämpften sich nicht mehr, sondern teilten sich die Macht. Journalisten, die die Regierung vorführten, konnten kaum auf einen Machtwechsel und „Belohnung“ hoffen, da mindestens eine der Regierungsparteien weiter regieren würde. Inzwischen haben wir ein noch größere Koalition, nicht formal, aber praktisch. Es gibt keine grundsätzlichen und… Mehr
An Karl-Eduard-von-Schnitzler muss ich auch jedes Mal denken, wenn boomerman nach ein paar Witzen auf Vorschulniveau die unmaskierte Regierungspropagda gegen die demokratische Opposition ausgepackt.
Nachdem das „inhaltlich stellen“ der Opposition mangels Argumenten und qualifiziertem Personal auf der anderen Seite ausfallen musste, bleiben dem ancien regime nur die leicht manipulierbaren consoomer als Wählerpotential. Ob die sich am Wahltag noch an den Witz erinnern können, der sie dazu verleiten soll, „weiter so“ zu wählen?
Also ich meine, man sollte immer aus der Vergangenheit lernen. Ich meine, jemand sollte den Lindner endlich richtig richtig bestechen, dass er den H-Ampelkrampf beendet. Vermutlich wird das teuer, weil – ich glaube es einfach – er bereits bestochen ist. Anders kann ich mir dieses ehrvergessene Verhalten diesen kleinen Menschen nicht erklären. Was den Böhmernamm angeht: der Hauptgrund für mich, den http://www.beitragsblocker.de mitzumachen. Obwohl ich Schiss habe, ob das auch so gut funktioniert, wie die Initiatoren es sagen. Aber ich will nicht so einen absolut unanstöndigen, widerlichen vermutlich persönlichkeitsgestörten Typen finanzieren. MÜSSEN. Das will ich nicht.
„Kastraten kriegen keine Kinder.“ Zumindest nicht auf natürlichem Wege. Aber was ist mit Klonen? Und von denen haben wir leider immer mehr…
Hetze und Hass predigen gegen unliebsame Meinungsträger unter dem Deckmantel von Satire. Das ist das offensichtliche Programm von Herrn Böhmermann. Und weil das ZDF en masse auf der gleichen Diffamierungswelle funkt , lobt und verteidigt man Herrn Böhmermann. Natürlich hat auch das ein DDR-Beigeschmäckle…