Zweiklassenmedizin – sozial ungerecht?

Die SPD hat die Einführung einer einheitlichen Zwangsversicherung für alle - „Bürgerversicherung“ - zum zentralen Punkt für mögliche Koalitionsverhandlungen gemacht und wettert gegen die „Zweiklassenmedizin“.

© Adam Berry/Getty Images

„Kampf gegen die Zweiklassenmedizin“ ist der neue Schlachtruf der SPD im Kampf um „soziale Gerechtigkeit“. Ein gutes Beispiel dafür, dass Linke stets „Gleichheit“ meinen, wenn sie „Gerechtigkeit“ sagen. Kein Beitrag von SPD-Politikern zum Thema, ohne dass erwähnt wird, wie ungerecht es sei, dass Kassenpatienten beim Arzt oft länger warten müssen als Privatpatienten.

Bürgerversicherung: Einheits-Zwangsversicherung

Ungerecht finde ich, dass sich bisher Arbeitnehmer mit geringem oder mittlerem Einkommen nicht privat versichern dürfen (außer im Rahmen einer Zusatzversicherung), sondern zwangsweise Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse werden müssen. Da wäre es doch naheliegend, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen und es jedem freizustellen, ob er sich gesetzlich oder privat versichern möchte. Das aber will die SPD gerade nicht. Sie möchte, ebenso wie Linke und Grüne, dass künftig jeder zwangsweise Mitglied einer gesetzlichen Kasse werden muss. Da der Plan einer Einheits-Zwangsversicherung nicht so attraktiv klingt, haben sich linke PR-Spezialisten schon vor Jahren den viel schöner klingenden Begriff Bürgerversicherung ausgedacht. George Orwells „Newspeak“ (1984) lässt grüßen.
Im Kern geht es darum, besser verdienende Arbeitnehmer und Selbstständige stärker zu schröpfen, um damit die gesetzlichen Kassen zu sanieren. Wahrscheinlich ist, dass die Beitragsbemessungsgrenze früher oder später angehoben wird oder ganz fällt. Ergebnis: Personen mit einem höheren Einkommen müssen dann erstens viel mehr bezahlen und bekommen zweitens dafür weniger Leistung. Das verstehen SPD, Linke und Grüne – sowie Teile der CDU – unter „Gerechtigkeit“: Die Situation der Mehrheit wird nicht verbessert, aber die Neidgefühle werden befriedigt, weil „Besserverdiener“ schlechter gestellt werden.

„Zweiklassenmedizin?“

Bisher privat Versicherte müssten nach den SPD-Plänen dann sehr viel länger beim Arzt warten als bisher – ohne dass sich die Wartezeiten für die gesetzlich Krankenversicherten merklich verkürzten. Ist es „ungerecht“, dass Privatpatienten oft kürzer warten müssen? Ungerecht finde ich, dass sich nicht jeder privat versichern darf, sondern die meisten Bürger zwangsweise in die gesetzliche Krankenversicherung gepresst werden. Wenn sich jeder privat versichern durfte, könnte jeder entscheiden, ob ihm die Vorteile einer privaten Versicherung das Geld wert sind.

Das Gegenargument lautet, dass sich nicht jeder eine private Versicherung leisten könne. Das immer wieder angeführte Beispiel von den Privatversicherten, die kürzer warten müssen, soll Neid schüren. Um alle Ungerechtigkeiten zu beseitigen, schlage ich vor: Künftig hat jeder einen Rechtsanspruch darauf, im Villenviertel zu wohnen, Businessklasse zu fliegen, einen Luxuswagen zu fahren, in Luxushotels Urlaub zu machen und eine schöne Frau zu heiraten. Ist es nicht ein Beispiel für schreiende „soziale Ungerechtigkeit“, dass es Personen gibt, die in einfachen Wohnlagen wohnen statt in einer Villa, die Fiat statt Mercedes fahren und im 3-Sterne-Hotel an der Ostsee statt im Sechs-Sterne-Hotel in Bali Urlaub machen – und dann auch noch Holzklasse statt First Class fliegen? Diese Unterschiede sind sehr viel größer als die zwischen Kassen- und Privatpatienten, denn auch für Kassenpatienten ist in Deutschland ein Leistungsniveau gesetzlich vorgeschrieben, um das uns fast alle in der Welt beneiden würden. Nebenbei: Manchmal kann es sogar eher ein Nachteil sein, in einer privaten Krankenkasse versichert zu sein, da solche Patienten häufiger Opfer unnötiger Behandlungen und Operationen werden, weil daran die Ärzte mehr verdienen. Daher sollte jeder – egal wie viel er verdient – das Recht haben, in die Versicherung einzutreten, die er wählt und sich finanziell leisten kann.

