Bankrotte Staaten

Mit innovativer Wirtschaftspolitik versuchte Wilhelm V., Herzog von Bayern, 1589 dem drohenden Staatsbankrott zu begegnen. Er gründete das staatliche Hofbräuhaus, um seinen Hofstaat vom teuren Importbier aus Einbeck in Niedersachsen unabhängig zu machen. Den Bankrott konnte er so nicht vermeiden, wohl aber sein Sohn Maximilian I., der mit einem Weißbiermonopol die Bürger zur Kasse bat und damit tumultartige Zustände auslöste.

Heute ist der Staatsbankrott komplexer, aber im Kern hat sich nichts geändert: Er bedroht das Gemeinwesen in seinen Grundfesten. Deutschland hat damit einschlägige Erfahrung, nicht nur in Bayern und ganz aktuell: Die Unfähigkeit der DDR, ihre Westschulden zu begleichen, hat vor 20 Jahren die Selbstaufgabe des Regimes beschleunigt; die Machthaber in Ostberlin brachten nicht mehr den Mut auf, den rebellierenden Bürger einen noch schärferen Konsumverzicht abzuverlangen. Hans Modrow, der Ministerpräsident der Linken, die sich damals noch SED nannte, bettelte in Bonn noch um einen letzten 15-Milliarden-Kredit. Helmut Kohls „Nein“ markierte das Ende. Die Währungsunion der DDR mit der Bundesrepublik führte zum Fadenriss der DDR-Wirtschaft; die Kosten der Arbeitslosigkeit nahm Deutschland als Preis für die Wiedervereinigung gern in Kauf.

Die wirtschaftlichen Sachverhalte ähneln sich, doch was im deutsch-deutschen Verhältnis Staatsräson war, gilt nicht für Griechenland. Aber kann Deutschland ungerührt zuschauen, wie zunächst in Griechenland und dann im europäischen Mittelmeerraum soziale Unruhen entflammen und die Staaten destabilisieren? Wohl kaum.

Gleichzeitig zeigt sich, dass der europäische Traum, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Lebensverhältnisse in den armen Staaten aus Ost- und Südeuropa denen des reichen Nordens anzugleichen, gescheitert ist. Der sichtbare Wohlstand in Griechenland, Spanien, Portugal, aber auch in Irland war auf Pump finanziert – jetzt sind diese Länder für uns, was die Hypothekenkrise für die USA war: Die Schuldner sind zahlungsunfähig und ruinieren ihre Gläubiger. Die europäische Integration ist zu weit fortgeschritten, als dass wir ernsthaft ein Ende der Europäischen Währungsunion oder gar der EU ins Auge fassen können. Historische Prozesse sind nicht umkehrbar. „Gehe zurück auf Los“ – diesen Neuanfang gibt es nur bei Brettspielen. Zu verflochten sind die europäischen Wirtschaften längst miteinander. Beispiel gefällig? In deutschen Pfandbriefen stecken jede Menge Immobilien aus dem Mittelmeerraum; platzt die spanische Immobilienblase und gehen Griechenland und Portugal bankrott, leiden die Anlagen vieler deutscher Lebensversicherer.

Und es geht ja nicht nur um Griechenland. Infolge der Finanzkrise wurde weltweit rund ein Viertel der gesamten Wirtschaftsleistungen in die Stabilisierung des Bankensektors gesteckt, rechnet Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, vor. Das hat zu der grotesken Überschuldung geführt, die weltweit die Staaten und Währungen destabilisiert – von Japan über Großbritannien bis letztlich auch Deutschland. Der Versuch, dem Nachbarn in die Tasche zu greifen, verschärft die Konflikte:

Das Deutsche Reich hat 1923 einen indirekten Staatsbankrott herbeigeführt, indem die Regierung die Währung und die Zahlungsverpflichtungen aus dem Versailler Vertrag durch eine Hyperinflation entwertet hat. Im Gegenzug besetzte Frankreich damals das Ruhrgebiet. Friedensstiftend war beides nicht und hat den Schritt in die nächste Katastrophe beschleunigt.

(Erschienen am 30.04.2010 auf Wiwo.de)

Für die europäische Politik wird es zu einer Herkulesaufgabe, die neuen Konflikte zu managen.

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