Die Wiederholungswahl bundesweit wäre der Ampel-GAU gewesen

SPD und FDP verloren deutlich, CDU und AfD gewannen vergleichbar, Grüne und Linke konnten ihre Ergebnisse gut behaupten. Wäre am letzten Sonntag in ganz Berlin gewählt worden, dann wäre das Ergebnis nicht identisch mit dem der 455 Stimmbezirke gewesen, aber diesem mit Sicherheit sehr ähnlich.

IMAGO / Bildgehege

In Berlin musste am 11. Februar 2024 in 455 von 2.256 Stimmbezirken die Bundestagswahl vom 26. September 2021 wiederholt werden, weil es damals zu gravierenden Verstößen gegen die Wahlordnung gekommen war. Das Wahlergebnis der Wiederholungswahl ermöglichte den Medien, je nach politischer Neigung, zwei ziemlich unterschiedliche, wenn auch nicht falsche Darstellungen. Wer nur die Auswirkungen der Wiederholungswahl auf das nun endgültige Berliner Bundestagswahlergebnis berichtete, konnte mitteilen, dass nicht viel passiert war:

  • die SPD hatte 1,2 Prozentpunkte verloren,
  • die Grünen hatten nur 0,4 Prozentpunkte verloren,
  • die FDP verlor 1,0 Prozentpunkte,
  • die CDU verbesserte ihr schwaches Ergebnis von 2021 um 1,3 Prozentpunkte,
  • die AfD gewann 1,0 Prozentpunkte,
  • die Linke verbesserte sich um 0,1 Prozentpunkte.

Am Montagmorgen nach der Wiederholungswahl waren das auch die Informationen der Nachrichten im Deutschlandfunk und noch abends die der Tagesschau der ARD.

Ergebnisse der Wiederholungswahl

Wer dagegen die Ergebnisse der Wiederholungswahl in den 455 Wahlbezirken betrachtete, für den sah die Welt ziemlich anders aus:

• die SPD verlor deutlich und kam nur noch auf 14,6 Prozent (- 7,8 Prozentpunkte),
• die Grünen verbesserten sich leicht auf 27,6 Prozent (+ 0,4 Prozentpunkte),
• die FDP verlor dramatisch und kam nur noch auf 3,3 Prozent (- 5,8 Prozentpunkte),
• die CDU gewann deutlich auf 20,6 Prozent (+ 6,9 Prozentpunkte),
• die AfD gewann ebenfalls deutlich und kam auf 12,6 Prozent (+ 5,6 Prozentpunkte),
• die Linke verbesserte sich leicht auf ebenfalls 12,6 Prozent (+ 0,7 Prozentpunkte).

Noch deutlicher werden die Veränderungen, wenn man Gewinne und Verluste auf die jeweilige Ausgangsstärke der Parteien bezieht. Die SPD verliert dann 35 Prozent, die FDP sogar 64 Prozent ihrer Wähler, während die CDU um 50 Prozent und die AfD um 80 Prozent zulegen.

Über die Gründe für die starken Veränderungen lässt sich trefflich spekulieren. Zu vieles ist seit der letzten Bundestagswahl geschehen: Der russische Krieg gegen die Ukraine, die damit verbundenen militärischen und finanziellen Hilfen, die vielen Flüchtlinge aus der Ukraine, die Kontroversen um Corona und die Impfaktionen, die Sorge um Energiesicherheit, die Inflation und der nicht enden wollende Migrationsdruck beschreiben nur einen Teil der Eindrücke auf die Wähler. Dass die zunehmende Kritik an der Politik und dem Führungsstil der Ampelregierung SPD und FDP schadet, während sie CDU und AfD nützt, ist sicher nicht zu spekulativ und entspricht den Ergebnissen der Meinungsforschung.

Grüne scheinen von der Kritik an der Ampelkoalition nicht berührt zu werden, ebenso wie die Linke nicht unter der Abspaltung der Wagenknecht-Gruppe leidet. Beide Parteien profitieren von der in Berlin für sie strukturell besonders günstigen Situation.

Die Auswirkung der Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung der Wiederholungswahl betrug nur 51 Prozent, wodurch sich die Wahlbeteiligung in ganz Berlin um 5,7 Prozentpunkte auf 69,5 Prozent verringerte. In den Tagen vor der Wiederholungswahl war in den Berliner Medien ausführlich berichtet worden, dass die Wahl, wie immer sie ausgehen mag, zu keinen gravierenden Veränderungen in Berlin insgesamt und damit auch nicht auf der Bundesebene führen könne. Gemessen daran war die Wahlbeteiligung dann durchaus respektabel.

Allerdings führt die geringe Wahlbeteiligung dazu, dass die Grünen trotz der Zugewinne bei der Wiederholungswahl, in Berlin insgesamt leichte Verluste (- 0,4 Prozentpunkte) haben und die Gewinne der Linke im Gesamtergebnis (+ 0,1 Prozentpunkte) kaum sichtbar sind. Die niedrige Wahlbeteiligung führt in Kombination mit den Wahlergebnissen von SPD, Grüne, FDP und Linke zum Verlust jeweils eines Berliner Listenmandats dieser Parteien. Während diese Verluste für SPD, Grüne und Linke durch Listenmandate aus anderen Bundesländern ausgeglichen werden, entfällt das Mandat der FDP ersatzlos, wodurch es im Bundestag nur noch 735 Abgeordnete gibt.

Ist das Ergebnis der Wiederholungswahl über Berlin hinaus bedeutsam?

