Welches linke Land? – Dieses.

Die CDU hat in der Amtszeit Merkels nach und nach ihre konservativen Positionen über Bord geworfen.

© Sean Gallup/Getty Images

Alexander Dobrindt forderte jüngst in der Welt eine neue bürgerliche Revolution. 50 Jahre nach 1968 sei es an der Zeit, den gesellschaftlichen Linksruck umzukehren und vermehrt auf konservative Ideale zu setzen. Überspitzt schrieb er: „Deutschland ist nicht der Prenzlauer Berg, aber der Prenzlauer Berg bestimmt die öffentliche Debatte.“ Studentenführer Rudi Dutschke hatte damals einen „Marsch durch die Institutionen“ gefordert, der in den folgenden Jahren auch tatsächlich erfolgte.

Solche Thesen stoßen nicht nur auf Beifall. Christian Bangel, Chef vom Dienst bei der Zeit, bezeichnete Dobrindts Aussagen als „Quatsch“. Deutschland sei kein linkes Land. Er habe dies als Ostdeutscher hautnah erfahren. In den 90er Jahren habe es verstärkte rechtsextreme Gewalt gegeben. Das stimmt natürlich, aber zielt am Kern des Problems vorbei. Denn Dobrindt beklagte nicht, dass die Deutschen als Volk, sondern Deutschland als Staat, also die wichtigen politischen, medialen, kulturellen und wissenschaftlichen Eliten linkslastig seien. Und eben dies bestätigt sich nicht trotz, sondern gerade wegen rechtsextremer Gewalt.

„populistisch“ und „konservativ“
Medien und falsche Vergleiche
Denn diese stößt bei der politischen Klasse, in den Mainstreammedien, unter Künstlern und Musikern, unter Kirchenvertretern und Gewerkschaftlern keinesfalls auf Verständnis, sondern auf einhellige Ablehnung. Außerdem lässt sich feststellen, dass rechtsextreme Gewalt glücklicherweise im Rückgang begriffen ist. Von 1990-99 gab es 109 Todesopfer, von 2000-09 67 Todesopfer, seit 2010 8 Todesopfer. Trotz einer oft feindseligen Stimmung gab es in der jüngeren Vergangenheit keine tödliche Gewalt gegen Flüchtlinge.

In den 90er Jahren habe die Regionalpresse auch von „bulgarischen Diebesbanden“ geschrieben. Könnte das an rassistischen Vorurteilen liegen, oder daran, dass es diese Diebesbanden tatsächlich gab und immer noch gibt? Täter aus Bulgarien und Rumänien belegen in der deutschen Kriminalitätsstatistik tatsächlich die vorderen Ränge. Und auch Die Zeit selbst berichtete in den vergangenen Jahren mehrfach über Chaos und Kriminalität in von Roma bewohnten Immobilien.

Laut Zeit sei die AfD eine Partei, „deren Thesen es schon bis weit in die Mitte geschafft haben.“  Wirklich? Die Thesen Gaulands über Wehrmachtssoldaten, Höckes über das Holocaustmahnmal und Maiers über „Halbneger“ stoßen bei der Mehrheit der Bevölkerung nicht auf Zustimmung – zu rechts sind sie.

Wahr ist hingegen: Vieles von dem, was heute als rechtsextrem gilt, war noch vor nicht allzulanger Zeit in der Mitte der Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit.

„Manche unserer Gegner können es sich nicht verkneifen, uns in der Zuwanderungsdiskussion in die rechtsextreme Ecke zu rücken, nur weil wir im Zusammenhang mit der Zuwanderung auf die Gefahr von Parallelgesellschaften aufmerksam machen. Das, liebe Freunde, ist der Gipfel der Verlogenheit, und eine solche Scheinheiligkeit wird vor den Menschen wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen. Deshalb werden wir auch weiter eine geregelte Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung fordern.“

So argumentierte Angela Merkel noch 2003 auf dem CDU-Parteitag. Bekanntermaßen hat sich ihre Position in den letzten 15 Jahren stark gewandelt.

