Wie und ob sich der Anschlag auf AfD-Chef Tino Chrupalla auf die Wahlen in Hessen und Bayern auswirken wird, ist unklar. Doch das Gefühl verbreitet sich, die Dinge kämen ins Rutschen - das wird diese Wahlen bestimmen.
Nach dem Anschlag auf AfD-Chef Tino Chrupalla kam in den sozialen Netzwerken das Wort vom „Bürgerkrieg“ auf, in dem wir uns befänden. Das ist einerseits unpassend, weil es die Situation in Deutschland recht unzutreffend beschreibt. Andererseits erfüllt es seinen Zweck, weil es zum Ausdruck bringt, dass Dinge ins Rutschen gekommen sind – und in Deutschland derzeit nur noch die Unsicherheiten wachsen.
Dass die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kommen konnten, hing stark mit der Angst des Bürgertums vor einem gewalttätigen Aufstand der Kommunisten zusammen. Das woke Bürgertum heute wiederum wirft gerne das Bild vom bevorstehenden gewalttätigen Aufstand der „Nazis“ an die Wand – womit dessen Vertreter allerdings in Rundumschlägen von AfD über Union bis zu Nena oder Rudi Völler alles meinen, was ihnen nicht passt. Im neuen sozialen Netzwerk „Bluesky“ blocken Linke zum Beispiel andere als „Nazis“, weil diese Kontakt zu Menschen vom Fischer-Verlag hatten.
Doch die Situation heute ist mit der von 1933 nicht annähernd zu vergleichen. Seinerzeit war die Gesellschaft anderthalb Jahrzehnte nach dem großen Krieg durch und durch militarisiert. Entsprechend haben sich Nationalsozialisten, Kommunisten und Weimarparteien Privatarmeen gehalten. 80 Jahre später gilt es in der Bundesrepublik als unanständig, wenn Leute auf der Kirmes auf Plastikblumen schießen. Wer noch Wehrdienst geleistet hat, ist heute mindestens in seinen persönlichen 30ern. Wer nach 1990 zur Bundeswehr kam, weiß, dass die damals schon nicht mehr viel mit einer Armee gemeinsam hatte. Deutschland 2023 ist von einem Bürgerkrieg so weit entfernt wie ein Altersheim in Ruhpolding vom Marsch auf Berlin.
Aber so unzutreffend das Wort vom „Bürgerkrieg“ ist, so spiegelt es doch ein Lebensgefühl wider, das mit dem der frühen 30er Jahre durchaus vergleichbar ist. Die Dinge sind ins Rutschen gekommen: Wirtschaftlich sackt das Land ab, während seine Regierung eine wirtschaftsfeindliche Politik betreibt. Gesellschaftlich holen sich die Eliten Privilegien raus, die sie gegenüber dem Rest des Landes unglaubwürdig erscheinen lassen.
Das beginnt mit Klimaklebern, die Bürger am Weg zur Arbeit hindern – wegen des „Klimaschutzes“ – um dann selber privat nach Bali oder Mexiko zu fliegen. Das geht weiter mit Reportern des Staatsfernsehens, die fordern, Fliegen müsse so teuer werden, dass es sich nur noch die Reichen leisten können – wegen des „Klimaschutzes“. Versteht sich von alleine, dass vorher die Zwangsgebühren stark genug erhöht werden müssen, damit er zu den Reichen gehört – womit er im Internet dann auch entsprechend strunzt.
Der Vertrauenslust in die Eliten reicht tiefer. Er stellt sogar das Gefühl der Rechtssicherheit in Gefahr: Wenn das Verfassungsgericht nur noch gegen die Regierung entscheidet, wenn es gar nicht anders geht – und dann seine Entscheidung weit nach hinten verlegt, um der Regierung keine Probleme damit zu machen. Wenn Gegner der Corona-Politik wegen eines Betrug-Vorwurfs für neun Monate in Untersuchungshaft kommen, während sich Schwerverbrecher des Remmo-Clans aussuchen können, wann und ob sie ihre Haft antreten. Wobei eine Regierungspartei an alledem nur die Verwendung des Wortes Clans problematisch findet. Wenn Polizisten sicherstellen, dass Klimakleber Steuerzahlern den Weg zum Steuerverdienen verbauen können. Wenn vier Tage vor einer Wahl ein Oppositionspolitiker angegriffen wird – und ein deutscher Regierungschef ihn öffentlich ob seiner „Opferrolle“ verhöhnt. Oder ein hoch bezahlter Showmaster des Staatsfernsehens sich öffentlich wünscht, der Angegriffene wäre besser nie geboren worden. Dann ist das kein Bürgerkrieg – aber eine sprachliche Verrohung und Verunsicherung wie 1933, wofür die Leute lediglich noch nach passenden Worten suchen.
