Die schrecklichen, zuletzt zum Teil tödlichen Gewalttaten von Zwölf- und Dreizehnjährigen sowie die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) sollten eine ernsthafte Debatte auslösen, ob die Strafmündigkeit nicht von 14 auf 12 Jahre abgesenkt werden muss.
Nun haben wir aktuell für das Jahr 2022 bundesweit laut Bundesministerium des Innern (BMI) einen hohen Anstieg bei tatverdächtigen Kindern (also unter 14 Jahren) auf 93.095 Tatverdächtige. Das ist ein Plus von 35,5 Prozent, und zwar im Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 (damals 72.890). Hinzu kommen 189.149 tatverdächtige Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren bei einer Zunahme von 6,8 Prozent im Vergleich mit 2019 (damals 177.082). Die häufigsten Taten bei Kindern und Jugendlichen waren Diebstahl, gefolgt von „leichter“ (sic!) Körperverletzung, Sachbeschädigung und Rauschgiftdelikten. Allein das NRW-Innenministerium bestätigte für 2022 einen deutlichen Zuwachs von Straftaten durch Kinder unter 14 Jahren: von zuvor 14.851 auf 20.948 Fälle.
„Mitursächlich“ sind seitens des BMI „Nachholeffekte“ nach „Corona“. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hatte das schon vorher gesagt: „Sich ausprobieren und Grenzen austesten – das gehört zum Heranwachsen dazu.“ Behrens machte einen „Nachholeffekt“ nach Corona geltend. Gehörte zu den von Corona bedingten Entbehrungen, fragt man, auch der Verzicht auf Straftaten? Zudem vergaß die Landesinnenministerin offenbar, dass der Anstieg sich auf das Vor-Corona-Jahr 2019 bezog.
Nicht die Rede ist bei der Vorstellung der PKS durch BMI Faeser (SPD) zum Beispiel von folgenden jüngsten Gewaltdelikten. Vermeintlich renommierte Kriminologen und Psychologen sprechen gar nur von Einzelfällen:
- Am 11. März 2023 töten zwei 12 und 13 Jahre alte Mädchen ihre zwölfjährige Freundin Luise im nordrhein-westfälischen Freudenberg (bei Siegen) mit zahlreichen Messerstichen. Es gibt Hinweise darauf, dass diese Tötung gezielt geplant war. Eine der Täterinnen soll sich im Internet sogar schlaugemacht haben, ab welchem Alter man straffällig ist.
- Am 21. Februar 2023 misshandelt eine Gruppe heranwachsender Mädchen in Heide (Schleswig-Holstein) ein 13-jähriges Mädchen und filmt die Szenen. Unter den Tatverdächtigen Zwölfjährige.
- Im Juni 2022 töten zwei Heranwachsende im niedersächsischen Salzgitter ein Mädchen (15). Die beiden Täter: 15 und 13 Jahre alt.
Warum also nicht ernsthaft, mit Nachdruck und ohne jeden Populismus über eine Senkung des Strafmündigkeitsalters von 14 auf 12 Jahre nachdenken? Es ist ja recht und gut, dass das deutsche Jugendstrafrecht eine Strafbarkeit seit 1923 erst ab 14 Jahren kennt (siehe Jugendgerichtsgesetz). Man wollte damals schon den Straf- und Sühnegedanken durch den Erziehungsgedanken ablösen. 1871 war die Strafmündigkeit mit 12 Jahren festgesetzt worden. Die Grenze bei 14 Jahren war dann allerdings 1943 „zum Schutz des Volkes“ (siehe Reichsjugendgerichtsgesetz) wieder auf 12 Jahre herabgesenkt worden, ehe die DDR im Jahr 1952 und die Bundesrepublik im Jahr 1953 zur Regelung der Weimarer Republik von 1923 mit 14 Jahren zurückkehrten.
Nun haben wir das Phänomen der säkularen Akzeleration (also eine seit einem Jahrhundert beschleunigte biologische Reifung) und eine Reihe von neuen (vor allem auch negativen medialen) Einflüssen auf die Heranwachsenden. Die Umstände und die Prägungen, mit denen junge Leute aufwachsen, sind also andere als vor hundert Jahren.
Gewiss ist der Erziehungs-, Resozialisierungs- und Inklusionsgedanke bei heranwachsenden Tatverdächtigen bzw. Tätern wichtig. Allerdings wäre zu evaluieren, wie nachhaltig er wirkt. Zum Beispiel, wie wirksam auch im Sinne von Gewaltprävention die Maßnahmen der erzieherischen Kinder- und Jugendhilfe sind, für die bundesweit zuletzt pro Jahr (hier: 2021) 14 Milliarden Euro aufgewendet wurden.
Generalprävention wichtig!
