Deutschland wird schlecht regiert, die Wirtschaftsdaten sind miserabel. Die Wähler sind nicht nur mit der Ampel unzufrieden: Politikverdrossenheit macht sich breit. Woran liegt die wachsende Unzufriedenheit mit unserem politischen System? Albert Duin erklärt, warum.
In den Nachkriegsjahrzehnten vor der Jahrtausendwende war das Bestreben nach Wohlstand, einem gutem Leben, Auto, Fernseher, wenn nicht sogar nach einem Eigenheim die Antriebsfeder fast aller Bürger. Schon bald war das Erreichte ein vermeintlich solider, fester Sockel. Wohlstand schien sicher, die Politik garantierte Geldwertstabilität und Eigentum.
Verhalten verändert sich; das Sein bestimmt eben doch das Bewusstsein, um Karl Marx zu zitieren. Denn dann kamen die Leute, die nicht mehr nach Wohlstand strebten, sondern aufbauend auf dem bereits erreichten, vermeintlichen festen Untergrund anfingen, sich theoretisch zu überhöhen und langsam den Wohlstand zu verfrühstücken. Früher gingen Bürger aus Berufen heraus in die Politik und nutzten ihre Erfahrungen aus ihren vorherigen Tätigkeiten, ob Handwerk, Industrie, Medizin, Juristerei, um die ihrer Meinung nach politisch nötigen Veränderungen anzuregen und umzusetzen. Erfahrung aus dem wirklichen Leben paarte sich mit Wissen und dem Pragmatismus, der sich aus dem notwendigen Geschehen ergibt.
Politik als Lehrberuf
Dann aber verkam die Politik zu einem vermeintlichen Lehrberuf. Nicht mehr die Praxis und die daraus gewonnene Erfahrung waren entscheidend, sondern Theorie und Ideologie wurden zu den allein bestimmenden Faktoren. Notdürftige Erfahrung reichte, weltfremde Studienfächer bestimmten das Geschehen, Assistenz bei einem Abgeordneten und einem Parteifunktionär ersetzte berufliche Tätigkeit.
Sieht man heute in die Parlamente, so gilt neben einigen Ausnahmen: „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“ als beruflicher Lebensweg. Und noch nicht mal Studienabschlüsse sind heutzutage mehr nötig. Es zählen nur noch die Gesinnung und die innerparteiliche Stellung. Ist ja klar: Wer jeden Tag arbeiten geht, arbeiten gehen „muss“, um sein Leben zu finanzieren, hat wenig Zeit und vielleicht auch keine Energie mehr, sich zusätzlich politisch zu engagieren. Es ist ein unfairer Wettbewerb: Wer morgens ausschlafen kann, gewinnt die Debatten in der Nacht, die Berufstätige zur Erholung brauchen. Politik so nebenbei ist kaum mehr möglich. Wer Angestellter ist oder im Öffentlichen Dienst, hat ein Rückkehrrecht auf seinen Arbeitsplatz, wenn er ins Parlament gewählt wird. Selbstständige, Handwerker und Unternehmer dagegen gefährden ihr Unternehmen, wenn sie in die Parlamente abwandern. Unternehmerische Krisen warten nicht auf tagungsfreie Wochen.
Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, an dem die führenden Köpfe der Politik jeden Bezug zur Praxis und somit zum „normalen“ Volk verloren haben.
Politik wird übergriffig
Poltik wird zunehmend übergriffig: Wer ideologisch geprägt ist, nimmt kaum Rücksicht auf die Mühen des Alltags. Berufspolitiker neigen zur Überhöhung ihrer Rolle; das führt zu Überbürokratisierung, immer neuen Vorschriften, zu einer politisierten Kommandowirtschaft. Berufspolitiker fühlen sich im Besitz einer überlegenen Wahrheit, aus der sie das Recht und die Notwendigkeit ableiten, eine „große Transformation“ zu verordnen, die die Lebenswirklichkeit der Normalos auf den Kopf stellen soll. Sie meinen, es besser zu wissen.
Viele sparen, um sich Wünsche erfüllen zu können. Sei es ein Urlaub, eine neue Küche, ein neues Schlafzimmer, ein neues Bad oder ein neues Auto. Plötzlich sehen sie sich dem Diktat der Politik ausgesetzt, dass sie sich all diese Wünsche abschminken können, weil sie gezwungen werden, in neue grüne Heizungen, grüne Energieerzeugung und grüne energetische Umbaumaßnahmen zu investieren. Auch wenn sie funktionierende Systeme besitzen. Haben vielleicht aufgrund politischen Drucks in den letzten 20 Jahren zum Beispiel auf Gasheizungen umgestellt und stehen jetzt vor einem großen Fragezeichen. Die vermeintliche Sicherheit wird in Frage gestellt, Vermögen vernichtet, Anstrengungen mit einem Federstrich der Politik zunichte gemacht.
