Von der anfänglichen AfD war die FAZ geradezu begeistert

FAZ und FAS begleiten die neue Partei 2013 mit einer gewissen Sympathie, melden das „rasante Wachstum“ der Partei ebenso wie die Ergebnisse von Meinungsumfragen, wonach 24 Prozent der Deutschen sich vorstellen könnten, AfD zu wählen.

© Axel Schmidt/Getty Images
Bernd Lucke in den Anfängen der AfD.

Als die europäischen „Rechtsaußen“-Parteien kürzlich in Koblenz von einer Kanzlerin Frauke Petry träumten, hatte ihr Ehemann Marcus Pretzell dafür gesorgt, dass viele Journalisten draußen vor der Tür bleiben mussten. Auch der FAZ wurde die Akkreditierung verweigert. Dass ein FAZ-Kollege es dennoch schaffte, in die Halle zu kommen, spricht nicht gerade für das Versprechen der AfD, im Land wieder für Ordnung zu sorgen. Festzuhalten ist: Aus der Sicht der AfD gehört die FAZ zur „Lügenpresse“. Mancher Parteigenosse wird bei der FAZ sogar an „Feindpresse“ denken.

Wie sich die Zeiten doch ändern. Vor drei Jahren – zwischen der AfD-Gründung am 6. Februar, ihrer ersten öffentlichen Veranstaltung am 11. März und dem ersten Parteitag am 14. April 2013 – waren die Beziehungen zwischen den Parteigründern und der bürgerlichen FAZ noch deutlich besser. Man kann sogar sagen: Die nach eigenem Bekunden für „kluge Köpfe“ schreibende FAZ-Redaktion begleitete die Anfänge der AfD anfänglich geradezu mit Wohlwollen. Das galt besonders für die Wirtschaftsteile von FAZ und FAS, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Dort schrieben und schreiben besonders viele Euro-Kritiker und Europa-Skeptiker. Und denen kam die AfD wohl gerade recht.

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung begrüßte die AfD am 3. März 2013 freudig als „Die neue Anti-Euro-Partei“. In dem Artikel hieß es weiter: „Das Personal der Initiatoren und der Unterstützer spricht dafür, dass sie Chancen im bürgerlichen Milieu haben. Zu den Unterstützern gehören überproportional viele liberale und konservative Professoren, die Lehrstühle für Volkswirtschaft innehaben oder hatten.“ Die FAS, die etwa ein Viertel ihrer Leser im Rhein-Main-Gebiet hat, warb auch gleich für die erste öffentliche Veranstaltung: „Eine Auftaktveranstaltung ist auch schon geplant: Am 11. März um 19 Uhr 30 in der Stadthalle Oberursel mit dem Titel: ‚Damit Europa nicht am Euro scheitert‘. 250 bis 400 Leute passen in den Saal, je nachdem wie man die Stühle stellt.“ Nun, es sollten – nicht zuletzt dank der FAZ-Werbung – viel mehr werden.

Die FAZ war über den Start der neuen Partei offensichtlich erfreut: Sie berichtet am 13. März gleich drei Mal in großen Artikeln über Oberursel: im politischen Teil, im Wirtschaftsteil und zusätzlich noch im Regionalteil Rhein-Main-Zeitung. „Eine Graswurzelbewegung gegen den Euro“ überschrieb die Wirtschaftsredaktion den Bericht über die Veranstaltung: „Bevor die Massen in die graue Stadthalle strömen, geben die Parteigründer eine Pressekonferenz. Für eine Partei, die erst seit knapp einer Woche eine Internetseite hat, ist das Interesse riesig. Etwa zwei Dutzend Journalisten wollen etwas über die neue Partei mit dem Namen ‚Alternative für Deutschland‘ wissen. Vor der Tür filmt ein italienisches Kamerateam. Im holzvertäfelten Saal drehen weitere TV-Teams, Radioreporter halten Bernd Lucke ihre Aufnahmegeräte unter die Nase. Der schlanke VWL-Professor aus Hamburg, der trotz seiner 50 Jahre noch ein ganz jungenhaftes Gesicht mit spitzem Lächeln hat, beantwortet geduldig die Fragen.“

Im politischen Teil wurde besonders darauf abgehoben, dass die Zwischenwände in der Stadthalle entfernt werden mussten, damit „mehr als 1200 Leute“ an diesem „frostigen Winterabend“ Platz finden konnten. Zudem vermerkt der Bericht, dass die meisten Teilnehmer – „viele ältere silberhaarige Herren mit Sakko“ – aus „wohlhabenden Taunusgemeinden“ und der „Eurostadt Frankfurt“ gekommen seien. Klassisches FAZ-Publikum also.