Das impliziert nicht, dass ein „Wegsperren“ von Tätern im Kindesalter kostengünstiger und wirksamer ist. Darum geht es nicht. Sondern es geht um die sogenannte Generalprävention. Das heißt: Ein gesetzlicher Rahmen, hier ein Strafrechtsrahmen, ist auch dazu da, individuell und kollektiv das Rechts- und Unrechtsbewusstsein zu prägen. Anders ausgedrückt: Wenn etwa Elf- oder Zwölfjährige bzw. deren Eltern davon ausgehen können, dass Gewalttaten bis hin zu Tötungsdelikten außer durch Maßnahmen des Jugendamtes folgenlos bleiben, dann verstehen das manche als indirekten Impuls. Dabei sagen Praktiker eindeutig, je früher eine Straftat geahndet wird, etwa durch Jugendarrest, desto geringer die Rückfallquote. Allerdings gibt es dazu – warum auch immer – kaum verlässliche empirische Untersuchungen. Sätze wie der folgende aus einem Bericht des Deutschen Jugend-Instituts (DJI, Titel: „Evaluation in der Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention“, 250 Seiten, ohne Jahresangabe) helfen da wenig weiter: „Es wurde eine geringere Rückfallschwere und -häufigkeit sowie eine reduzierte Rückfallgeschwindigkeit festgestellt.“
Buschmann sollte auch nachdenken, warum doch eine Anzahl an Rechtsstaaten eine niedrigere Strafmündigkeit ansetzt. In England und Wales etwa kann das bereits ab 10 Jahren geschehen, in Irland, den Niederlanden, Ungarn und Kanada ab 12, in den USA je nach Bundesstaat bereits ab 6 Jahren (vgl. hier).
Immerhin gibt es ein paar Stimmen aus der CDU, die für eine Grenze bei 12 Jahren plädieren. Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte: „Auch 12- und 13-Jährige wissen, dass man nicht töten darf. Wir müssen daher die Debatte um eine Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit führen.“ Krings forderte, dass die Bundesländer wieder mehr Einrichtungen bereitstellen, in denen kriminelle Kinder und Jugendliche per Gerichtsbeschluss geschlossen untergebracht werden könnten. Dies ist heute nur erlaubt, wenn sie für sich oder andere eine Gefahr darstellten. Bereits im Juni 2022 hatte der damalige niedersächsische CDU-Chef Bernd Althusmann im Zusammenhang mit der Tötung einer 15-Jährigen in Salzgitter (siehe oben) 12 Jahre als Alter für Strafmündigkeit gefordert.
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Ich kann mich nur zum x-ten Mal wiederholen: Wenn Kinder auch gegen den Willen ihrer Eltern ihr Geschlecht ändern dürfen und wenn ihnen auch gewährt wird, dass sie mit ihrer Stimme über das Wohl und Wehe der Bevölkerung mitbestimmen dürfen, dann müssen sie sich auch für ihr kriminelles Verhalten verantworten können. Und weiter muss dieses Jugendstrafrecht mit 18 Jahren, also der Volljährigkeit, enden. Es kann nicht sein, dass knapp 21jährige einen Doppelmord begehen können (wie in Hannover passiert) und dann mit dem milden Jugendstrafrecht zur Rechenschaft gezogen werden!
Die Diskussion ist typisch für die kranke grünwoke Ideologie. Einerseits sollen Kinder/Pubertierende in „Bürgerräten“ über weitereichende Entscheidungen mitbestimmen. Sie sollen im zarten Alter über ihr eigenes Geschlecht entscheiden dürfen. Andererseits behaupten die gleichen Leute, die solche Forderungen vorantreiben, eine 12- oder 13-Jährige sei nicht imstande zu begreifen, was sie anrichtet, wenn sie 71 mal auf einen Menschen einsticht und ihn dann verblutend im Wald zurückläßt. Es war erschütternd und erhellend zugleich, wie unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Identität der Mörderinnen von Freudenberg ganze Kohorten von Beschichtigern auf den Plan traten, um nur ja diese Täterinnen in Schutz zu nehmen. Mal… Mehr
Bin etwas irritieret darüber, wie einige Foristen hier weichgespült „herumeiern“! Es dürfte doch unter aufgeklärten und normalbegabten Menschen Konsens sein (mit Blick auf die Entwicklungspsychologie), dass sich das Verhalten eines Kindes ab den kognitiven Reifungsstufe des „anschaulichen Denkens“ (2 – 7 Jahre) dem Einfluss der Erziehung öffnet und demzufolge auch Strafen als Teil des Familienlebens und Erziehungshandelns möglich sind. Erst recht gilt die ab dem etwa ab dem 8 Lebensjahr mit dem Erreichen logischen Verstehens und Denkens – was dann etwa ab dem 11. Lebensjahr in die Herausbildung logischen Denkens und einer zusehends autonomen Moral mündet. Hier sind ggf. erst… Mehr
Kann ihrem Kommentar nur zustimmen. Natürlich sollte man bei mordenden Kindern nicht gleich mit dem Zuchthaus kommen, aber eine erzieherische Anstalt könnte es ab 8 Jahren schon sein, denn ab diesem Alter wissen sie schon, was sie treiben und dem muß man begegnen, damit es straflos später nicht zur Gewohnheit wird und sie aus ihrer menschlichen Verirrung heraus geführt werden. Da gibt es auch Zwischenformen mit Ausgangssperre und geregeltem Unterricht und weniger Freizeit in vorgegebenen Formen und es muß ein struktureller Tagesablauf erfolgen, wo auch produktive Tätigkeiten mit Erfolgsmessung und Belohnung dabei sein kann und das alles auf Jahre hinaus… Mehr
Für eine Herabsetzung der Strafmündigkeit spricht insbesondere auch, dass ein großer Teil der „jugendlichen“ Straftäter mindestens vier Jahre älter ist, als in ihren Ausweispaieren steht.
