Warum Christine Prayon Respekt verdient

Christine Prayon gibt nicht mehr die Birte Schneider in der ZDF Heute-Show. Die Sendung verfolge Andersdenkende und buckle nach oben. Dafür erntet sie auch Kritik und Antipathie – nicht nur von Anhängern der Heute-Show.

IMAGO / Sascha Ditscher

Christine Prayon hat die ZDF Heute-Show und Jan Böhmermann hart kritisiert. Die verengten die öffentliche Debatte, machten Stimmung gegen Andersdenkende, übernahmen und wiederholten nur die Positionen von Menschen, die in der gesellschaftlichen Hierarchie weit oben stehen. Prayon verdiente als „Birte Schneider“ selbst ihr Geld mehr als zehn Jahre lang in der Heute-Show.

TE könnte sich jetzt hinstellen und sagen: Na und? Genau das schreiben wir doch seit Jahren. Was stimmt. Aber wir mindern nicht Prayons Mut. Es ist ein Unterschied, ob man die Fehler im ZDF von außen betrachtet und beim Namen nennt. Oder ob man selbst Teil des ZDF ist und mit dessen Geld die Miete bezahlt, den Pizzaservice oder den Zahnarzt. Prayon muss damit rechnen, nie wieder einen Cent mit dem finanziell üppig ausgestatteten ZDF zu verdienen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein umso bemerkenswerter Schritt. Das verleiht der Analyse Prayons über die Heute-Show, Jan Böhmermann und „Die Anstalt“ Größe. Deshalb verdient sie sich Respekt.

Wir kennen das Gefühl der Ohnmacht – waren selbst in der Pandemie isoliert. Von Freunden oder sogar von der Familie. Wir kennen das Gefühl, gegen etwas anzuschreiben, was (scheinbar) niemand hören will. Der Frust, wenn es lapidar heißt, im Kampf gegen den Virus werde man ja auf ein Luxusgut wie Freiheit mal verzichten können. Und sich dann für das Geschriebene trotzdem noch gesellschaftlich diskreditieren zu lassen. Abgeordnete der FDP oder der CDU, die aus lauter Feigheit nicht mal auf unsere Mails antworten, sind dabei noch das Allerwenigste. Ehemals beste Freunde, die einen öffentlich als rechts brandmarken, gehören auch zum Preis.

Christine Prayon ist für ihr mutiges Interview in der Kontextwochenzeitung viel gelobt worden. Doch es erreichen uns auch andere Stimmen. Wir haben uns entschieden, sie nicht namentlich zu veröffentlichen. Es ist nicht fair, wenn ein Medium mit einer hohen Reichweite Menschen diskreditiert, denen eben dieses Mittel, sich zu wehren, nicht zur Verfügung steht.

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Es sind Stimmen wie: Was Prayon sagt, sag ich doch schon seit zehn Jahren. Erst gutes Geld verdienen und jetzt plötzlich dagegen sein, weil der Wind sich dreht. Ich schaue den Rotz eh nicht, müsst ihr da jetzt über eine berichten, die nicht mehr mitmacht. Wer das erst nach zehn Jahren merkt, der kann ja wohl nicht so schlau sein.

Wir sehen die Heute-Show auch schon länger äußerst kritisch. Oder Jan Böhmermann. Erst recht Jan Böhmermann. Dass uns das ZDF Anfragen zu ihm nicht beantworten will, haben wir umgedreht. Wir haben trotzdem über seine beleidigenden Ausfälle und seine einseitige Propaganda berichtet. Über die nicht haltbaren Anschuldigungen, die zur Entlassung von Arne Schönbohm führten. Über sein fäkales Sprachniveau und darüber, dass Kulturhüter in Marl so etwas immer noch für preisverdächtig halten. Wir haben halt dazu geschrieben, dass Intendant Norbert Himmler an den Ausfällen Böhmermanns offenbar nichts ändern will.