Aus den jüngsten Wahlen haben die Kartellparteien von der Ampel, der Linken und der Union Abstimmungen gegen die AfD gemacht. Davon haben fast immer die Ministerpräsidenten im Amt profitiert. Abgewählt wurden sie nur, wenn sie unmöglich, untragbar und inkompetent waren – so wie Tobias Hans (CDU) im Saarland. Am späten Wahlabend ließ sich dann meist versöhnt feststellen, dass die AfD deutlich unter 20 Prozent gehalten wurde.
Den Älteren ist dabei aufgefallen: Die Wahlbeteiligung war in der Berichterstattung kein Thema mehr. Früher kam keine Meldung über die Wahl ohne sie aus. Jetzt kann Staats-Talkerin Anne Will eine Stunde reden lassen, ohne auf den Fakt zu kommen, dass der Block der Nichtwähler bei den letzten Landtagswahlen mit Abstand größer war als die Wählerschaft jeder einzelnen Partei. 2018 lag die Wahlbeteiligung in Bayern bei 72,3 Prozent, in Hessen bei 67,3 Prozent. Da kann jeder für sich selbst aufpassen, wann und ob ARD und ZDF am Wahlabend über die Wahlbeteiligung 2023 reden werden.
Dass bei den jüngsten Landtagswahlen die Wahlbeteiligung immer stärker in Richtung 50 Prozent ging, ist ein Hinweis darauf, dass Dinge ins Rutschen gekommen sind. Ein anderer ist das Erstarken der Freien Wähler. Sechs Parteien haben sich in Deutschland etabliert und sitzen im Bundestag. Mit den Freien Wählern könnte eine siebte Partei hinzukommen, die dauerhaft eine Rolle spielt. In Bayern verteidigen die Freien Wähler voraussichtlich ihre Regierungsbeteiligung, in Hessen könnten sie in ihren dritten Landtag einziehen. Die Umfragen sind entsprechend.
Die Wahl-Arithmetik sieht aber nur 100 Prozent vor. Die teilen sich dann künftig sieben größere Parteien, mit der Wagenknecht-Partei zeichnet sich ein möglicher achter Player ab. Zweierbündnisse sind nach Stand der Umfragen im Bund schon jetzt nicht mehr möglich. In Thüringen reicht ein Dreierbündnis bereits nur noch für eine Minderheitsregierung. Nächstes Jahr wird sich die CDU dort entscheiden müssen, ob sie diesen Zustand für weitere fünf Jahre verfestigt – oder ob die Partei Konrad Adenauers mit der heutigen SED koaliert. Zusammenarbeiten tun sie schon jetzt. Die Dinge kommen ins Rutschen.
Ein Beispiel dafür ist Markus Söder. Seine CSU-Vorgänger Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber holten in Bayern Ergebnisse von 62,1 und 60,7 Prozent. Letzteres ist gerade mal 20 Jahre her. Söder würde sich am Sonntag wie ein Ludwig III feiern lassen, wenn er 40 Prozent holt – gelingen wird ihm das aber vermutlich nicht. Am Gefühl, die Dinge kämen ins Rutschen, hat der bayerische Ministerpräsident einen großen Anteil. Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Helmut Kohl waren Männer, die an ihrer Position festhielten, deren Wort galt. Markus Söder ändert seine Meinung öfter als eine Achtjährige vorm Faschingsball am Kleiderschrank.
Söder gehört zu einer Politikergeneration aus Karrieristen, die nicht wie ihre Vorgänger durch einen eigenen Lebensweg ins Amt gekommen sind. Sie haben von Kreißsaal, über Lehrsaal bis zum Plenarsaal ihr ganzes Leben auf dieses Amt ausgerichtet. Entsprechend geht es ihnen nicht darum, was sie damit machen – sondern nur darum, das Amt zu haben. Umfragen und öffentliche Stimmungen sind für diese Politikergeneration folglich wichtiger als Überzeugungen – entsprechend schlingern sie und verbreiten das Gefühl, dass Dinge ins Rutschen kommen.