Die Politik muss umkehren
Wir brauchen wieder Menschen in der Politik, die schon mal in ihrem Leben praktisch gearbeitet und ihre Sozialbeiträge auch selbst erwirtschaftet haben. Pragmatiker sind sich in wichtigen Fragen schnell einig, auch über Parteigrenzen hinweg. Ideologisch betriebene Politik dagegen geht der Wirklichkeit aus dem Weg und nimmt sie nicht wahr.
Wir hören tagtäglich, dass die Bürokratie abgebaut werden soll - welch eine Mär! Die Bürokratieflut steigt und steigt. Das Handwerk und die mittelständischen Unternehmen sind vollkommen wehrlos gegen diese Flut der Anforderungen, die dauernd an sie gestellt werden. Mag sein, dass große Unternehmen eigene Abteilungen unterhalten, um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, aber da beginnt schon das Problem. Diese Konzerne wälzen alle Forderungen auf die kleinen Unternehmen ab, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden können. Statt diese ihre wirtschaftlichen Kompetenzen an den Tag legen zu lassen, wirft man ihnen nahezu täglich neue Stapel an nahezu unerfüllbaren Verpflichtungen vor die Füße.
Konzerne pflegen den Zugang zu Politikern. Kleinere und mittlere Unternehmen gelten als Kolateralschaden, ihre Beschäftigten meint die Politik vernachlässigen zu können.
Wie soll das enden? Die derzeitige Politikverdrossenheit und die wachsende Radikalisierung können nur durch eine andere Art von Politik und Politikern überwunden werden. Die Berufsbezeichnung auf dem Wahlzettel sollte maßgeblich entscheidend sein, bei wem man sein Kreuz macht.
Albert Duin, Unternehmer aus München und ehemaliger Landesvorsitzender der FDP Bayern
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Wenn die Berufsbezeichnung auf dem Wahlzettel maßgeblich entscheidend sein soll, bei wem man sein Kreuz macht, dann kommt nur eine einzige Partei infrage.
Deutschland wird nicht schlecht regiert. Es lässt sich absichtlich schlecht regieren! Wer das nämlich so einseitig und anders sieht, vergisst die Wähler, die die momentanen Politiker schliesslich herbei gewählt haben. Und es soll mir niemand sagen, dass er noch niemals etwas von Koalitionen gehört hat, noch von einer Erst- und Zweitstimme wusste, die solche „Ampeln“ erst „notwendig“ machen. Dass die AfD z.B. ob dieser Stimmen eine absolute Mehrheit haben könnte, fällt den ver-wokten Menschen also nicht ein! Wovor aber eine Angst geschürt wird, die gerade vom Gestern tatsächlich ins Heute übergegangen ist, und der wir ALLE ausgesetzt sind, ist mir… Mehr
Niemand hat die Absicht wenigstens für 299 Sitze im BT das Mehrheitswahlrecht einzuführen, weil es nur dadurch “ direkt gewählte Wahlkreisabgeordente“ geben würde, und die Parteien tatsächlich jemanden nominieren müßten, der sich als Person den Wählern präsentieren und sich gegen Konkurrenz durchsetzen kann. Nicht einmal unter den bestehenden Regeln hatte jemand die Absicht, wenigstens das “ Absichern auf einem sicheren Platz der Landesliste “ zu verbieten, wenn jemand seinen über einen mit relativer Mehrheit im Wahlkreis gewonnen Sitz verliert. Es hat auch niemand die Absicht, wenigstens den Regierungsmitgliedern (Ministern und Staatssekretären ) zu verbieten auch noch im Parlament zu verbleiben.… Mehr
Deutschland wird nicht schlecht regiert. Es lässt sich absichtlich schlecht regieren! Wer das nämlich so einseitig, oder anders sieht, vergisst die Wähler, die die momentanen Politiker schliesslich herbei gewählt haben. Und es soll mir niemand sagen, dass er noch niemals etwas von Koalitionen gehört hat, noch von einer Erst- und Zweitstimme wusste, die solche „Ampeln“ erst „notwendig“ machen. Dass die AfD z.B. ob dieser Stimmen eine absolute Mehrheit haben könnte, fällt den ver-wokten Menschen also nicht ein! Wovor aber eine Angst geschürt wird, die gerade vom Gestern tatsächlich ins Heute übergegangen ist, und der wir ALLE ausgesetzt sind, ist mir… Mehr
