BildBlog, Blockupy und BinSchUOuaAbwVÄndV

Nicht witzig, witzig. Der neue Spiegel, ein etwas älterer Titel des Economist. Der eine witzig, der andere nicht so. Und am Ende noch eine besonders peinliche Berichterstattung: Griechen als "Latin Lovers".

Bildblog hat sich meiner angenommen. Da fühle ich mich ja gleich schon mal geadelt und beachtet. Es geht um „Kassiert die Solar-Lobby die Kindergeld-Erhöhung“ (bild.de), das Sie in einer längeren und mit Zahlen unterlegten Fassung auch hier lesen können.

Raubkatze frißt BildBlog

Bei Bildblog steht: Da „fragt man sich, ob hier eine in die Ecke gedrängte, waidwunde Raubkatze in letzter Verzweiflung um sich beisst.“ Abgesehen davon, dass sich BildBlog sonst gerne über solche Entmenschlichungen tierisch aufregt – interessanter ist, wer diesen Text schreibt: Er stammt wörtlich von der Lobby-Organisation „Solarförderungsverein sfv.de; die sich sonst mit so wichtigen Fragen beschäftigt, wie etwa jede Gesetzesänderung in die Taschen der Solarbonzen umgeleitet werden kann. Das ist schon ein hübscher Gag: BildBlog kritisiert jemanden, der eine gierige Lobby kritisiert, mit einem Text aus der Feder dieser Gierhanseln. Ungefiltert und ungeprüft wird der Text einer Lobby-Organisation vervielfältigt. Kritischer Journalismus kritisiert so kritischen Journalismus, wunderbar.

Das ist auch nicht durch die prekäre wirtschaftliche Lage von BildBlog zu rechtfertigen. Übrigens: Liest man den Lobby-Text ganz, wird es noch hübscher. Dort wird fabuliert, ein von mir zitierter Lobbyist sei „Vermutlich frei erfunden. Kein Solarfreund – geschweige denn ein „Solar-Lobbyist“ – würde so reden, wenn er die energiepolitische Lage in seinem Sinne beeinflussen wollte“. Soweit BildBlog. Gerne liefere ich die Quelle des Zitats nach, und dabei geht es um folgenden Satz: „Wir sind die schlauen Igel, Gabriel der Hase“, rotzte mir kürzlich ein Solar-Lobbyist ins Gesicht. Heißt: Die Branche will jede Reform auf die eigenen Solarkonten umleiten…. Gerne liefere ich nach: Das Zitat stammt vom Vorstandsvorsitzenden der IBC Solar, Udo Möhrstedt.

Die Solar-Lobby war eben immer schon was ganz besonderes. Und Bildblog ist stolz darauf, aus „alten und neuen Medien“ passende Verbindungen zu liefern – direkt zu den betroffen jaulenden Lobbies.




Hurra, es waren doch die Nazis

Gewalt in Frankfurt: Rechtsextremisten mischten bei Blockupy-Protest mit, meldet der SPIEGEL und Chefredakteur Klaus Brinkbäumer per Tweet vorab. Eine echte Sensation. Endlich ist erwiesen: Es waren nicht die gute Linken, die eine Schneise der Verwüstung durch Frankfurt gezogen haben. Dahinter stehen Rechte.  Eine echte Sensation, denkt man so.

Die Story ist es nicht. Es soll, folgt man dem Spiegel,  „Aufrufe im Netz“ gegeben haben, und im übrigen ist die einzige Quelle der hessische Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke, Ulrich Wilken. Er soll dem Spiegel gesagt haben, ihm seien mehrere Rechtsextreme aufgefallen, die nationalistische Parolen gerufen hätten. Schöne Quelle. Wilken als Veranstalter steht kräftig unter Druck – politisch und möglicherweise auch persönlich wegen der Haftung für die Krawalle. Davon lenkt man gerne ab. Aber davon steht im Spiegel nichts. Die Quelle wird geschönt.