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Kommentare ( 86 )

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86 Comments
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Ben Krüger
7 Jahre her

Grundsätzlich sollte man es dem Menschen selbst überlassen, ob er sich versichert, oder nicht. Wer jeden Monat 350 euro in die Haushaltskasse legt, hat nach 50 Jahren 200.000 auf der hohen Kante. Gäbe es wie zu D-Mark Zeiten Zinsen, würde sich der Betrag noch verdoppeln. Die meisten Krankheiten sind doch lapidare Erkältungen, und mit etwas Bewegung lässt sich selbst das Wohlbefinden verbessern. Warum also für die Nachlässigkeit anderer Leute haften?

EinSödernUndKaudernHier
7 Jahre her
Antworten an  Ben Krüger

Eine Milchmädchenrechnung. Die besagte Verdoppelung funktioniert ab einem Zinssatz von 2,38% (durchschnittlich auf 50 Jahre). Packt man noch einen Inflationsausgleich dazu, muss ein durchschnittlicher Zins von ca. 4,5% realisiert werden. Das wiederum bedingt bereits ein entsprechendes Anlagerisiko.
Die „teuren“ bzw. chronischen Krankheiten kommen meist in Alter – da sind auch 400.000 schnell weg.

Joachim Buschle
7 Jahre her

Die sogenannte ‚gesetzliche Krankenversicherung‘ hat mit einer Versicherung so viel zu tun wie ein Gutmensch mit einem guten Menschen- nämlich nix!
Die GKV ist eine sozialistische Scheinversicherung und im Kern nichts anderes als eine gigantische Umverteilungsmaschinerie (=Raub & Ausbeutung).
Ein Konstrukt muss folgenden Bedingungen genügen, um als Versicherung zu gelten:
1.) Freiwilligkeit
2.) risikoäquivalente Prämien.
Die GKV erfüllt offensichtlich -nicht mal in Ansätzen- diese beiden Bedingungen.

Abschaffung der PKV bedeutet daher: Maximierung des Raubs und der Ausbeutung.

Michael S.
7 Jahre her

Dafür gibt es keine Erklärung. Genau aus dem Grund bin ich vor fast 20 Jahren in die PKV ( obwohl ich aufgrund einer Vorerkrankung einen Zusatzbeitrag zahlen musste) gewechselt. Es ist zwar in Summe teurer aber der ein oder andere Vorteil (man bekommt z.B. die Rezepte die man braucht und nicht das was das Einheitsbürokratenarztbudget hergibt) ist es mir wert.
Im übrigen bin ich der Meinung, dass sich die Privatversicherten die u.U. ersparten Beiträge in jungen Jahren für das Alter zurücklegen müssen. Wer das nicht tut bekommt später ggf. Probleme aber dafür wurde auch der Basistarif eingeführt.

Frabu
7 Jahre her

Statt Kritik hier mal ein konstruktiver Vorschlag für eine Soziale Risiko-Kranken-Versicherung („SRKV“) : (1) Der Versicherte bekommt bei seiner bisherigen Krankenversicherung -gesetzlich oder privat- einen sehr günstigen Risiko-Selbstbehalt-Tarif, bei dem aber erst ab einem relativ hohen Rechnungsbetrag erstattet wird. (2) Die Härtefälle prüft zB. das Sozialamt und veranlasst fallweise die Zahlung eines Pauschalbetrags aus einem Härtefonds gemäß einfachen(!) Richtlinien. (3) Der Härtefonds darf nur hierfür(!) genutzt werden und wird gefüllt zB. von Kranken-versicherungen, Versicherten und Arbeitgebern nach einfachen(!) sozialen Regeln. (4) Der Versicherte hat bei seiner Bank ein Sonderkonto nur zur tranparenten Abwicklung medizinischer Vorgänge; er kann Hilfe für seine… Mehr

Oblomow
7 Jahre her

Selbst die meisten eine Bürgerversicherung ablehnenden Kommentare zeigen mir, daß ein dahinter steckendes kollektivistisches, interventionistisches, korporatisches Interesse gar nicht für möglich angesehen wird und ein sich aufdrängender Zusammenhang mit Fiat-Money-Systemen und Herrschaftsgelüsten nicht verstanden ist.

Na, dann: Mao-Jacken für alle.