Guter Artikel, jedoch fehlt ein weiterer wesentlicher Aspekt der modernen Politik. Es geht eben nicht mehr um das Wohl der breiten Bevölkerung, sondern um das Wohl einiger Weniger. Vor allem aber beschränkt sich mehr denn je die Möglichkeit zur Einflussnahme und Gestaltung der Politik auf die Stimmabgabe bei Wahlen. Friedliche Proteste der Bevölkerung werden von der Politik ignoriert. Wahlergebnisse wie bei den letzten EU Wahlen, die für einen ernsthaften Politiker ein Grund zum Innehalten und überprüfen der eigenen Linie gewesen wären, werden zu einem „Weiter so und Mehr davon“ interpretiert, was die Hilflosigkeit der Bevölkerung gegenüber der Politik nur noch… Mehr
Ihr Zitat: „jedoch fehlt ein weiterer wesentlicher Aspekt der modernen Politik. Es geht eben nicht mehr um das Wohl der breiten Bevölkerung, sondern um das Wohl einiger Weniger.“ Das stimmt. Ich habe, was das betrifft, inzwischen so gut wie aufgegeben. Offenbar dürfen wir auch von einer freien Presse nicht erwarten, dass sie „voran geht“. Sie ist und bleibt eben bestenfalls immer nur ein Spiegel dessen, was in der Gesellschaft gerade vor sich geht. Dass es um das Wohl einiger Weniger geht, wie dieses Wohl aussieht und warum diese Wenigen es anstreben (u.a. Stichwort „Eugenik“), was also an Ideologie dahinter steckt,… Mehr
„Wir brauchen wieder Menschen in der Politik, die schon mal in ihrem Leben praktisch gearbeitet und ihre Sozialbeiträge auch selbst erwirtschaftet haben. Pragmatiker sind sich in wichtigen Fragen schnell einig, auch über Parteigrenzen hinweg.“ – Von dieser Sorte sitzen Leute in Fraktionsstärke im Bundestag, mit denen aber keiner reden will bzw. darf.
Der welt- und lebenserfahrene Otto v. Bismarck hat einst eine treffende Bezeichnung für diese überfütterten ‚Land-und-Leute-Verderber‘ geprägt: „Bezahlte Demagogen“! Mehr ist dazu nicht zu sagen…
Eine andere Art von Politik und Politikern wird es nicht geben. Die Ursachen liegen im System. Der vom Autor beschriebene Werdegang der heutigen Parlamentarier ist das Ergebnis der Parteienherrschaft in der BRD. Ändert die sich nicht, ändert sich gar nichts. Im Gegenteil, es wird schlimmer, das Regime handelt immer irrationaler und radikaler. Die Situation ist jedoch innerhalb des Systems nicht mehr lösbar. Das wird außerhalb des Westens genau und mit Sorge beobachtet. Man trifft Vorkehrugen für den Fall des Kollaps. Berufliche Erfahrungen wären eine gute Voraussetzung für Politiker. Aber sich darauf zu kaprizieren ist keine Garantie für eine kluge Staatsführung;… Mehr
Bei den Grünen, teils auch bei Linkspartei und SPD, sitzen inzwischen Leute ohne jede Berufsausbildung oder abgeschlossenes Studium. Bei CDU & FDP sitzen überwiegend Juristen und Politikwissenschaftler, die außerhalb der Politik nicht oder kaum gearbeitet haben. Es finden sich bei allen Parteien kaum Handwerksmeister (Chrupalla ist die Ausnahme) und so gut wie keine Naturwissenschaftler. Das Parlament ist daher bei allen Sachfragen auf Sachverständige angewiesen, die aber heutzutage nicht mehr neutral, sondern nach Parteinähe ausgesucht werden wie Agora Energiewende. Es ist schwer, daran etwas zu ändern, die Berufspolitiker haben an einer Änderung kein Interesse. Mit der jetzt vom BVerfG abgesegneten Wahlreform… Mehr
Die Listen gehören abgeschafft – das Parlament sollte nur aus Abgeordneten bestehen, die Ihren Wahlkreis gewonnen haben. Listen dienen nur den Ideologen!
Es zirkuliert alles um die Frage der Bildung. Was sollte die Nachkriegsgeneration lernen. Kluge Leute lernten auch zwischen den Zeilen. Das ist jedoch nicht jedem gegeben.
Meine Zustimmung zum Inhalt des Beitrages von Herrn Duin. Aber, und das ist meine deutliche Kritik: was nützt die Qualifikation und Lebensverfahrung, wenn über den Fraktionszwang die Abgeordneten, die nicht auf der Regierungsbank sitzen, Gesetzesvorlagen der Regierung (FDP sitzt auf der Regierungsbank) unkritisch abnicken? Die FDP (Partei des Verfassers Herr Duin) ist von einer freiheitlich und liberal orientierten Partei zur abnickenden Machtpartei verkommen. Ohne breites Kreuz und argumentatives vertreten eines Standpunktes, wird es nicht gehen. Die Frage ist halt, wer macht Karriere in einer Partei? Die sich auf Linie befindlichen Wegducker? oder ein Politiker mit Ecken und Enden. Das Ergebnis… Mehr