Von diesem Phänomen verschont bleibt keine Partei. Auch nicht AfD oder Freie Wähler. Zuhause ist diese Politikergeneration aber bei den Grünen. Bei denen kommt noch eine toxische Mischung aus Arroganz und Ignoranz dazu. Ihre Vorsitzende Ricarda Lang hat auf Twitter erklärt: Wer in Bayern eine Regierung des Anstands wolle, müsse die Grünen wählen. Wer nicht grün wählt, ist demnach nicht anständig. Darunter machen Grüne es nicht.
Wegen ähnlicher Äußerungen hat sich „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck einst fluchtartig von Twitter zurückgezogen. Es sind keine Ausrutscher, es ist ein grünes Lebensgefühl: Grüne haben keine Meinung, sie haben Wahrheiten. Grüne müssen andere daher nicht überzeugen, andere müssen den Grünen folgen. Wer wie der Autor dieser Zeilen schon einmal für die Grünen gearbeitet hat, weiß: Sie handeln aus der Überzeugung, anderen moralisch überlegen zu sein – und sie scheitern persönlich immer wieder an ihren geringsten eigenen moralischen Ansprüchen.
Das ganze Jahr über wehren sich Grüne lauthals gegen „Hass und Hetze“ oder „sprachliche Verrohung“. Am Mittwoch gingen sie auf die Straße, vermeintlich um die Demokratie in Gefahr zu beschützen. Als am gleichen Tag ein Anschlag gegen einen Oppositionspolitiker erfolgte, als ein Koalitionspartner gegen den Betroffenen öffentlich hetzte, blieben sie aber stumm. Moralische Ansprüche erheben und moralischen Ansprüchen gerecht werden, geht bei den Grünen weit auseinander. Den Anspruch propagieren grüne Medien wie ARD, ZDF und Süddeutsche Zeitung heftig – die Realität ignorieren sie konsequent. Auch dieser Widerspruch trägt dazu bei, dass sich das Gefühl verbreitet, die Dinge kämen ins Rutschen.
Die Wahlen am Sonntag bringen vielleicht den Aufstieg der Freien Wähler. Vielleicht kommt auch Sahra Wagenknecht endlich aus dem Schrank und gründet ihre eigene Partei. Aber im Wesentlichen wird alles beim Alten bleiben – Söder und Rhein (CDU) Ministerpräsidenten. Vor einem Bürgerkrieg steht das Land der Soja-Sörens und Sophie-Solveigs nicht. Nur mit dem Gefühl, dass Dinge ins Rutschen kommen, müssen seine Bewohner leben. Der Sonntag könnte dazu führen, dass diese Politikergeneration ihre Attitüde grundsätzlich in Frage stellt – viel wahrscheinlicher ist aber, dass sie einfach so weitermacht.
TE-Wahlwette Hessen
Ihre Wetten nehmen wir ab sofort entgegen. Unsere Buchmacher öffnen ihre Schalter. Wer über alle genannten Parteien hinweg am nächsten an den Ergebnissen landet, gewinnt.
Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (08.10.2023) um 17:35 Uhr. Das Wettergebnis wird bis einschließlich Montag, den 09.10.2023, veröffentlicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Auf die Gewinner wartet:
1. Platz: eine Flasche Champagner von Roland Tichys Tante Mizzi aus Verzy
2. Platz: zwei Bücher aus dem Shop nach Wahl
3. Platz: ein Buch aus dem Shop nach Wahl
++ Abstimmung geschlossen ++
Zur TE-Wahlwette Bayern geht es hier >>>
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
„Nächstes Jahr wird sich die CDU dort entscheiden müssen, … ob die Partei Konrad Adenauers mit der heutigen SED koaliert.“ Lieber Herr Thurnes, es ist in Thüringen nicht die Partei Konrad Adenauers, sondern die Blockpartei Otto. Nuschkes, die seit ihrer Gründung 1945 weiß, wer in einer Regierung das Sagen hat: die SED bzw. deren Rechtsnachfolger im vereinten Deutschland. Insofern nichts Neues unter der Sonne Thüringens. Nur das Zettelfalten als Ausdruck der höchsten Form der Demokratie fehlt noch. Aber ich bin sicher, das wünscht sich der Verkäufer aus Hessen Ramelow genauso wie der Dachdecker aus dem Saarland Honecker.