Gabriele Kremmel
7 Jahre her

Die Migranten aus den Konfliktregionen bringen nicht nur ihre Konflikte mit zu uns sondern auch ihre Art, damit umzugehen und sie zu zelebrieren. Solche und andere Szenarien kannte man früher nur aus der Fernsehberichterstattung aus dem nahen Osten.

Dr. Dr. Zitelmann
7 Jahre her
Antworten an  Gabriele Kremmel

Hat das ein Mensch oder ein Computer geschrieben? Egal, wer es war: Gelesen hat er/sie den Artikel nicht, denn das ist doch vollkommen am Thema vorbei.

Frabu
7 Jahre her
Antworten an  Dr. Dr. Zitelmann

Hallo Herr Dr. Zitelmann, das hat ein Mensch geschrieben! Nur hat Ihnen (wie später auch mir) der „Tichy-Computer“ den Beitrag vermutlich ohne Zeilenumbrüche gezeigt, was dann die Übersicht sehr stört! Der Mensch (männlich) hat natürlich Ihren Artikel gelesen, worin Sie auf die Probleme der „Bürgerversicherung“ so treffend eingehen, dass ich diese nicht weiter kommentieren wollte. Vielmehr stelle ich in meinem Beitrag – passend zum Oberthema „Bürgerversicherung“ – ein neues Konzept einer solchen Versicherung vor, das die beschriebenen Nachteile vermeidet und auch Ihrem Vorschlag folgt, „es jedem freizustellen, ob er sich gesetzlich oder privat versichern möchte.“ Ich freue mich, wenn das… Mehr

Stefan T.
7 Jahre her

Das einzige, was sozial ungerecht ist, ist die systematische Ausplünderung des Bürgers unter dem Deckmantel der angeblich „solidarischen“ Gesellschaft. Deutschland leistet sich einen der teuersten Sozialhaushalte der Welt, und die Sozialausgaben sind über die Jahre nicht gesunken, sondern gestiegen, genauso wie die Beitragssätze. Zeitgleich sind viele Leistungen, die früher normal waren, ersatzlos gestrichen worden. Wer glaubt, das würde sich durch die Einführung einer Bürgerversicherung ändern, der glaubt auch an den Weihnachtsmann! Eher wird man das zum Anlass nehmen, noch mehr Einsparungen vorzunehmen und zeitgleich mehr Menschen dazu zu zwingen, in ein völlig überholtes System einzuzahlen. In vielen anderen Ländern gibt… Mehr

Mausi
7 Jahre her

Gerechtigkeit bzw. Gleichheit ist für alle Linke erst dann erreicht, wenn alle gleich arm sind.

Ben Krüger
7 Jahre her

Oh ja, das ist natürlich eine schreiende Ungerechtigkeit, dass privat Versicherte etwas weniger warten müssen. Dafür zahlen sie oft ein Vielfaches, vereinbaren hohe Selbstbehalte, und sind die eierlegenden Wollmilchsäue für die Götter in weiß. Im Alter sind die Beiträge dann oft so hoch, dass so mancher am Existenzminimum knabbert, und nicht weiß wie er die Beiträge zahlen soll. Das Ganze ist nur ein riesen Geschäft.

Joe4
7 Monate her
Antworten an  Ben Krüger

Zwei Drittel der Privatversicherten sind Beamte, die aufgrund der Beihilfe (gezahlt von allen Steuerzahlern) moderate Beiträge zahlen. Hinzu kommen Familienzuschläge. Es ist höchst ungerecht, dass gesetzlich Versicherte, die die Beamten mitfinanzieren, dann auch noch benachteiligt werden.

hubert paluch
7 Jahre her

Aus unserem evolutionären Erbe stammen sowohl der Wunsch nach Egalität als auch der Drang Herauszuragen. Beides funktionierte ganz ordentlich über hunderttausende von Jahren in Sippen mit 50 bis 150 Jägern und Sammlern. Mit der Sesshaftwerdung wurde plötzlich nicht mehr alles brüderlich geteilt, sondern Privateigentum und Privilegien wurden zur Notwendigkeit einer funktionierenden Stadtbevölkerung. Und so wünschen wir uns auf der einen Seite eine egalitäres Gesundheitssystem für alle und auf der anderen Seite eine Vorzugsbehandlung für uns persönlich. Eine Ideallösung für dieses Problem gibt es nicht. Man kann sich nur anschauen, wo auf der Welt es ganz ordentlich funktioniert. Ich empfehle einen… Mehr