Merkels Anti-Ostbeauftragter und die CDU

Der sächsische CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz hatte als Merkels "Ostbeauftragter" Bürgern der neuen Länder Demokratieunfähigkeit bescheinigt. Nun ist er bei den Wählern abgeblitzt (aber dennoch im Bundestag). Ob die CDU aus seinem Fall die richtigen Schlüsse zieht, könnte über ihr Schicksal entscheiden.

picture alliance/dpa/| Jan Woitas

In dem erlauchten Kreis derjenigen, die sich um die Nachfolge von Armin Laschet drängeln (wie Jens Spahn und Norbert Röttgen), obwohl sie sich beim Anrichten des Wahldesasters verdient gemacht haben, fehlt Marco Wanderwitz. Es wäre doch wirklich ungerecht, ihn hier auszuschließen. In der Leitung eines Ortsvereins dürfte er Erfahrung besitzen. Und auf diese Größe könnte die CDU schrumpfen, wenn sie so weiter macht.

Erinnern wir uns: Nachdem Christian Hirte als Ostbeauftragter in bester demokratischer Tradition dem frisch gewählten Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen Kemmerich gratuliert hatte, wurde er von der Bundeskanzlerin im Zuge der Flurbereinigung geschasst. Schließlich war sie gerade damit beschäftigt, eine demokratische Wahl, die ihrer Ansicht nach „unverzeihlich“ war, rückgängig zu machen. Den Job des Ausputzers übernahm für sie Christian Lindner, der sich zwecks „rückgängig machen“ sogleich nach Erfurt begab, seinen Parteifreund zum Rückzug drängte und damit den Weg frei machte für den Linken-Politiker Bodo Ramelow. Es sei nur in diesen Tagen daran erinnert, in denen Christian Lindner wieder jemanden zum Regierungschef machen will.

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Obwohl nach damaliger Absprache inzwischen längst der thüringische Landtag neu gewählt werden sollen, wurde der Wähler verschaukelt. Neuwahlen? Pustekuchen. Bodo Ramelow bleibt in bester SED-Manier einfach im Amt. Vielleicht ist es sogar am besten, im Osten die Wahlen ausfallen zu lassen. Schließlich könnten die Ostdeutschen wieder die Falschen wählen.

Schließlich hatte der (Anti-)Ostbeauftragte Wanderwitz mit schneidender Intelligenz in einem Interview klar erkannt: „Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind.“ Nur ein geringer Teil der AfD-Wähler sei „potentiell rückholbar“. Er sehe „keinen Lösungsansatz mehr, außer die Brandmauer möglichst hoch zu ziehen“.

Damit hatte er die Brandmauer aber auch zwischen vielen potentiellen CDU-Wählern und der CDU hochgezogen. Wie man am Wahlergebnis in Sachsen sieht, hat Wanderwitzens Brandmauer sogar vorzüglich gehalten. Böse Zungen fragten deshalb schon, ob Marco Wanderwitz Wahlkampf für die AfD mache, oder gar der beste Wahlkämpfer der AfD im Osten wäre?

In den ostdeutschen Landesverbänden rumort es seitdem. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Umgang mit demokratischen Wahlen nicht eben zartbesaitet ist, ging diese Äußerung aus taktischen Gründen zu weit. Wanderwitz dürfte die CDU im Osten vor allem deshalb Stimmen gekostet haben, weil Wähler den Eindruck bekamen, dass er nur aussprach, was man im Parteiapparat der CDU über den Osten denkt.

Seinen Wahlkreis verlor Wanderwitz an die AfD. Doch man muss sich keine Sorgen um ihn machen, denn er rutscht über die Landesliste ins Parlament. Sozial ist Marco Wanderwitz abgesichert. Den Preis dafür hat die sächsische CDU und haben viele Abgeordnete entrichtet, die nicht so komfortabel auf der Landesliste wie er abgesichert worden waren. Eigentlich müsste Wanderwitz nach allem sein Mandat zurückgeben.

Statt Marco Wanderwitz übernimmt den Vorsitz der sächsischen Landesgruppe der CDU im Bundestag nun der Zwickauer Carsten Körber. Laut Sächsischer Zeitung soll Wanderwitz die Sitzung ohne Aussprache mit seinen Kritikern verlassen haben.