Man müsste die Strafmündigkeit ja gar nicht generell absenken, sondern könnte Ausnahmen zu lassen bei besonders brutalen Kapitalverbrechen. So wie nach oben hin ab 18-Jährige selektiv noch nicht als erwachsen definiert werden (wie immer man das findet). Auf jeden Fall ist das gebrachte Argument überzeugend, dass quasi folgenlos bleibende Gewalttaten bei Altersgenossen den Eindruck erwecken, ihnen könne so viel ja nicht passieren außer ein bisschen nette psychologische Mahnungen (und bei kriminellen Eltern, es sei vielleicht sinnvoll, ihren Nachwuchs einbrechen zu lassen …). Die Mörderinnen von Luise sind ja offenbar auch zu dem Schluss gelangt, sie würden für die geplante Tat nicht… Mehr
Also ich bin für eine Absenkung auf 12 Jahre. Da ist man regelmäßig in der 6. oder 7. Schulklasse und nicht mehr komplett verpeilt.
Ich halte die Debatte um das Strafmündigkeitsalter für verfehlt. Dann muss auch der schiefgegangende Dumme-Jungen-Streich geahndet werden. Außerdem ändert das nichts an der Entwicklung, dass die Jugend gewalttätiger und hemmungsloser agiert als früher. Das ist ein gesellschaftliches und pädagogisches Problem und kein juristisches.
Anstiftung zur Kriminalität von Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene (Banden, die Strafunmündige zum Stehlen schicken z.B.) sollte jedoch durchaus schärfer bestraft werden.
Spätestens ab sechs wissen die Kleinen, was Recht und Unrecht ist. Sonst dürften in der Schule keine Strafarbeiten oder ähnliches mehr aufgegeben werden, das ist ja wirklich nur sinnvoll, wenn man sich eines Unrechts bewusst ist. Das allerbeste Beispiel ist ja Freudenberg, als die beiden Täterinnen sich vorher! genaustens über die Folgen ihrer Tat erkundigten, zynischer gehts eigentlich nicht mehr. Das Heruntersetzen der Strafmündigkeit auf mindestens 12 Jahre ist deshalb unerlässlich. Natürlich wird ein Gericht bei Jugendlichen immer noch feststellen müssen, wie hoch der Grad der Strafmündigkeit jedes Einzelnen ist, aber es muss die Möglichkeit gegeben sein, entsprechend dieser Feststellung… Mehr
Wer mit 12 Jahren die notwendige Reife besitzen soll sich sein Geschlecht frei wählen zu können, kann nicht als unmündig erklärt werden sobald er sich strafbar macht. Das wäre ein völlig absurder widersprüchlicher Zustand.
Die Strafmündigkeit ist ein kulturelles Problem, kein biologisches. Ein generelles Absenken des Alters ignoriert die eigentlichen Faktoren für Jugendkriminalität.
Naja, dem ersten Satz stimme ich zu, die Schlussfolgerung halte ich für verkürzt. Wie der Kommentarschreiber Transformation weiter unten schrieb: Ja, die Kultur hat sich geändert. Aber das Beispiel mit dem Kühlschrank siehe unten finde ich sehr einleuchtend. Man könnte sagen: Früher war allgemeiner gesellschaftlicher Konsens, dass Kinder von gefährlichen Inhalten ferngehalten werden. Kinder konnten normalerweise keine Gewaltfilme konsumieren, kamen fast nur in Kontakt mit kindgerechten Inhalten, weil es keine allgemein zugängliche und dazu kostenlose Kommunikationsplattform gab. Das hat sich zugegeben auch schon vor dem Siegeszug der Videoplattformen geändert zunächst im Privatfernsehen und dann bei Videospielen. Aufgrund der überwältigend vielen… Mehr