Jetzt sagen wir nicht: Toll, Christine Prayon. Was Sie sagen, wissen wir schon lange. Denn es ist großartig, wenn es diejenigen einsehen, die bisher selbst an dieser einseitigen Hetze beteiligt waren. Was für einen Sinn würde es denn machen, über die Missstände im ZDF anzuschreiben, wenn nicht der, zu hoffen, dass es andere ebenfalls einsehen – oder sich sogar davon abwenden. Wer über Missstände schreibt, aber nicht will, dass die Kritik ankommt, der will motzen – der will nicht bessere Zustände einfordern. Zum Beispiel einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der zurecht nicht Staatsfernsehen genannt werden will.

Das Phänomen, diejenigen nicht zu akzeptieren, die ihre Meinung ändern, ist nicht neu. Beispiele dafür gibt es viele. Das Beste ist Corona. Die Helden, die im Januar 2022 spazieren gegangen sind, um für das Ende der Maßnahmen zu streiten – gegen den fragwürdigen Einsatz der Staatsgewalt –, sind heute immer noch nicht annähernd ausreichend gewürdigt. Ohne sie hätte es mindestens eine allgemeine Impfpflicht gegeben, und wer weiß, wann die Regierungen ihren Bürgern ihre Rechte überhaupt jemals „zurückgegeben“ hätten.

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Doch der Wille zum Ausnahmezustand war in der Politik groß. Es hat noch über ein Jahr gedauert, bis es soweit war, bis Corona vorbei war. Es hat die Virologen gebraucht, die erst im September 2022 einsahen, dass Schulschließungen unsinnig waren. Die Ladenbesitzer, die erst im November 2022 ihre Kunden nicht mehr bevormunden wollten. Oder die Bahnkunden, die im Januar 2023 nicht mehr einsahen, warum sie noch Maske tragen sollten. Sie alle waren nötig, um den Maßnahmen-Irrsinn endgültig zu beenden. Du brauchst in einer Demokratie halt mindestens 50,1 Prozent – und das ist gut so.

Der Wille, Mehrheiten zu erreichen, ist aber nicht jedem gegeben. So wie im Fall von Christine Prayon freuen sie sich nicht über jemanden, der eingesehen hat, dass es mit der einseitigen Propaganda der Heute-Show so nicht weitergehen kann. Sie wollen nicht Teil einer Menge sein, die das ZDF zu einem vernünftigeren Programm bewegt. Sie wollen darauf beharren, es immer schon gewusst zu haben. Das trägt aber – mit Verlaub – zu nichts mehr bei als zu Selbstverliebtheit.

So war es auch in der Pandemie. Penibel darauf wurde geachtet, wer wann Maske getragen hat, sich hat impfen lassen oder gar einen Lockdown befürwortet hat. Dem war es verboten, zu erkennen, dass die Maßnahmen immer irrsinniger und widersprüchlicher werden. Auch nicht, als die Maßnahmen immer irrsinniger und widersprüchlicher wurden. Etwa als eine Maskenpflicht in Bahnen galt, aber nicht mehr im Flugzeug.

Am Ende ging es nicht mehr darum, in einer Demokratie eine Mehrheit gegen unsinnige und wie bei den Schulschließungen gefährliche Maßnahmen zu sammeln. Sondern darum, früh dabei gewesen zu sein. Auf die Spitze getrieben akzeptierte einer, der schon am 15. März 2020 auf den Barrikaden war, keinen neben sich, der nach dem 15. März 2020 auf die Barrikaden stieg. Und wurde dafür verlacht und bekämpft von dem, der schon am 12. März 2020 auf den Barrikaden war.

