Von der Profession mit dem Drang zur Wahrheitsfindung, dem Anspruch, den Dingen auf den Grund zu gehen, zu informieren, mutiert Journalimus zum bloßen Erzieher der breiten Masse.
Nicht erst seit der vergangenen Illner-Sendung fällt auf: Der deutsche Journalismus ist in vielen Teilen kaum noch mehr als ein Rassismus-Präventions-Programm. Dabei hat der deutsche Journalist seinen Beruf mit den Jahren völlig neu definiert. Von einem Menschen mit unverwechselbarem Drang zur Wahrheitsfindung, dem Anspruch, den Dingen auf den Grund zu gehen, zu informieren, hin zum bloßen Erzieher der breiten Masse, der stets im Hinterkopf hat, wie ihm jenes und welches Wort ausgelegt werden könnte und ob man das und jenes wirklich sagen darf.
Als Maß aller Dinge gilt nicht mehr die Suche nach der Wahrheit und die Verantwortung, über relevante Dinge zu berichten, sondern einzig die Frage nach der eventuellen Gefahr, rechte Ressentiments zu schüren. Sie ist es, die wie ein Damokles-Schwert über allem schwebt. Hieran richtet er seine Arbeit aus. Seinen Mut hat er dabei vollkommen verloren. Statt zu wagen, Risiken einzugehen, verwaltet er sich und seine eigene kleine geschaffene Welt nur noch selbst. In seinem Automatismus reagiert er nur noch auf bestimmte Reize. Investigativ ist da schon lange nichts mehr. Dass man genau damit den Großteil des Misstrauens in die Presse und damit einhergehend auch Ressentiments erst geschürt hat, will man bis heute größtenteils jedoch immer noch nicht einsehen.
Betreuendes Berichten schürt Misstrauen
Ich erinnere mich noch gut, als man sich nach vier Tagen endlich dazu durchringen konnte, auch in den großen Leitmedien über die Vorfälle von Köln und anderen Städten zu berichten. An die legendäre Tageschau, die unmittelbar nach dem Bericht über Köln sofort jemanden abstellte, um das, was der Bürger gerade an Information bekommen hatte, für selbigen sachgerecht einzuordnen. Ich denke an die Vorwürfe, die man sich gegenseitig bis heute in Politik und Medien vor die Füße wirft, sobald es doch noch einmal jemand wagt, etwas Kritisches zu sagen.
Was dabei immer wieder auffällt, ist, dass wir uns an einem Punkt befinden, an dem es vollkommen egal zu sein scheint, ob derjenige etwas Richtiges gesagt hat, oder nicht. Läuft er damit Gefahr, rechte Ressentiments zu schüren, ist er entweder dumm und wird seiner Verantwortung nicht gerecht oder gar selbst ein Rechtspopulist. Ob es wahr ist, was er gesagt hat, ist überhaupt nicht mehr relevant. Wahrheit wird in diesem Fall zur Unwahrheit und darf nicht gesagt werden.
Dabei erzieht der Journalismus nicht nur permanent seine Adressaten, sondern schlussendlich auch sich selbst in einem stetigen Prozess, der die Dinge, die noch gesagt werden dürfen, Stück für Stück immer weiter eingrenzt. So lange, bis sich eigentlich niemand mehr traut, überhaupt noch irgendetwas Kritisches zu schreiben. Denn prinzipiell kann ja alles das Risiko bergen, Rechten in die Hände zu spielen, was irgendwie mit Ausländern/Flüchtlingen(Asylbewerbern)/Migranten/Menschen mit Migrationshintergrund zu tun hat und auf eine Kritik an der Integration, des Islams oder der Asylpolitik abzielt.
Die überbordende Haftbarmachung des Journalisten nicht zwingend für das, was er schreibt, sondern für alles und jeden, der seine Texte für seine Zwecke nutzt, nimmt ihn dabei nicht selten vollkommen in Geiselhaft und limitiert ihn in seinen Möglichkeiten, Dinge auszusprechen. So ist es nicht verwunderlich, dass ich von Kollegen meiner Zunft darauf hingewiesen werde, wenn etwa Erika Steinbach oder Ortsgruppen der AfD meine Texte teilen. Als müsse ich meine Texte und deren Aussage deshalb zurücknehmen, weil irgendjemand, der in den Augen anderer politisch unwürdig erscheint, diesen Text teilt.
Beifall der Falschen als Waffe gegen Richtiges
Ja sicherlich würde ich selbstkritisch werden, wenn rechte Gruppierungen zu Hauf zu Fans von mir avancieren würden, natürlich prüfe ich meine Texte aber auch vollkommen unabhängig davon schon im Vorfeld. Und es tut mir leid, aber Erika Steinbach, der AfD und anderen zu verbieten, meine Texte zu teilen, oder in der Konsequenz einfach irgendetwas anderes zu schreiben, was ich zwar nicht richtig finde, was dies aber eventuell vermeiden würde – dafür bin ich zu liberal und nehme meinen Job auch zu ernst.