Jeder Bürgerkrieg beginnt mit einem Kulturkampf; und den haben wir definitiv. Die Selbstlegitimierung einer Gruppe oder Partei, hier der Regierung, im Namen der Moral oder #höheren# Zielen alles tun zu dürfen, ohne sich um Recht und Gesetz zu scheren, führt zwangsläufig entweder in den Bürgerkrieg oder direkt in die Diktatur. Was wäre besser?
Zitat: „Doch die Situation heute ist mit der von 1933 nicht annähernd zu vergleichen.“ (Zitatende) Dies kann man anhand vieler, klar zutage liegender Indikatoren auch anders sehen: Die Diffamierung der Demokratie als zu schwach für die Probleme der Zeit: Gegen Ende der Weimarer Republik wurde die Demokratie als zu schwach diffamiert gegen die Gefahren des sowjetischen Bolschewismus. Der totalitäre Staat müsse her. Heute ist es der angeblich menschengemachte Klimawandel für den die Demokratie zu schwach ist und weg muss. Das hat Göring-Eckart zu der Offenbarungsaussage gebracht zu sagen: „Es gibt ökologische Tatsachen jenseits der Mehrheitsentscheidung.“ Noch deutlicher war der Umwelt-Ideologe… Mehr
Das die Blockparteien einigende Prinzip ist ja die Überzeugung, dass der (nichtexistente und deshalb nicht bedrohliche) Klimawandel menschengemacht sei und dass Deutschland dazu ausersehen ist, ihm so schnell wie mit drastischen Massnahmen Einhalt zu gebieten, um die Welt zu retten. Diese Überzeugung verdummt 80% der Bevölkerung. Das beginnt schon in der Vorschule. Ein Politikwechsel ist nur möglich, wenn dieser absurde Unsinn als solcher entlarvt wird. Dies wird erst kommen, wenn die Deutsche Misere so extrem wird, dass nach Gründen dafür gesucht wird. In diesem Sinne sind die Umfrageerfolge der AfD eher warnend und deswegen kontraproduktiv. Das Ende der Misere wird… Mehr
Bei meinen Wohnung war noch nie ein Hartzer unter den Interessenten, Ausländer ja, aber die waren bestens gestellt.
Was denken Sie, was diese Leute erst an Steuern & Abgaben zahlen ins Sozialsystem? Genau wie ich, übrigens auch auf die Einkünfte aus Vermitung und Verpachtung.
Egal wie die beiden Wahlen (im Rahmen des Erwartbaren) ausgehen, es wird deshalb nichts anders, es wird nichts passieren. Da kann man 2 Prozentpunkte hier oder da hoch- und runterjodeln.
Am meisten erschreckt mich, wie weit die Manipulation, um nicht zu sagen Gehirnwäsche, bereits fortgeschritten ist. Rechts und links sind beide durchaus legitime Ansichten. Links im ursprünglichen Sinn bedeutet mehr staatliche Lenkuing des gesellschsaftlichen und wirtschaftlichen Lebens, also wenig Eigenverantwortung und mehr staatliche Fürsorge. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl, sprich Patriotismus ist zwar heute unter den Linken verpönt, war bei früheren Linken durchaus vorhanden. Rechts dagegen dedeutet nur minimaler staatlicher Einfluß zum Beispiel in Kernbereichen wie Verteidigung, innere Sicherheit und bestmmte Sozialstandards, aber ansonsten persönliche Eigenverantwortung im privaten wie wirtschaftlichen Bereich und Festhalten an zur Zeit verachteten Werten wie Familie, Fleiß, Respekt, Disziplin… Mehr
Schon seit vielen Jahren erleben die etablierten Parteien einen Niedergang an Zustimmung. Das führt aber nicht zu Veränderungen in ihrer Politik. Das lässt nur den Schluss zu, dass sie keine Zustimmung benötigen, um zu herrschen. Mittlerweile lassen sie ihre Verachtung gegenüber dem Volk auch offen erkennen. Was nicht passt, wird passend gemacht.
110 % Briefwähler werden schon für die nötige Stabilität sorgen. „Es kommt nicht darauf an, wer wählt, es kommt darauf an, wer auszählt“ (sinngemäß Josef Dschugaschwili)
„Von diesem Phänomen verschont bleibt keine Partei. Auch nicht AfD oder Freie Wähler.“
Wobei bei der AfD die allermeisten Politiker zumindest auf Bundesebene eine abgeschlossene Berufsausbildung und/oder ein abgeschlossenes Studium sowie in aller Regel auch mehrjährige Berufserfahrung haben. Nur nebenbei…