Dass nun Krokodilstränen um ihn ausgerechnet in Blättern vergossen werden, die nicht unbedingt als unionsfreundlich gelten, sagt im Grunde alles aus. Martin Machowetz hat früher das Ost-Ressort der Zeit geleitet und nun das Ressort „Streit“ übernommen, eigentlich ein überflüssiger Job im grünen Wohlfühlmagazin, in dem man mit niemandem spricht, der rechts von grünen und roten Positionen ist. Machowetz twitterte zum Beispiel: „Hatte immer viel Kritik an @wanderwitz. Hab mich häufig über seine Thesen geärgert. Ich wünsche mir, dass dieser sehr begabte und schon auch mutige Politiker nicht allein für das Ergebnis verhaftet wird, das sehr in Berlin verantwortet wird. Und dass er stark zurückkommt #Sachsen“. Man muss wohl schon bei der Zeit arbeiten, um zur Erkenntnis zu kommen, dass Marco Wanderwitz begabt und mutig sei. Was Machowetz Mut nennt, ist nur die Tatsache, dass sich Wanderwitz als 150-prozentiger Merkelianer einfach verzockt hat. Mutig wäre es gewesen, den Job des Ostbeauftragten nach dem Umgang mit Hirte abzulehnen.

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Aber natürlich passen die Thesen des Marco Wandewitz so sehr zur Zeit, dass man glauben könnte, er hätte sie dort aufgelesen. So hatte Zeit-Autor Christian Bangel beispielsweise schon vor längerem empfohlen: „Wer den Osten dauerhaft stabilisieren will, der muss vor allem für eines kämpfen: Zuwanderung. Massiv und am besten ab sofort. Zuwanderung aus dem Westen, Binnenzuwanderung aus den großen Städten in die ländlichen Räume, und ja auch gezielte Migration aus dem Ausland.“ Heißt: Wenn uns das Wahlergebnis nicht gefällt, wird ohne Pardon aus- und umgesiedelt, bis eine Bevölkerungsstruktur erreicht ist, die genau die Wahlergebnisse bringt, die wir von der Zeit uns wünschen.

Der CDU stehen Tage ins Haus, die einen Richtungsstreit unumgänglich machen. Ob der Richtungsstreit stattfindet oder ob ein Parteiapparat, der sehr von Angela Merkel geprägt wurde, ihn verhindert und die Linie Röttgen und auch Wanderwitz sich durchsetzt, wird man sehen.

Das Wahlergebnis – und da sollte man sich in der CDU nichts vormachen – hat eines gezeigt: Die Geduld – vor allem der Wohlwollenden – mit der Partei ist definitiv zu Ende. Sie hat ihr Konto mehrfach überzogen und steht gesellschaftspolitisch vor der Insolvenz.


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Kommentare ( 32 )

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jorgos48
3 Jahre her

Herr Herles hat im TV das Richtige zu Merkels Charakter gesagt. Egozentrisch.

Fussl
3 Jahre her

Dem Hinterbänkler Wanderwitz sollte man gar keine Plattform bieten.Der könnte noch nicht einmal eine Vereinsführung hinbekommen!Der bayrische Bürger kann es in vierzehn Tagen vormachen,wie mit schlechten politischen Fachkräften zu verfahren ist !

jorgos48
3 Jahre her

Die Schleimer und Opportunisten bekommen die Rechnung präsentiert. Das Sachsenbashing geht in etlichen Foren noch weiter. Immer noch wird den Sachsen das Nazietikett angehängt. Es mag in der AfD seltsame Mitglieder geben, wie Höcke, solche die keinen EU Staat wollen und den Nationalstaat erhalten möchten. Und die, die sich der Deutschen Nation verpflichtet sahen. Die hat es früher auch in der CDU und in der FDP (Mende) gegeben. Eine Kanzlerin die auf öffentlicher Bühne unsere Flagge entsorgt (Winkelement) ist für mich und viele Andere sicher kein Vorbild.

Tatsachenrechercher
3 Jahre her

Lieber Herr Mai,
wenn man sich diesen wandelnden Witz vor dem CDU-Plakat anschaut, dann freut es mich außerordentlich, dass die CDU-Wähler diesen Aufruf der CDU in Sachsen ausgesprochen gerne und aktiv wahrgenommen haben: „Unsere Heimat braucht Macher, anstatt Spalter“.
Bravo und Herzlichen Glückwunsch!

P.S. Soviel Gesunden Menschenverstand wünscht man sich im Rest der Republik …

kurase
3 Jahre her
Antworten an  Tatsachenrechercher

Wenn Bürger mit ca. 25% die AfD in einer demokratischen Wahl wählen – immerhin eine Partei die seit Jahren im Parlament ist- und diese Partei so systematisch beschimpft und übergangen wird, was es übrigens noch nie in Deutschland gegeben hat – muss man die Demokratie hierzulande infrage stellen. Es sollte nur um Demokratie gehen und nicht darum, ob uns einige Personen dort nicht passen.