Eine kritische Position zur Einwanderung muss nicht rassistisch sein. Die Befürchtung, mit den Flüchtlingen kämen auch potentielle Terroristen ins Land, wurde stets in die rechte Ecke verwiesen – erwies sich aber auf dem Breitscheidplatz als zutreffend. Laut einer Studie stieg die Gewaltkriminalität in Niedersachen im Zuge der Flüchtlingskrise um 10.4% – und dieser Anstieg war zu 92% auf Flüchtlinge selbst zurückzuführen. Über zwei Jahre lang verbreitete die deutsche Medienlandschaft jedoch das Bild, Flüchtlinge seien nicht krimineller als Deutsche.

Bangel kritisiert, dass Dobrindt behauptet, die wichtigsten Eliten seien links dominiert und fügt suggestiv hinzu: „Wie weit ist das noch von Autokraten wie Kaczyński in Polen und Orbán in Ungarn entfernt, die ja letztlich auch nichts anderes tun, als Linke aus Schlüsselpositionen zu entfernen?“

Statt mit Argumenten hantiert er mit einer Unterstellung und bezichtigt den politischen Gegner, die Demokratie aushöhlen zu wollen. Die Frage, ob Dobrindts Aussage zutrifft oder nicht, wird so geschickt umschifft. Ist das so viel anders als das Verhalten der Trump-Regierung, die statt der Realität lieber „alternative Fakten“ zur Kenntnis nimmt?

Ganz so falsch sind Dobrindts Aussagen nicht. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2010 standen 42% aller Journalisten, die eine Parteipräferenz angaben, den Grünen nahe, 24% der SPD, CDU und FDP zusammen kamen gerade einmal auf 26%. Antirassismusprogramme, die auch vom Familienministerium finanziert werden, haben oft einen linksextremen Hintergrund. Und es gibt kein explizit rechtes Studienfach, das staatliche Fördergelder erhält – sehr wohl aber die Gender Studies.

Die CDU hat in der Amtszeit Merkels nach und nach ihre konservativen Positionen über Bord geworfen. Seien es die Themen Partriotismus, Einwanderung, Homoehe, Wehrpflicht, Kernkraft, Elektroautos und wohl bald auch Frauenquote und Einheitsschule.

Das linke Ideal der Gleichheit aller Menschen ist zum Konsens in der politischen Debatte geworden – auch wenn es glänzend durch die Erkenntnisse der evolutionären Psychologie widerlegt ist. Frauen und Männer sollen einander angeglichen werden – haben aber nach wie vor unterschiedliche Berufspräferenzen.

Arbeiterkinder machen nicht so oft das Abitur wie Kinder aus Akademikerhaushalten. Um diesem Ziel dennoch nahezukommen, setzt die Bildungspolitik aber nicht auf stärkere Fördermaßnahmen, sondern will die Ansprüche generell absenken. Mit jedem Jahr absolvieren mehr Schüler das Abitur, das infolgedessen an Aussagekraft verliert. Der Bildungsstandort in Deutschland gerät zunehmend in Gefahr.

Kampfbegriff schadet der politischen Kultur
Abschied vom Populismus
Wie links Deutschland geworden ist, zeigte sich am deutlichsten während der Sarrazin-Debatte 2010. Der SPD-Politiker hatte es gewagt, in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ zu behaupten, dass Intelligenz genetisch bedingt ist (jüngst konnte die Wissenschaft sogar einzelne Intelligenzgene identifizieren) und gefordert, dass Deutschland in der Einwanderungspolitik mehr auf Qualität statt auf Quantität setzen müsse. Sarrazin war also durchaus der Meinung, dass Ausländer Deutschen die Jobs wegnehmen sollten – sofern sie denn besser qualifiziert sind.

Ein Sturm der Empörung brach los. Merkel bezeichnete das Buch als „nicht hilfreich“ und gab offen zu, es gar nicht erst gelesen zu haben. Bundespräsident Christian Wulff positionierte sich ebenfalls dagegen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung galt in der Debatte nicht mehr.

Wenige Wochen später verkündete Wulff, dass der Islam zu Deutschland gehöre. In den Folgejahren gewannen die konservativen Islamverbände an politischem Gewicht hinzu. Wulff selbst wird vielleicht ermessen haben, was er Sarrazin antat, als er ihn aus dem Amt drängte – musste er knapp 1.5 Jahre später selbst zurücktreten, weil er es mit der Wahrheit nicht so genau genommen hatte.