Dennoch spielt es am Ende nur allzu oft keine Rolle, ob etwas tatsächlich so passiert ist, oder ob dies negative Konsequenzen für uns alle haben könnte. Wenn Asylbewerber schon wieder übergriffig gegenüber jungen Mädchen in Schwimmbädern geworden sind, dann kann man an einigen wenigen Stellen vielleicht noch darüber berichten, aber während man bei der Prävention von Rassismus gar nicht genug davon bekommen kann, Sachverhalte „richtig“ einzuordnen, scheut man sich hier vor einer sachkundigen Einschätzung. Davor, zu sagen: „Das hat auch mit dem Islam zu tun.“
Denn die unweigerliche Konsequenz daraus wäre, zu fragen, ob wir das mit der Integration all dieser Menschen aus einer so anderen Kultur überhaupt schaffen können und zu welchem Preis. Diese Frage will man nicht aufwerfen. Sie ist gefährlich. Denn ihre Antwort könnte nein lauten. Und damit ist nach Auffassung der Medien und Politik in Zeiten, in denen sowieso alles alternativlos sein soll, ja auch niemandem geholfen.
Das Problem ist, dass die Menschen ja trotzdem merken, wenn die Dinge schief laufen. Jeder hat ein Leben, bewegt sich draußen und macht Erfahrungen. Nicht wenige dieser Erfahrungen höre ich seit Monaten in Dauerschleife sowohl von Freunden als auch Lesern. Und selbstverständlich muss man darauf achten, wer einem etwas erzählt und nicht alles für bare Münze nehmen. Aber es ist eine Diskrepanz entstanden, zwischen dem, was die Leute in ihrem Alltag erfahren und dem, was davon an die Öffentlichkeit dringt. Und nein, hierbei geht es keinesfalls nur um zu vernachlässigende Kleinigkeiten.
Was passiert, wenn sich die Presse dem Diktat der Rassismusprävention unterordnet und in wesentlichen Themen, die die Menschen bewegen, stumm bleibt, sehen wir. Weder Politik noch Medien traut man noch einen Meter über den Weg. Und gerade da, wo die Information fehlt, ist Raum für breite Spekulation. Der Nährboden für die Ressentiments, die man so emsig zu verhindern suchte.
Dabei geht es nicht darum, im Umkehrschluss ab sofort extra viel zu berichten, um am Ende doch nur das gleiche Ziel, die Rassismusprävention, zu verfolgen Es geht nicht um Quantität und nicht um Erbsenzählerei. Es geht darum, einfach mal wieder Journalismus zu betreiben. Sich mal nicht feige wegzuducken, sondern den Mut zu haben, Dinge auszusprechen, Gegenwind einzustecken und nicht alles nur noch nach einem einzigen Maßstab auszurichten. Zweifelsohne muss sich Journalismus an gewisse Standards halten. Nicht umsonst gibt es einen Pressekodex. Der regulative Rahmen, indem er sich bewegt darf jedoch nicht von einem Faktor dominiert werden, dem sich am Ende alles andere unterzuordnen hat. Der am Ende nicht nur dafür sorgt, dass wichtige Informationen in angemessene Sprache und die nötige Rationalität verpackt, sondern im schlimmsten Fall verfälscht oder gar nicht erst erwähnt werden. Ja, es ist eine Ermessensfrage, was relevant ist und was nicht und nein, man muss nicht jedes von Asylbewerbern begangene Verbrechen medial erwähnen, aber genauso wie dieser Kompass bei einigen aus dem rechten oder verschwörerischen Lager gestört ist, ist er allmählich auch bei vielen Vertretern der Presse gestört. Was nicht relevant ist, muss nicht berichtet werden. Was aber, wenn Relevanz keine große Rolle mehr spielt? Wenn die Angst vor der political incorrectness so groß ist, dass sie alles andere aussticht?
Diktat der Rassismusprävention
Natürlich ist das praktisch. Vor allem auch, wenn man den Maßstab an andere anlegt. Wer den Trumpf des Vorwurfs der political incorrectness oder gar des Schürens von rechtem Hass ausspielen kann, der muss sich mit den wirklich getroffenen Aussagen nicht beschäftigen. Der Inhalt, die eigentliche Aussage von etwas ist durch Anti-Rassismus-Reflex, der egal ob angebracht oder unangebracht, alles andere ausblendet, zu einer vernachlässigenden Größe geworden. Letztlich ist es aber genau dieses Verhalten, welches dafür gesorgt hat, dass man sich mittlerweile gegenseitig zensiert und in Sachen political correctness immer weiter steigert. Infolgedessen ist der Korridor, in dem man sich moralisch einwandfrei bewegen kann, in den vergangenen Jahren und besonders seit der Flüchtlingskrise immer schmaler geworden.
Das alles ist auf das grundsätzliche Problem zurückzuführen, dass der Mensch denkt, er könne alles planen und er müsse es auch. Dass er jede Konsequenz bis hin zu dem Risiko der „falschen“ Leser abschätzen kann. „Blackbox“ nennt man das in der Systemtheorie, wenn das eine System die Reaktion des anderen Systems aus vorangegangenen Erfahrungen abzuschätzen bzw. sogar zu simulieren versucht. Jedoch muss der Versuch, immer zu jeder Zeit abschätzen zu wollen, wie das Publikum reagiert, zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sein. In einer komplexen, modernen Gesellschaft ist es unmöglich, in Gänze zu ermessen, wie jeder innerhalb dieser Gesellschaft auf etwas reagiert und es ist unsinnig aus dieser Annahme die einzige Maxime für das eigene Handeln abzuleiten. Das Ergebnis, sich dennoch über dieses eigene Unvermögen hinwegsetzen zu wollen, sehen wir jetzt. Im Bestreben, Dinge kalkulieren, Reaktionen sogar planen zu wollen, hat man am Ende genau das hervorgerufen, was man verhindern wollte: Misstrauen und Ressentiments.
Mit Journalismus hat das nichts mehr zu tun.
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