Woidke versucht es mit Erpressung

„Die oder ich“ – so lässt sich die Drohung von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zusammenfassen. Nur, wenn die SPD auf den ersten Platz kommt, will er im Amt bleiben, er wolle „nicht rumverhandeln“. Woidkes Ansage ist ein typisches Zeichen der Arroganz der Macht.

picture alliance/dpa | Michael Bahlo

Deutschland schaut in diesem Herbst auf den Osten: Bis zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ist es nur noch einen Monat hin. In Brandenburg werden die Bürger erst drei Wochen später an die Wahlurnen gerufen. So richtig angelaufen ist der Wahlkampf in der Mark denn auch noch nicht. Bisher beschäftigen sich die Medien eher mit einer Reihe an Nicht-Themen: zum Beispiel der Trunkenheitsfahrt des CDU-Spitzenkandidaten auf einem E-Scooter oder aktuell einem Wahlplakat der AfD in Frankfurt an der Oder, auf dem manche einen Hitlergruß entdeckt haben wollen.

Dabei gäbe es viel ernsthaftes zu bereden: Ähnlich wie in Sachsen und Thüringen stehen auch in Brandenburg tektonische Plattenverschiebungen an, allerdings mit leicht abgeschwächter Intensität. Bereits seit einem Jahr liegt die AfD zwischen Elbe und Oder in den Umfragen stabil auf Platz eins. Allerdings mussten die Blauen zuletzt Einbußen hinnehmen, wohl auch aufgrund des auch in Brandenburg spürbaren Aufschwungs für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Die aktuellste Umfrage vom 16. Juli weist für die AfD 24 Prozent aus, gefolgt von der SPD mit 19 Prozent, der CDU mit 18 Prozent, dem BSW mit 17 Prozent, den Grünen mit 7 Prozent und der Linken mit 5 Prozent. Die FDP kann sich mit 3 Prozent keine allzu großen Hoffnungen machen, in das Potsdamer Stadtschloss einzuziehen. Bei den Europawahlen im Mai fuhr die AfD sogar satte 27,5 Prozent ein, vor der CDU mit 18,4 Prozent und dem BSW mit 13,8 Prozent. Erst dann kam die SPD mit 13,1 Prozent.

Woidke will nicht „rumverhandeln“

Entsprechend angsterfüllt blickt man in den Parteizentralen von Christ- und Sozialdemokraten auf das, was da wohl kommen mag. Und vor diesem Hintergrund versucht nun auch der amtierende Ministerpräsident und SPD-Landeschef Dietmar Woidke, mit einer Ansage in den Wahlkampf zu intervenieren: Bei der Vorstellung der SPD-Wahlplakate ließ der 62-Jährige am Donnerstag in Potsdam wissen, er wolle nur als Regierungschef weitermachen, wenn seine Partei auf Platz 1 aus dem Rennen geht.

Eine Geste der Demut? Ein Politiker, der noch bereit ist zurückzutreten, wenn er eine Wahl verliert? Wohl kaum. Woidkes Einlassung war weniger ein Signal der Selbstrelativierung, sondern wirkt vielmehr wie ein Zeichen für die Arroganz der Macht bei einem Mann, der seit 1994 im Landtag sitzt, seit 2004 mit einer kurzen Unterbrechung dem Kabinett angehört und seit 2013 als Ministerpräsident amtiert.

Die Ankündigung führte er nämlich wie folgt aus: „Ich werde nicht mit irgendjemandem rumverhandeln, wenn ich auf dem zweiten oder dritten Platz gelandet bin.“ Und weiter: „Dann bin ich nicht mehr da – jedenfalls nicht in der Brandenburger Landespolitik.“ „Irgendjemand“ – das sind für Woidke die anderen. Er hingegen sieht sich als der große „Landesvater“, der sich eben nicht dazu herablässt, als Zweitplatzierter mit anderen „rumzuverhandeln“.

Merkels „Sie kennen mich!“

Die Basta-Ansage des SPD-Spitzenkandidaten ist ein recht offensichtlicher Versuch, die Brandenburger mittels Erpressung dazu zu bringen, ihr Kreuz doch noch ein letztes Mal bei der implodierenden SPD zu machen. Schließlich liegt Woidke bei den persönlichen Zufriedenheitswerten weit vor seinem Herausforderer Jan Redmann von der CDU – schon allein, weil ihn deutlich mehr Menschen kennen. Sein Signal: Wenn ihr mich wollt (und vor allem die AfD nicht wollt), müsst ihr auch SPD wählen.

Entsprechend schneidet die SPD ihren Wahlkampf ganz auf Woidke zu, der aktuell mit „Strohballenfesten“ durchs Land tourt. Auf einem Wahlplakat liest man: „Wer Woidke will, muss SPD wählen“. Auf einem anderen ist dann sogar nur noch Woidke abgebildet, ganz ohne das belastende Logo der Partei. „Die Menschen in Brandenburg kennen mich“, sagt der SPD-Spitzenkandidat. Es ist das inhaltsleere „Sie kennen mich!“, mit dem Angela Merkel 2013 gegen Peer Steinbrück gewann.

