Rentenpaket und Mindestlöhne werden durchgepaukt – ein schmutziger Sieg der Parteienlogik über die wirtschaftliche Vernunft.
Wenn man mit Politikern der aktuellen Koalition spricht, klingt es wie die Leidensgeschichte eines sehr lange, in tiefster Feindseligkeit verbundenen Ehepaars: Man hört nichts Gutes über den jeweils anderen Partner, und das fast wortgleich. Politiker der Union verdrehen die Augen über das Vorhaben der SPD, das Renteneintrittsalter wieder auf 63 Jahre vorzuziehen. Das wird Milliarden und Abermilliarden kosten, dringend benötigte Fachkräfte aus den Unternehmen abziehen, und angesichts der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung ist es der reine Blödsinn. Spricht man mit Politikern der SPD, verdrehen die die Augen wegen der von der Union geforderten Mütterrente. Das wird Milliarden und Abermilliarden kosten, die Altersarmut nicht bekämpfen, angesichts der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung ist es der reine Blödsinn.
Nun könnte man ja als vernünftig denkender Mensch schlussfolgern, dass aus der Verdopplung von Blödsinn nichts Vernünftiges werden kann und dass das Rentenpaket am besten sofort wieder verschwinden sollte. Aber das wäre nur ökonomisch gedacht. Die politische Logik erzwingt aber die Verdopplung des Blödsinns; die Renten-Dummheit gibt es nur im Paket. Denn die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD haben sich darauf verständigt. Das ist der einzige Grund. Die Abgeordneten werden widerspruchslos ihr Händchen heben, wenn das Paket zur Abstimmung ansteht; so gehört sich das in einem von Parteien gelenkten Parlament und mit einem de facto imperativen Mandat: Zwar ist der Abgeordnete noch halbwegs frei gewählt, aber in seinem Abstimmungsverhalten in der Regel mehr an die Fraktion gebunden als an sein Gewissen oder gar an die Vernunft. Das Grundgesetz ist nur noch die formale Hülle einer längst ausschließlich parteipolitisch geprägten Realität.
Nun werden an dieser Stelle von den Politikern der großen Koalition gerne Umfragen zitiert, die eine breite Zustimmung zum Rentenpaket signalisieren. Dabei wird unterschlagen: Es gab keine Forderungen, die Mütterrente und Rente mit 63 erzwungen hätten. Beides waren Lockvogelangebote, Sozial-Schnäppchen zum Urnengang. Gerade in einer Demokratie besteht politische Verantwortung darin, das Wünschbare mit dem Machbaren zu versöhnen und Mehrheiten für das Notwendige zu gewinnen. Die großen Parteien haben dabei diesmal versagt. Sie haben mit Versprechungen gelockt, von denen sie wussten, dass sie nicht nachhaltig zu finanzieren sind – und damit erst die Nachfrage erzeugt, die sie jetzt angeblich unbedingt befriedigen müssen. Beide bemänteln ihren Zynismus mit unabdingbarer Gerechtigkeit.
Es stimmt, es ist ungerecht, wenn Frauen, die Kinder vor 1992 geboren haben, kleinere Mütterrenten erhalten. Aber auch das Betreuungsgeld oder das Elterngeld werden nicht rückwirkend ausbezahlt. Und doch ist es mindestens so ungerecht, wenn junge Frauen heute erhalten, was arme Mütter in Zeiten der Not noch viel dringender gebraucht hätten. Und was ist daran gerecht, wenn heute 45 Beitragsjahre als ausreichend für eine abschlagsfreie Rente betrachtet werden; wobei diese Renten von Arbeitnehmern finanziert werden, die für ihre eigenen Renten eher 50 Jahre arbeiten müssen und dann trotzdem unterhalb der Armutsgrenze liegen werden? Gerecht ist, was Stimmen bringt.
So geht es weiter mit den Mindestlöhnen: Was ist an einem Einheitslohn gerecht, der in Mönchengladbach oder Oranienburg zum Leben reicht, aber in München oder Hamburg nicht? Was ist gerecht an der heraufziehenden Mindestlohn-Arbeitslosigkeit? Gerechtigkeit ist zum Totschlagsargument degeneriert, mit dem die Überprüfung von Gesetzen auf Tauglichkeit vermieden wird.
Nun ist diese Koalition, wie so manche lange Streitbeziehung, alternativlos. Da bleibt nur die Bitte: Unternehmt am besten gar nichts.
(Erschienen auf Wiwo.de am 25.03.2014)
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