AfD: Grobschlächtiger Kerl an Merkels Seite

Wer verkuppelt sich mit wem?

Was sind die Lehren aus den jüngsten drei Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen? Ein kleines Parteien-Psychogramm nach einer spannenden Wahlnacht.

Da ist zunächst:

Die Verkümmer-Partei

Die SPD ist der klare Verlierer, auch wenn sie in Brandenburg noch einmal den Ministerpräsidenten stellen kann. Aber gerade noch 12 Prozent der Stimmen in Thüringen, unsichtbar in Sachsen und Bayern – sie ist in immer mehr Bundesländern auf dem Weg zu einer Verliererpartei. Den schrecklichen 20-Prozent-Turm, in dem sie sich eingesperrt fühlt, verlässt sie. Aber leider in Richtung zehn Prozent. Dazu hat beigetragen, dass sie sich einfach nicht so richtig von der Linken abgrenzen mag. In Thüringer hat sie mit der SED-Nachfolgepartei geflirtet und wurde bitter bestraft.

Sollte sie jetzt mit den Stasiroten und den Grünen doch versuchen, eine Regierung zu bilden, dann ist das ein Fall von politischem Masochismus. Die SPD als Partei, die sich um alle kümmert, verkümmert.

Die One-Woman-Show

Ja, die CDU hat in Brandenburg und Thüringen Stimmen gewonnen; das liegt  am Abstrahleffekt der Bundeskanzlerin. Aber in Brandenburg kann sie allenfalls als Trittbrettfahrer der SPD mitregieren; und in Thüringen braucht sie die SchrumpfPD, damit Frau Lieberknecht ihre Sprüche weiter mit der aufgeblasenen Wichtigkeit einer  Stenolehrerin, die Ministerpräsidentin spielt, absondern kann. Nur noch zusammen können die beiden ehemaligen Volksparteien CDU und SPD überhaupt solide regieren, denn das rotstasirote Bündnis in Brandenburg war ja auch eines der Lähmung und der Blockade: Das Land segelt mit im Sog der Metropole Berlin, aber je weiter man wegkommt vom Berliner S-Bahn-Ring, umso düsterer wird es in Brandenburg.

Jens Spahn von der CDU verortet die meisten Wähler unter der Gruppe der jüngeren Männer. Das mag stimmen. Warum sollen sie eine Partei Wähler, deren programmatisches Interesse jungen Frauen in Metropolen gilt?

Erneut rächt sich für die CDU, dass sie unter Angela Merkel in Berlin die FDP so entschieden bekämpft hat. Die CDU ist zur reinen Merkel-Partei geworden. Vielleicht spielt Angela Merkel mit dem Gedanken, 2016 aufzuhören. Kann sein. Aber wenn es so weit ist, wird sie längst dem Kohlsyndrom unrettbar verfallen sein: Ohne sie geht es nicht, was ja stimmt. Da hilft nur weitermachen, bis sie den Bürgern zum Hals raushängt und man ihre leeren Sätze und hinhaltende Art nicht mehr ertragen kann. Die große Langeweile kommt erst noch.

Dead-Man-Walking

Christian Lindner als FDP-Chef zeigt bewundernswerte Frustrationstoleranz, aber dafür gibt es keine Stimmen. Die FDP ist weg, und keiner weint ihr eine Träne nach. Warum, weiß man gar nicht so richtig. Sie findet nicht mehr statt. Wofür steht sie? Der klassische Liberalismus nach angelsächsischem Muster war in Deutschland noch nie beliebt. Ein autoritärer Staat, dem man sich unterwirft, der alles regelt und rettet, das ist es, was die Deutschen wollen. Diese Tendenz scheint sich in den letzten Monaten zu verstärken. Den Säuselliberalismus, von dem Lindner gerne spricht und den er so vehement kritisiert, gibt es schon bei der SPD – Freiheit für alles und dann dafür Staatsknete. Marktwirtschaft, Wettbewerb, Liberalismus, Eigenverantwortung – das klingt zu anstrengend im totalen Wohlfahrtsstaat. Stallhasen wollen gefüttert und gestreichelt werden. Die Erziehung zum Stallhasen der letzten Jahrzehnte fordert ihren Tribut. Lindner sieht in der AfD den „Angriff der Alten auf das Establishment“.

