Talkshows sind so wichtig, weil der Bundestag sich als Ort von Debatte und Diskussion abgeschafft hat. Aber es zeigt sich: Doch wieder nur Traumtänzerei und Wirklichkeitsverweigerung im TV.
Es war mal wieder so ein dramatischer Tag. Allein seit September kamen wohl 318.000 Flüchtlinge nach Bayern; damit nimmt die Überforderung des Landes dramatisch zu. Auf dem schmalen Wasserstreifen zwischen der Türkei und Lesbos ertrinken Flüchtlinge, und keines der vielen, schönen, teuren Marineboote der Türken oder Griechen ist da. Man hat das Gefühl, beiden Staaten ist es ganz Recht, wenn welche ertrinken; es sind ja noch genügend da, die nach Deutschland durchgereicht werden.
Eine Reise umsonst
Warum genau war eigentlich Merkel kürzlich in der Türkei? Wollte sie nicht bewirken, dass weniger Flüchtlinge Richtung Deutschland auf den Weg gebracht werden? Die Wahl in der Türkei führt zu einem Sieg, der viele liberale, moderne Türken und Kurden in die Emigration treibt. Der nächste Flüchtlingsstrom beginnt. Österreich lädt weiterhin mit Dutzenden von Bussen Menschen an der Grenze zu Deutschland aber wie Vieh vor dem Schlachthof. Die wollen es ja so, sagen die Österreicher. Haben sie damit recht oder reiht sich Österreich in der Flüchtlingsfrage in der Balkankette ein?
Ach ja, und dann wird bei Jauch mal wieder diskutiert. Nun sind so Talk-Runden wichtig; schließlich hat der Deutsche Bundestag ja als Ort der Diskussion und Meinungsfindung abgedankt. Aber worum wird diskutiert? Edmund Stoiber geifert und schimpft und macht allein durch sein Verhalten kaputt, was er eigentlich will: Transitzonen und Begrenzung des Flüchtlingsstroms. Er ist der beste Mann der SPD. Ralf Stegner will das noch unterbieten. Spricht von Haftlagern, Fassbomben – gehen die in Österreich nieder und treiben die Flüchtlinge nach Deutschland – was erzählt der Mann? Spricht von Einreisezentren, wobei es ums Gegenteil gehen muss. Flüchtlinge sollen also einreisen, herumreisen, in ein Einreisezentrum und irgendwann dann in ein Ausreisezentrum – was will die SPD? Es ist völlig unklar. Sie versteckt sich eben hinter – Stoiber.
Wie lange kann das gut gehen, gar nichts zu wollen außer die Überforderung einer Gesellschaft zu beschleunigen? Jaafar Abdul Karim von der Deutschen Welle lässt sich als Held der arabischen Jugend feiern und ist selbst ein jugendlich-sympathischer Held: Die Grenzen öffnen, unbegrenzt, will er und kurvt dann doch nur noch in letzter Sekunde von dieser irrealen Forderung zurück. Aber es kämen nur hochqualifizierte, friedvolle, integrationswillige, nette Menschen. Mit denen die Bevölkerung in Dialog treten solle. Ach ja, der Weg ist kurz von sympathisch bis naiv, zum Endpunkt kindisch geradezu: Kein Wunder, dass die Deutsche Welle mit solchen Kindern ein falsches Deutschlandbild in die Welt sendet.
Wir leben doch im Jahr 2002, oder nicht?
Ein ehemaliger Politikberater namens Michael Spreng sprengt endgültig die Sendung, indem er sich mit Stoiber, dessen Wahlschlappe er 2002 als Berater mit verursachte, über die Strategie damals unterhielt – seltsam. Gelegentlich versucht Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz etwas zu sagen; meist klingt es vernünftig und nachvollziehbar. Sie verteidigt die Minimalkonzepte der Kanzlerin, die irgendwann ein bisschen was ändern sollen. Aber dann wird sie schon wieder nieder gekeift von Stoiber, der auf Paragraphen herumreitet; was ja richtig ist, aber jetzt auch nichts hilft, wenn ein paar Hunderttausend eben schon da sind.
Der zugeschaltete Landrat Meyer aus Passau hätte was zu sagen, aber er begreift gar nicht, dass die Runde gar nicht begriffen hat in ihrem warmen Studio, wie dramatisch die Lage an der Grenze zu Österreich ist. Deshalb bleibt er seltsam farblos. Und Stoiber keift weiter, Stegner verweigert jede Lösung, Spreng bietet an, dass keine Rente gesenkt, keine Steuer erhöht, keine Mietwohnung beschlagnahmt, und alles so bleiben soll, wie es ist, nur eben mit ein paar Millionen Menschen mehr, die genau das für sich beanspruchen: Geld, Soziales, Wohnung. Da freut sich Herr Karim, so hat er sich das auch vorgestellt. Genau! Das machen wir! Wir glauben an das Gute und schon kommt es. Wir schaffen das! Die gesellschaftliche Einschläferung durch „Wir schaffen das“ funktioniert. Immer. Noch.
Integration ist doch easy, oder?
Anschließend stellt in der nachfolgenden Sendung „ttt – titel, thesen, temperamente“ Fälle vor, wonach Hunderte nicht-integrierte Jugendliche aus Deutschland der Killer-Organisation IS folgen. Man müsse unbedingt die Integration besser machen. Ach ja. Glaubt noch irgendjemand, dass diese Integration angesichts der Kombination aus unfähiger Politik und Masseneinwanderung von kulturell immer distanteren jungen Männern verbessert, ich wiederhole: verbessert werden könnte? Aber darüber wird nicht gesprochen. So wenig, wie über Ertrinkende als Folge politischen Kalküls in Griechenland und der Türkei, Österreichs Verhalten, die komplette Ignoranz der SPD angesichts der Krise, die längst eingetretene Überforderung der Menschen in Bayern, immer fragwürdigeren Lagern und den Siedlungen drumherum.
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