FAZ und FAS begleiten die neue Partei in den folgenden Wochen mit einer gewissen Sympathie, melden das „rasante Wachstum“ der Partei ebenso wie die Ergebnisse von Meinungsumfragen, wonach 24 Prozent der Deutschen sich vorstellen könnten, AfD zu wählen. Ein paar Tage nach der Oberurseler Veranstaltung portraitierte die FAS den AfD-Mitbegründer Bernd Lucke so: „Das Prätentiöse der Professoren-Zunft geht Lucke komplett ab. Er kommt in Windjacke, Pullover und Rucksack zum Treffpunkt gelaufen wie zum Familienausflug in den Zoo mit Fanta, Butterkeks und einer Thermoskanne Kaffee für die Erwachsenen. Das ist aber nur eine Phantasie, die ein wenig in die Irre führt. Denn harmlos ist Lucke nicht. Man spürt nicht nur seinen optimistischen Drive, sondern Selbstdisziplin, eine zarte Spitzbübigkeit und – Ehrgeiz. Jetzt will er in den Bundestag.“

Weiter heißt es: „Was den Mann im Innersten treibt, weiß er höchstens selbst zu sagen. Doch ein paar Indizien unterstützen folgende These: Er sieht die deutsche Eurorettungspolitik als so gefährlich für künftige Generationen an, dass Schweigen verboten ist, zumal für Experten. Dafür ist der Konservative aus der CDU ausgetreten und setzt seinen Ruf aufs Spiel, inklusive seiner akademischen Reputation, für eine Partei, der Demoskopen bisher nur Splitterparteien-Resultate zubilligen.“ Ein Ritterschlag von den Frankfurter Ordoliberalen: Da riskiert ein Mann seine Karriere, weil er den Euro genauso skeptisch sieht wie die FAZ-Wirtschaftsredakteure.

Am 14. April, dem Tag des ersten AfD-Parteitags in Berlin, setzt sich die FAS mit Spekulationen auseinander, die AfD könnte so schnell aufsteigen und so schnell wieder untergehen wie die Piraten. Doch die Sonntagszeitung hält tapfer dagegen: „Allerdings spricht der Kreis ihrer Unterstützer – Ökonomieprofessoren, Richter, Generäle a.D. – dafür, dass die AfD weit weniger Probleme mit Hierarchien, Regeln und Parteiausschlüssen bekommen dürfte als die Piraten. Ebendieser Kreis ist es auch, der Union und FDP wichtige Stimmen rauben könnte. Geschickt inszeniert sich die AfD als Partei der Euroexperten – und wem würde man bei diesem Thema mehr Kompetenz zutrauen als den Ökonomen? Komisch nur, dass die Antworten der AfD auf all die komplizierten Fragen so ungeheuer einfach klingen.“

Irgendwann haben auch die AfD-Bewunderer in der FAZ-Redaktion gemerkt, dass die AfD sich – wie einst die Piraten – bald in bis heute anhaltenden Streitereien, Eifersüchteleien und Intrigen aufrieb. Ebenso wird schnell deutlich, dass ökonomische und politische Kompetenz nicht zwangsläufig zwei Seiten derselben Medaille bilden. Im Gegenteil: Mancher Ökonomie-Professor erwies sich als hilfloser politischer Dilettant. Zudem entpuppte sich die aus FAZ-Sicht eurokritische Lichtgestalt Lucke als Parteistratege, der ganz gezielt die Wähler am ganz „rechten“ Rand („Entartungserscheinungen der Demokratie“) zu ködern versuchte, bis er von seinen noch rechteren Antipoden gestürzt wurde. So hat das Frankfurter Blatt, einst wohlwollender AfD-Begleiter, längst den Kurs geändert. Die AfD – siehe Koblenz – der FAZ gegenüber auch.

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