Spätestens die Pandemie hat gezeigt, dass es in den regierenden Parteien totalitäre Tendenzen gibt: Bei den Linken, Grünen und Sozialdemokraten sowieso, die den Menschen vorschreiben wollen, ob sie Auto fahren, was sie essen, welche Werbung sie sich anschauen oder ob sie bei 30 Grad Celsius noch das Haus verlassen dürfen. Aber auch auf der Funktionärsebene der CDU und der FDP gilt das: Unter dem liberalen Justizminister Marco Buschmann hat der Bund verboten, Kriegsverbrechen zu bezweifeln – ohne zu definieren, welche denn tatsächlich Kriegsverbrechen waren und welche nur aus Gründen der Propaganda so genannt werden. Der gleiche Justizminister möchte künftig denjenigen hart bestrafen, der einen anderen beim falschen Namen nennt. In der CDU gibt es Einzelne, die fordern, Bedenken am Sinn der Klimaschutzpolitik unter Strafe zu stellen.

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Persönliche Freiheiten sind auf dem Rückzug: Die Themen unserer Tage lauten Heizungsverbot, Verbot größerer Bargeldmengen, Umsiedlung von Senioren in kleinere Wohnungen, Regulierung von Fleischkonsum, Werbeverbot für Milch, anlasslose Chatkontrolle, Beweislastumkehr für Beamte oder politisch Unliebsame, die der Staat über ein Jahr in Untersuchungshaft gefangen hält. Das Fernsehen verengt zeitgleich – ganz wie es Prayon sagt – den Korridor des Sagbaren. Ein Künstler wie Harald Schmidt wäre heute nicht mehr denkbar.

Die gesellschaftlichen Abwehrkräfte gegen totalitäre Tendenzen haben in der Pandemie funktioniert. Es war zäh, es hat lang gedauert – aber so ist halt der Kampf gegen totalitäre Tendenzen. Wir werden die gesellschaftlichen Abwehrkräfte noch brauchen. Der Wunsch, Freiheiten einschränken zu wollen, ist groß. Das zeigt sich schon daran, dass Freiheit mittlerweile als Floskel diskreditiert wird. Wer das für übertrieben hält, dem sei ans Herz gelegt, sich frühere totalitäre Tendenzen anzuschauen, nachdem sie sich so richtig ausgebreitet hatten – dann sind sie kaum noch zu stoppen.

Deswegen geht es darum, wer für die Freiheit einsteht. Wer für Bürgerrechte einsteht und wer für Demokratie oder gegen Korruption einsteht. Und nicht darum, wann wer damit begonnen hat. Christine Prayon war Teil des Ensembles der Heute-Show. Das ist okay, das ist ein Job. Entscheidend ist, dass sie erkannt hat, in welche Richtung sich das entwickelt. Und vor allem: Sie hat das auch öffentlich benannt. Unter zu erwartenden hohen persönlichen Verlusten. Dafür verdient sie Respekt – nichts anderes.

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Kommentare ( 48 )

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Fred Katz
1 Jahr her

Frau Crayon wollte mit dem ZDF über ihre PostVac-erkrankung und über Putin reden…… Ich würde mit dem ZDF auch gerne über einiges reden. Frau Crayon vergisst, dass sie nie für das ZDF gearbeitet hat! Die Heute-Show wird fremdproduziert und an das ZDF verkauft! Also sollte Crayon mit den Produzenten der Show über ihre Sorgen reden! Wenn sie schwer unter Postvac leidet-ist sie dann Herrin ihrer Sinne, ihres Geistes? Oder hat die böse Impfung ihren Verstand getrübt, dass sie jetzt mit Putin verhandeln will, weil der doch so nett und verständig sei? Ist die „neue“, kritische Frau Crayon vielleicht das Produkt… Mehr

ekki
1 Jahr her

meinen respekt hat sie auf jeden fall, sie wird nun keinen fuss mehr in die öffis bekommen.
früher teilte satire nach oben aus, heute gegen opposition jeder art.

und der woke humor ist keiner, null lustig!