Bei der Zeit spricht von einem „Charaktertest“ für die CDU. Sei sie wirklich prinzipientreu oder werde sie schon in wenigen Jahren eine Koalition mit der AfD schmieden? Er sei daran erinnert, dass die heutige AfD sich kaum von der CDU unter Helmut Kohl unterscheidet – und dessen Regierungszeit ist in den Geschichtsbüchern nicht als 4. Reich verzeichnet.


Lukas Mihr

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Kommentare ( 67 )

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Alexandra Klabuter
6 Jahre her

Wie sozialistisch (links) D geworden ist, erkennen wir Deutschen oft schon gar nicht mehr. Wir (ich) bekomme das oft nur mit, wenn meine ausländischen Kollegen (und ich habe davon sehr viele) wieder einmal über die Zustände in D lachen und den Kopf schütteln. Diese ganze Gleichmacherei, das Verteilen des Geldes anderer Leute, Bürokratiewahnsinn, Gängelung der Firmen, schlechtreden von Technik, schlechte Schulbildung (Einheitsschulen, jeder „kann“ alles), Staatskontrolle und Regeln für alles und jeden, Gesinnungsdiktatur, Zensur, De-fakto-Verbot unerwünschter Publikationen, Massenimmgration, no-borders, usw… Kurz: das geht doch sehr stark in Richtung DDR 2.0 Dobrind hat recht. Und Deutschland schaut zu, wie der linke… Mehr

Jens Frisch
6 Jahre her

„Es kommt halt darauf an wer wann wo gegen wen.“
Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen.
Hir ein tweet von Julia Schramm,
ein Kahane-Spitzel von der AA-Stiftung:
„Sauerkraut, Kartoffelbrei,
Bomber Harris Feuer frei.“
So eine „Dame“ will „hate speech“ beurteilen dürfen?!

Wolfgang Schuckmann
6 Jahre her

Noch scheint es unseren Schutzherren nicht zu viel geworden zu sein mit „links“. Schließlich wachen die schon noch fürsorglich über uns. Das beruhigt mich ungemein.Und sollten die „Deutschen“ jemals nochmals einen „falschen“ Ausfallschritt beim Tanzen machen, dann gibt es für Friedensvertragsverweigerer noch jede Menge an „Mittelchen“um die „Krankheit“ zu „heilen, wenn man versteht was ich meine.

Berggrün
6 Jahre her

@ Susi, Becker hatte in einem Beitrag für ein Magazin geschrieben, Berlin sei eine „sehr weiße“ Stadt – im Gegensatz etwa zu London, Miami oder Paris (was, das Straßenbild betreffend, stimmt, solange man Türken und Araber bei den „Weißen“ mit einschließt) und damit seine persönlichen Erfahrung eines Fremdheitgefühls begründet, weil er sich offenbar primär als Farbiger und nicht als Deutscher begreift. Auch werde er öfter von der Polizei kontrolliert als ein Weißer.

Susi Sorgenvoll
6 Jahre her
Antworten an  Berggrün

Danke für die Aufklärung. Herr Becker, der ja seine Kindheit und Jugend in den USA verbracht hat, scheint von „Black Lives Matter“ inspiriert zu sein. Auf meiner längeren Reise in Indien Ende der 90er Jahre, haben mich auch alle um mich rum ständig angesehen, manche auch angefasst oder sogar beschimpft. Scheint ein „braunes“ Land zu sein…? Habe es überlebt, war froh, wieder in meiner gewohnten Umgebung zu sein, und gut war’s.

Bernhard B
6 Jahre her

Wer ist bankrott gegangen die sozialistische DDR oder die BRD mit Ihrer sozialen Marktwirtschaft? Heute könnte man vielfach glauben es wäre umgekehrt gewesen. Merkel ist die Tochter von Eltern die aus der BRD in „ihr gelobtes Land“ DDR übersiedelten. Von diesen Eltern wurde Angela Merkel erzogen. Im Sozialistischen System ist sie ausgebildet und hatte Vergünstigungen von denen nicht Parteigertreue nur träumen konnten. Angela Merkel hat einmal gesagt als es darum ging wie es mit der DDR weiter gehen soll: man musse eine neue Form des Sozialismus entwickeln (Besprechung / Aussage aus Ihrem Munde im Internet abrufbar als Beweis der Richtigkeit)… Mehr