Zunächst stellt sich die Frage, welche Bedeutung das Ergebnis der Wiederholungswahl für ganz Berlin hat. Die 455 Stimmbezirke, in denen die Wiederholungswahl stattfand, sind über ganz Berlin verteilt, ohne eine repräsentative Auswahl zu sein. Aber ganz unabhängig davon, wie viele Stimmbezirke sich (zufällig) in einem der 12 Wahlkreise befinden, zeigt sich überall das selbe Muster: SPD und FDP verloren deutlich, CDU und AfD gewannen vergleichbar hinzu, während Grüne und Linke ihre Ergebnisse gut behaupten konnten. Wäre am letzten Sonntag in ganz Berlin gewählt worden, dann wäre das Ergebnis natürlich nicht identisch mit dem der 455 Stimmbezirke gewesen, aber diesem mit Sicherheit sehr, sehr ähnlich.

Ein Wahlergebnis beschreibt die Stimmung im Lande immer besser als Umfrageergebnisse. Dass sich aber die Ergebnisse der Wiederholungswahl nicht auf Deutschland insgesamt übertragen lassen, liegt auf der Hand. Die Signale aus Berlin sind für SPD, FDP, CDU und AfD dennoch mehr als deutlich und entsprechen den bekannten Umfrageergebnissen. Grüne und Linke würden sich aber außerhalb ihrer Berliner Hochburgen kaum so stark behaupten können wie in der Wiederholungswahl.

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Kommentare ( 34 )

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Berliner13086
9 Monate her

Ich sage mal so, da die Wahl mitunter auch in Pankow stattfand – wo auch der Prenzlauer Berg liegt und dies eine Grünen Hochburg ist, wäre die Wahl in den Randbezirken deutlich mehr zu Gunsten der CDU/AfD ausgegangen.

Spyderco
9 Monate her

Das Zitat ,,Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten.“stammt von Kurt Tucholsky.

Allerdings konnte mir noch niemand die Frage beantworten, was die Alternative zu Wahlen ist und in welchem modernen Staat diese erfolgreich praktiziert wird.

Gert Friederichs
9 Monate her

Genau auf diese Quintessenz habe ich noch gewartet!
In der GrünRoten Hochburg Berlin,wo gemäß Benedikt Lux alle Schaltstellen bestens Grün besetzt worden sind!
Es bleibt ihnen einfach nichts anders übrig, als dieses strunzdumme. rechtsextrem versiffte Wahlvolk gegen ein besseres auszutauschen! Viel Spaß dabei!

Anti-Merkel
9 Monate her

Das Problem ist, dass sich auch mit ähnlichen Ergebnissen bundesweit nichts ändern würde. Möglicherweise würde es sogar schlimmer. Die Grün*innen – klar die schlimmsten Teilnehmer der Ampel – können ihr Ergebnis halten, abgestraft werden (natürlich auch zurecht) FDP und SPD. Das Ergebnis einer bundesweiten Neuwahl wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Schwarz-Grün, oder, falls das Ergebnis das nicht hergibt, Schwarz-Grün-Rot. Baerbock und Habeck würden Minister bleiben (evtl. das Resort wechseln), bei Schwarz-Grün-Rot würde wahrscheinlich auch Lauterbach bleiben, damit wären die 3 grössten Fehler unverändert. Scholz, der zwar gigantische Probleme hat, aber im Vergleich zu seinen Ministern eine weniger schlechte Arbeit… Mehr

Renegade1
9 Monate her

Aber, wenn man nicht wählen geht, wird alles noch viel schlimmer.
Die vielen Nichtwähler hätten bei der letzten BTW die Ampel verhindern können, heute sind es die Leute, die am meisten schimpfen.
Also, ich bin der Meinung, Nichtwählen ist auch keine Lösung.

Johann P.
9 Monate her

Manchmal, aber sehr selten, kommen aus Berlin doch noch gute Nachrichten! Die Realität schlägt auf Dauer eben doch sämtliche Umfragen und Prognosen bezüglich der Hampel-Koalition um Längen…

Alf
9 Monate her

Die Wiederholungswahl bundesweit wäre der Ampel-GAU gewesen.
Stimmt.
Ich habe von Anfang an gefordert, die Bundestagswahl bundesweit und nicht nur in Berlin zu wiederholen.
Eine Teilwiederholung nach 2 Jahren macht keinen Sinn, zumal das Ergebnis im Rest der Republik den Nachwählern in Berlin bekannt ist.
Zudem ist eine Teilwiederholung keine Sanktion für diesen beispiellosen Anschlag auf unser System.

Lars Baecker
9 Monate her

Nun ja, die „Wiederholungswahl“ kommt ja im nächsten Jahr. Mal sehen, was sich Nancy, Olaf, Correctiv, Haldenwang und andere hochrangige Demokraten nebst medialen Speichelleckern noch so alles einfallen lassen, um den politischen Gegner auszuschalten. Bisher waren die Schüsse ja eher Rohrkrepierer…

Dietmar Simons
9 Monate her

Würde gerne mal die Stimmenverteilung nur der Briefwähler sehen…
Egal was passiert, die Ökoszozialisten bleiben stark oder gewinnen hinzu, da stimmt was nicht.

Anti-Merkel
9 Monate her
Antworten an  Dietmar Simons

Ich tippe bei den Briefwählern auf ca. 120% Grün*innen und -20% AfD.

Protestwaehler
9 Monate her

…wenn der AfD selbst solche Kampagnenexzesse wie das der „Wannenseekonferenz 2.0“ nicht schaden, was will man da eigentlich noch zu den EU und Landtagswahlen im Osten auspacken hahaha…

Gert Friederichs
9 Monate her
Antworten an  Protestwaehler

Abwarten! Die Machthabenden haben bestimmt noch ein paar Asse im Ärmel. Ich traue denen ALLES zu, Rechtmäßiges ausdrücklich ausgeschlossen! Oder mit dem Mäntelchen des Rechts gegen Rechts ausgestattet.