Last edited 1 Jahr her by ekki
Unglaeubiger
1 Jahr her

Menschen mit Charakter stehen früher oder später immer vor der Frage, wird das was ich mache, mir und meiner Persönlichkeit noch gerecht? Jemand wie Frau Christine Prayon gebührt für ihre Ehrlichkeit Respekt und ein herzliches Willkommen in die Gemeinschaft der Charakterstarken, die bereit sind und waren, Unbill, Verleumdung, Ausgrenzung etc. auf sich zu nehmen um sich selbst treu zu bleiben. Lieber von mir selbst ausgesuchte und entsprechend vorbereitete Einschränkungen, als das zwanghafte Übergestülpe sinnloser Annordnungen von schwer geistig gestörten Menschen, die mich zerstören wollen. Gehorsam pflege ich nur mir selber, meinem Gewissen, meiner Moral und dem Sprichwort gegenüber: was du… Mehr

Sonny
1 Jahr her

Ich empfinde ebenfalls Respekt für Frau Prayon. Was sie nun als sogenannter „Nestbeschmutzer“ aushalten muss, wage ich nur zu erahnen.
Aber auf jeden Fall ist das Verlassen und Anprangern von Mißständen (besser spät als nie) richtig. Und auf jeden Fall besser, als all die kleinen, korrumpierten Opportunisten von welke bis böhmermann bis hin zum kleinsten Angestellten bis in die höchsten „Ämter“ in dieser Hofpressen-Zwangsanstalt.

Judith Panther
1 Jahr her

Wie viel Respekt für den Gratismut, der ihr jede Menge Publicity beschert und die Pole Position in der Presse verschafft hat?
Respekt, weil sie Einkommensverluste hinnehmen muß, wo andere ihren Job, ihren guten Ruf, ihre gesamte Existenz oder gar ihr Leben verloren haben?
Nichts Halbes und nichts Ganzes.
Sorry. Macht mich nicht satt.

Auswanderer
1 Jahr her

Die Frau war immer Klasse und sie hat eine Super-Mimik. Im Prinzip war Sie für mich das wichtigste an der Heute-Show. Seit mindestens 5 Jahren tu ich mir die Sendung nicht mehr an! Hoffentlich macht Sie weiter, nur wo? YouTube? Da könnte Sie einiges bewegen!

Paul987
1 Jahr her

Ich hab „Neues aus der Anstalt“ von Priol/Schramm/Pelzig schon gern angesehen. Es war linke Satire mit Verstand und zum Lachen. Aber „Die Anstalt“ nöpp da war ich dann nach paar Folgen raus. Auch die „Heute-Show“ war früher mal gut. Bei Böhmermann fand ich noch nie wirklich was lustig, da muss man eingefleischter antifaschistischer, antidemokratischer Linksextremist sein um das lustig zu finden… Frau Prayon gilt der Dank für ihre offenen Worte. Aber ich kann mir schon vorstellen was Herr Böhmermann in der nächsten Sendung macht…“Frau Prayon die Naddsi-schl…pe bla bla bla…“ und ZDF-Intendant Herr Himmler und das Grimme-Komitee lacht sich über… Mehr

ekki
1 Jahr her
Antworten an  Paul987

der priol hat übel gegen ungeimpfte gehetzt.

Takeda
1 Jahr her

Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder. – Nungut, aus welchen Gründen auch immer. Ihre Kritik ist willkommen und auch wichtig. Schlussendlich ist der Zeitpunkt einer Kritik unwichtig. Wichtig ist, daß man seine Fehler einsieht.

Zu Schmidt sei noch gesagt, er und Raab wussten schon, warum sie die öffentliche Bühne verlassen haben. Schmidt hatte 2014 seinen letzten Auftritt und Raab 2015. Ein Zufall? Wohl kaum!

Mathias Rudek
1 Jahr her

Das ist fair, lieber Herr Thurnes, ich schließe mich dem an.

Abraham
1 Jahr her

Auch wenn Frau Prayon erst spät darauf gekommen ist, ihre Haltung verdient Respekt.

Lars Baecker
1 Jahr her
Antworten an  Abraham

Nicht ihre Haltung. Ihre ehrliche Meinung. Das ist ein Unterschied zu den ganzen Opportunisten in Politik und Medien, die, aus Angst, gebranntmarkt zu werden, ihre Meinung für sich behalten und ihre Haltung als Meinung ausgeben.