ewiger Atheist
3 Jahre her

Das Ergebnis für Wanderwitz und Folgen für ihn, der Einzug in den Bundestag auf Landesliste zeigt nur, dass die schnelle Umsetzung der Neustruktuierung des Bundestag( Verkleinerung) und ein angepaßtes Wahlsystems umgehend angegangen werden muß. Auch sollte darüber nachgedacht werden, wie einer Selbstbedieungsmentalität unter deutschen Politikern entgegen gewirkt werden kann. Über Zuwanderung nur soviel, gerade am Beispiel NRW ist zu erkennen, was eine unkontrollierte Migration bewirkt. Auch im Osten gibt es Migration, nur ist diese nicht so erheblich wie in manchen westl. Bundesländern. Das mag auch daran liegen, dass die Clanstrukturen hier noch nicht so verfestigt sind, „Fortschritte“ sind aber erkennbar.… Mehr

Vielfahrer
3 Jahre her

Dass Körber keinen Deut besser ist als Wanderwitz – ganz im Gegenteil – zeigt sich in seinem Interview mit dem „Sachsenspiegel“ vom 27.09.2021:
https://www.mdr.de/sachsenspiegel/video-558696_zc-61a459d2_zs-4ccc2d21.html
Ab Minute 2:25 wird es richtig interessant!
Fazit: Die CDU hat nichts, aber auch gar nichts begriffen!

Michael Scholz
3 Jahre her

Bangel: „…und ja auch gezielte Migration aus dem Ausland.“ 
Was der „Zeit“-Bangel da von sich gegeben hat, ist doch reinster Rassismus. Eine Art neuer „Generalplan Ost“ – sogar der Name passt – nur unter umgekehrtem Vorzeichen.

jorgos48
3 Jahre her
Antworten an  Michael Scholz

Von den Chinesen lernen, heißt Siegen lernen. Nach der Okkupation Tibets wurden Millionen Han Chinesen nach Tibet umgesiedelt. Tibet wurde Umgevolkt.

josefine
3 Jahre her

Sicherlich wollte der Parlamentarische Rat, der zwischen 1948 und 1949 das GG entwickelte, wollte ein gerechtes Wahlsystem. Da verliert 2021 ein CDU-Abgeordneter haushoch, weil er von den Wählern in seinem Wahlkreis auf grund seiner verschiedenen Äusserungen nicht als der Mann gesehen wird, der seinen Wahlbezirk in Berlin erfolgreich vertreten wird. Seine Bemerkungen über Bürger der ehemaligen DDR waren ehrabschneidend, gemein usw. Untragbar! Aber die Nichtwahl macht dem CDU-Vertreter nichts aus: Er hat einen sicheren Platz auf der Landesliste und kann lachend wieder ins Parlament einziehen. Eine unsägliche Situation für die Wähler! Sie hätten sich die Wahl „schenken“ können! Herr Wanderwitz… Mehr

Gjergj Kastrioti
3 Jahre her
Antworten an  josefine

So ist es – weg mit der Zweitstimme! 299 Abgeordnete im Bundestag reichen, nämlich diejenigen, die demokratisch die meisten Stimmen auf sich vereinen. Die können auch jeder zugelassenen Partei oder eben gar keiner Partei angehören, das würde den ganzen Parteienfilz mal richtig ausvertikutieren und hätte zudem den Vorteil, dass der Steuerzahler weniger als die Hälfte den Abgeordneten bezahlt wie jetzt.

Max Anders
3 Jahre her

Dieser arrogante Wanderwitz steht für alles, was in der CDU generell und im Speziellen im Umgang mit den Ost- oder besser Mitteldeutschen (Sachsen, Anhaltiner und Thüringer) seit Jahrzehnten schief läuft. Durch die unverhohlene Rückbombung in gesellschaftliche Verhältnisse wie in der DDR (Grenzschließungen, Ausgangssperren, Auftritts“verbote“, Gewerbeuntersagungen und de facto Berufsverboten, Denunziation, ja und mittlerweile auch wieder Mangelwirtschaft) gibts für die Generation der ab Mitte der 60er Geborenen ein Deja Vue. Deren Kinder habens auch ansatzweise in den Genen und ziehen zumindest moderat mit (siehe U18 Wahlen). Das erklärt sehr viel vom Zustandekommen des „blauen Bandes“ vom Mansfelder Land und der Wartburg… Mehr

Olli
3 Jahre her

Als Merkel 2017 bezüglich dem Einzug der AfD mit 13 % in den Bundestag befragt wurde, antwortete sie patzig sinngemäß „Wir haben doch noch 87 %.“ In dieser Denkweise hat Marko Wanderwitz alles richtig gemacht. Die Beschimpfungen waren doch nicht an die Ossis gerichtet, sondern an die Wähler im Westen. (Das erste Interview in der FAZ) Motto : Nur Dumme und in der Diktatur sozialisierte wählen AfD, aber ihr doch nicht, welche schon seit Adenauer demokratisiert wurden. Der Plan ist aufgegangen. Die AfD hat im Westen massiv Stimmen verloren und Merkel könnte heute verkünden: “Wir haben 90%“. Die Verluste der… Mehr