Dass Wilken er gerne von sich ablenken will – geschenkt, aber nicht dem Spiegel. Nun mag es übrigens sein, und ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass auch Rechtsradikale bei den Krawallen mitmaschiert sind – hinter den schwarzen Sturmhauben sind rechte wie linke Ganoven nicht zu erkennen, und deshalb hat bislang die Polizei ja auch keine Anzeigen erstattet. Und das ist ja das infame dieser Veranstaltungsart: Dies ist keine Demonstration, sondern die Kulisse für Gewalttätigkeit. Entscheidend ist aber, wie die Krawalle systematisch vorbereitet wurden. Den besten Bericht darüber hat die FAZ geliefert, indem sie minutiös beschrieb, wie exakt der Terror geplant, vorbereitet und die Beteiligten gedrillt wurden. Auch die Rheinische Post berichtet ähnliches. Schade nur, dass der Spiegel sich so viel Mühe nicht macht: Kurz mal gegoogelt, ein Betroffener wird zum Angreifer, und fertig ist die Story.

Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän

Als Kinder haben wir oft gespielt: Wer findet das längste Wort? Sieger war „Donaudampfschifffahrtskapitänsmützenhersteller“. Besonders Einfallsreiche ergänzten noch -Witwe. Aber wir waren eben Kinder.

Der Deutsche Bundestag hat wieder seines Amtes gewaltet und die 3. Änderung der BinSchUOuaAbwVÄndV verabschiedet. Es geht um die Dritte Verordnung zur Änderung der Gemeinsamen Verordnung zur vorübergehenden Abweichung von der Binnenschiffsuntersuchungsordnung und von der Binnenschifferpatentverordnung“. Die Wirklichkeit überholt den Kinderspaß.

Keine Angst vor dem Postboten

Das gilt auch für das Mindestlohngesetz, ein bizarres bürokratisches Monster.  Aber die Ausweitung der Bürokratie ist ja die Lieblingsbeschäftigung der Groko. Gott sei Dank naht Rettung. Die SPD wittert eine Anleitung, wie die Mindestlohnbürokratie ganz einfach zu bewältigen sei.

Extra aufgeführt wird folgende Erleichterung, Zitat:

Eine Privatperson gibt einen Brief bei der Post auf. Sie haftet nicht für den Postdienstleister, da sie selbst kein Unternehmen ist.

Da bin ich jetzt erleichtert, dass ich beim Postempfang nicht darauf achten muss, ob die Post auch wirklich überall in ihrer langen Produktionskette brav Mindestlöhne bezahlt. Diese Kontrollverpflichtung gilt allerdings in vielen Fällen (welche, weiss kein Mensch genau); denn der Auftraggeber einer Leistung haftet „wie ein Bürge“ für die Einhaltung des MiLoGesetzes. Nur eben nicht beim Brief, danke SPD.

Latin Lover in wüsten Phantasien

Griechenlands Unwilligkeit Verträge einzuhalten, beschäftigt alle Medien. Natürlich folgt man im Zentralland der Betroffenheit gerne dem Argument, dass Deutschland für alles haftet. Sie wissen schon, wegen Hitler. Besonders geschmacklos der Titel des Spiegel. Ich bin ja ein entschiedener Gegner der Merkel`schen Retteritis. Aber eines hat sie nicht verdient: In diese Reihe mit Nazis gestellt zu werden.

Nun kann man es ja gerne witzig machen. Wie das geht, zeigt ein Beispiel aus dem Economist, nach wie vor unübertroffen. Gut, dass der Economist sich jetzt verstärkt um deutsche Leser bemühen will. Das können wir gut brauchen. Denn besonders intelligent ist ja die Griechenland-Berichterstattung auch in den deutschen Wirtschaftsmagazinen nicht. „Arm“ und „Sexy“ seien die neuen Linkspopulisten, titelte beispielsweise die Wirtschaftswoche. Die Kerls da, das seien eben echte „Latin Lovers“. Putzig. Varoufakis ist sicherlich alles andere als arm, wie er uns über die Bilderstrecke in Paris Match mitteilt. Ob er sexy ist? Bislang war das weniger eine Kategorie der Wirtschaftanalyse, und wird es wohl auch nicht.

Es lässt eher auf die sexuellen Phantasien der Schreiberinnen schließen.




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