Frosch bleibt Frosch

Ja, es gibt sie noch. Heldenhaft kämpfen sie dafür, dass im Miniland Thüringen das Weltklima gerettet und Deutschland vor dem Faschismus bewahrt wird. Aber irgendwie ist die Luft raus bei den Grünen. Was wollen die? Wofür? Warum? Gelegentlich braucht man sie noch als Mehrheitsbeschaffer wie in Hessen. Dort managed der grüne Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir jetzt den Fluglärm, indem er die Belastungsminuten durch den Lärm startender Jets von links nach rechts verlegt. Genau. Dazu kann man sie brauchen. Sonst? Fehlanzeige. Frosch bleibt Frosch, da hilft kein Küssen mehr.

Supermarkt der Wut

Die AfD ist der große Wahlsieger. Angetreten als Euro-Kritiker und wirtschaftsliberale Partei, ist sie heute ein Supermarkt der Wut. Der wird täglich mit den No-Name-Produkten gefüllt, die die anderen Parteien liefern. Die AfD lebt davon, dass die Bürger wütend sind, dass die anderen Parteien Probleme nicht mehr benennen, sondern verschweigen oder tabuisieren.

Wer über wachsende Ausländerkriminalität redet, ist ausländerfeindlich. Männer, die sich fragen, warum sie Parteien wählen sollen, die sie mit Frauenquoten offen diskriminieren und mit Genderismus ständig umerziehen wollen, sind frauenfeindlich. Wer Europa kritisiert, so, wie auch Bundes- oder Landespolitik kritisiert wird, ist europafeindlich. Dazu kommt ein Rückgriff auf das, was in Deutschland herumwabert: Anti-Amerikanismus, Anti-Modernismus, der Glaube, dass der Staat schon alles richten kann: Die AfD mutiert zu einer ziemlich deutschen Partei nationaler Untugenden, die sie insoweit von den anderen nicht unterscheidet. Deshalb flirtet die AfD mit der Linken und klaut im sozialpopulistischen Regal der SPD, um das aufgeklaubte bei sich im Kaufhaus der politischen Wut anzubieten: Hehlerware ohne Herkunftsbezeichnung.

Das hilft. Das ist billig. So kriegt man Mehrheiten. Die Professoren sind über Nacht zu Populisten geworden; sie haben gezeigt, dass sie verstehen, wie der Wählermarkt funktioniert. Das ist ein Erfolgsprogramm. Wegreden wird man sie nicht mehr können. Aber was sie machen, wenn sie mal müssen, das weiß man nicht.

Reste-Partei

Die Linke ist die Reste-Partei. Stark in Brandenburg, wo die Eliten der DDR die Datsche hatten. Zukunft, Ideen? Keine. Gregor Gysi ist unterhaltsam. Er hat gezeigt, dass man mit Auftritten in Talk-Shows, als schmusendes Schoßhündchen von Illner bis Will, Stimmen holen kann. Aber irgendwie wirkt er zunehmend müde; Respekt: Er hat ja als Einziger eine ungebrochene Karriere von der DDR bis in die BRD geschafft. Irgendwann ist gut. Nach ihm die Leere. Sie dämmert herauf wie der rote Morgen: Unübersehbar leer.

Und nun?

Das große Rätselraten beginnt. Beste Ausgangsposition für die Union, sonst gibt es ja nichts. Aber rechts von ihr gibt es jetzt die AfD. Ignorieren wird nicht klappen. Warum eigentlich auch?

Unübersehbar sind viele in der AfD wertkonservativ – sie stemmen sich gegen die regierungsamtlich verordnete Abwertung der Familie und befürchten nicht ganz ohne Grund, dass die Kita vom Angebot zum Zwang wird – Frauen in die Fabrik, Kinder in den Hort. Das und viele andere Zeitgeistangebote der CDU schmecken Teilen der Kernwähler nicht. Zu einseitig hat sich die CDU programmatisch dahingehend ausgerichtet, was angeblich junge Frauen in den Großstädten verlangen (wobei die Union nicht kapiert hat, dass auf Umfragen häufig geantwortet wird, was der Mainstream verlangt. Gelebt wird aber nicht nach Umfragen.).

So hat die CDU mit der FDP einen Partner verstoßen und einen neuen, aus ihrer Sicht ziemlich grobschlächtigen, unanständig riechenden Kerl an die Seite gestellt bekommen.

Die Frage ist: Was macht die SPD? Ihre bisherige, seit Ende der Schröder-Jahre betont linke Jammerpolitik ist am Ende. Neubeginn oder Siechtum, davor steht die Partei. Das Personal für Wandel hat sie nicht – Gabriel und Nahles sind vergleichsweise schlichte Gemüter. Ihnen fehlt die Kraft für die Veränderung der Partei der meckernden Sozialkunde-Lehrer, ihnen fehlt das Gespür für Menschen, die in den Fabriken und Büros arbeiten.

Es sortiert sich neu. Und das wird spannend.

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