Ob das eine angemessene Art ist, Politik zu machen? Woidke sei die Lektüre des „Regierungsprogramms“ seiner Partei für die Landtagswahlen ans Herz gelegt. Dort gibt es ein eigenes Kapitel unter der Überschrift: „Es geht um Brandenburg“. Darin liest man: „Politik folgt niemals einem Selbstzweck, sondern muss den Menschen und dem Gemeinwohl dienen. Diesem Leitbild sind die Ministerpräsidenten der SPD immer gefolgt.“

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Kommentare ( 53 )

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1 Monat her

SPD Sozis und Nietzsche:

Der Sozialismus
— als die zu Ende gedachte Tyrannei der Geringsten und Dümmsten,
der Oberflächlichen, der Neidischen und der Dreiviertels-Schauspieler
— ist in der Tat die Schlussfolgerung der modernen Ideen und ihres latenten Anarchismus.
In der lauen Luft des demokratischen Wohlbefindens erschlafft das Vermögen, zu Schlüssen oder gar zum Schluss zu kommen.“

DDRforever
1 Monat her

Ich bin mir nicht sicher ob die Brandenburger Bürger das wirklich als Drohung auffassen. Denn es heisst ja auch wer den nicht will muss die anderen wählen.

Eberhard
1 Monat her

Es ist völlig egal, ob die Brandenburger die AfD wollen oder nicht wollen. Ministerpräsident wird jemand von der CDU oder SPD, denn beide wollen die AfD nicht. Da spielt es auch keine Rolle, wer der Wahlgewinner. Denn für einen Platz an der Krippe werden auch ideologischen Hürden zur Mehrheitsbeschaffung überwunden. Die Ampel beweist das doch. Die alte Politik wird also fortgesetzt. Damit ist eigentlich die Wahl und ihr Ausgang schon überflüssig.

Fieselschweif
1 Monat her

„Ich werde nicht herumverhandeln“. Daran erkennt man sie, die echten, wahren und einzig wirklichen Demokraten auf diesem Planeten…

RauerMan
1 Monat her

Die AfD ist in allen mitteldeutschen Ländern stärkste Kraft.
Demokratieverweigerer versuchen nun als letztes, mit allen Mitteln den Wählerwillen noch umzubiegen.
Darauf sollte die Wählerschaft nicht hereinfallen.
Sie haben die Möglichkeit einen Demokratiewechsel der wieder Aufschwung für Land und Leute bringt, herbeizuführen.
Wenn das nicht gelingt, dann weiter so und weitere Talfahrt.

Jens Frisch
1 Monat her

Scheinbar kennt Herr Woidke das Loriot Zitat nicht:
„Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Jens Frisch

Der diffamierte Höcke erklärte neulich, sowohl Wahlkampfhilfen für Parteien wie auch Parteienfinanzierung untersuchen zu lassen – käme die AfD in Position, das durchzusetzen.
Was die Tragbarkeit solcher um vieles verträglicher machte.

Winni
1 Monat her

Laut der Umfrage kommen die linken Parteien zusammen auf 48% und auf der Reservebank sitzt die CDU mit weiteren 18%. Wie relevant ist es dann noch, ob Woidke oder ein anderer Linker die Regierung anführt? Es bleibt eh alles beim alten und die große Mehrheit will es offensichtlich so.

jopa
1 Monat her
Antworten an  Winni

Nationale Front, mit ca 76%.Da ist es doch total egal, wer den MP stellt. Die Politik wird immer dieselbe sein.

taliscas
1 Monat her

Grotesk. Unter Merkels Spruch von 2013 müsste man heute ein „eben deshalb AfD“
kleben. Aus Respekt für das deutsche Volk.

Sonny
1 Monat her

Leider habe ich keine Stimme im Osten. Aber die braucht es wohl auch garnicht. Die Menschen im Osten sind mehrheitlich viel klüger als im Westen. Ihnen gehört meine gesamte Sympathie.
Also liebe Freunde: Ich bin stolz auf Euch. Blau ist eine super Farbe gegenüber dem zusammengemixten braun der Altparteien.

Norbert Gerth
1 Monat her
Antworten an  Sonny

leider immer nur einmal Daumen hoch hier möglich..

Ulric Viebahn
1 Monat her

Danke, Herr Serafin für den luziden Artikel mit den erheiternden Details: „Strohballenfeste“ , „ganz ohne das belastende Logo der Partei“ und das inhaltsleere „Die Menschen in Brandenburg kennen mich“.
Und noch: „…Aufschwung für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)“ Dieses Projekt ist derart voller Widersprüche, daß es mich nicht mehr überraschen würde, wenn die bedrohten Parteien dahintersteckten.