Peter Arlau
6 Jahre her
Antworten an  Bernhard B

Es ist das passiert, was man in der Wirtschaft nach einer Übernahme eines Unternehmens wohl einen „Reverse Takeover“ nennt.
Der kleinere, wirtschaftlich Schwächere hat so lange um sein Überleben kämpfen müssen, daß der Erfindungsreichtum und die Improvisationskunst seiner Protagonisten die Vitalität der Protagonisten des Übernehmenden übersteigt.
In der Konsequenz beherrscht die „Elite“ des Übernommenen die Führungsebene des neuen Ganzen.
Improvisation ist wohl in der Politik als Pragmatismus zu bezeichnen.

Frank Stefan
6 Jahre her
Antworten an  Bernhard B

Also hat sich demnach Merkel schon sehr frühzeitig als Sozialistin geoutet. Wie konnte dann in einer „kapitalistischen“ BRD und ausgerechnet in der CDU und nicht in der PDS der fulminante Aufstieg von Frau DoktorIn Merkel erfolgen? Oder anders und ziemlich gehässig gefragt: wer von beiden deutschen Staaten war es denn, der sich den Wohlfühlsozialismus, den Salonbolschewismus ausgehend von herumlungernden Studenten, bekifften Lehrern und wohlstandsübersättigten Hochschullehrern hat leisten können? Wo konnte das von den Ordo-Linken der DDR zunächst verlachte linke deutsche Spinnertum gedeihen? Auf welchem Humus wachsen denn die Auswüchse von etwas, was die „reale Linke“ vom Grunde ihres roten Herzens… Mehr

Horstilein
6 Jahre her

Wie so oft, Trends und Epochenwandel beginnen in den USA. Dass die politische Rechte nach einer über 50-jährigen Erfolgsstory den Diskurs zurück erobert, hat längst einer ihrer schillerndsten und eloquentesten Vertreter erkannt und thematisiert: Milo Yiannopoulos. Inzwischen ist der Engländer Milo in die USA ganz ausgewandert, weil er richtigerweise erkannt hat, dass der Clash of Civilization in der USA entschieden wird, denn das Zerstörerischte an der politischen Linken ist der Kulturrelativismus, da sie Utopisten sind, die die Realitäten und Tatsachen nicht wahr haben wollen, wenn sie nicht zu ihrer Ideologie der Gleichheit, von „One World“ passt. Die Serie „Star Trek“,… Mehr

Barbara Müller
6 Jahre her

So verkehrt ist die Vermutung mit der Koalition zwischen AFD und CDU übrigens nicht.
Der Stern online starte eine Umfrage bei seinen Leser zur politischen Lage. Die letzte Frage war, wenn man bei einer Neuwahl wählen würde, und da kam die AFD zeitweise mit 35 % auf den doppelten Anteil der CDU. Sie, die AFD, hätte dann laut CDU-Definition den Auftrag zur Regierungsbildung!

Endstadium0815
6 Jahre her

Deutschland ist zu einem linken Selbstbedienungsladen geworden. Links oder Rechts? Ich sage eher verdummt und verlogen. Leute wie Maas zerstören die öffentlich Meinung und es gibt indirekte „Berufsverbote“. Merkel sagt zu allem Ja und Amen, Hauptsache sie bleibt im Kanzleramt. Sie ist das perfekte Bild wie man sich ohne eigene Meinung nach oben bückt.

Sabbel
6 Jahre her

„Eine kritische Position zur Einwanderung muss nicht rassistisch sein“

Das ist für sich genommen schon ein linksgrün verseuchter Satz. Wer die Zuwanderungskatastrophe nicht als solche ansieht, hat seinen Verstand abgegeben. Die „Rasse“ eines analphabetischen muslimischen, sich als 15 jährigen ausgebenden Typen aus Asien, Afrika oder dem Nahen Osten ist dabei ebenso unerheblich wie seine Hautfarbe oder seine Sexualpraktiken oder sein Musikgeschmack.

Sonni
6 Jahre her

Man mag ja über die AFD denken was man will, aber ohne diese Partei wären wir rettungslos den Linken ausgeliefert. Die einzige parteiliche Stimme, die diesen Linken trotz extremster Anfeindungen, widerspricht.