Viessmann und die Realität führen Bundesministerin Geywitz böse vor

Bauministerin Klara Geywitz erzählte bei Anne Will, die Regierung müsse die „Wärmewende“ unbedingt nächstes Jahr durchsetzen. Sonst würde die deutsche Wirtschaft Schaden nehmen. Keine zwei Tage später bricht diese Erzählung in sich zusammen.

Screenprint: ARD / Anne Will

Das Heizungs-Unternehmen Viessmann verkauft seine Heizpumpen-Sparte an ein amerikanisches Unternehmen. Das hat der deutsche Marktführer in diesem so schlagzeilenträchtigen Geschäftsfeld am Dienstag bekannt gegeben. Spannend sind die zeitlichen Abläufe. Keine zwei Tage vorher hatte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) in der Talkshow Anne Will vor drei Millionen Zuschauern erklärt, warum das Energiegebäudegesetz unbedingt schon nächstes Jahr in Kraft treten müsse. Dabei betonte sie, dass man deutsche Unternehmen stützen müsse – Viessmann erwähnte sie dabei ausdrücklich immer wieder. Um genau zu sein: viermal in 47 Sekunden.

— Susanne Baessler (@SusanneBaessler) April 26, 2023

Wie konfus sie agiert, zeigte sich in einem Zwiegespräch, das sie während des Talks mit CDU-Mann Jens Spahn hatte: Geywitz räumt ein, dass es in Deutschland derzeit zu wenige Wärmepumpen gebe. Warum sie dann nicht noch bis übernächstes Jahr wartet, um das Gebäudeenergiegesetz durchzubringen, fragt Spahn. Geywitz übertönt ihn allerdings mit: „Viessmann stellt bereits ganz viele Heizungen her.“

Am wichtigsten scheint für Geywitz dabei zu sein, dass ihr führende deutsche Heizungsindustrien – wie Viessmann – auf der letzten „Weltleitmesse für Heizung und Sanitär“ in Frankfurt gesagt hätten, sie würden gerade „Milliarden investieren“. Darum forderten die Heizungshersteller vor allem eines von Geywitz und der Ampel: Planungssicherheit. Also dass das Gebäudeenergiegesetz ab dem 1. Januar 2024 gelten soll. Sonst würde die „deutsche, sehr leistungsstarke Heizungsindustrie von asiatischen Wärmepumpenherstellern verdrängt werden“, befürchten die Heizungshersteller laut Kanzler Olaf Scholz’ Bauministerin. Die „Milliardeninvestitionen der Unternehmen fußen auf diesem Datum“, sagt sie weiter.

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Was sie nicht sagt: Unternehmen wie Bosch und Viessmann investieren nicht in den deutschen Markt. Das hat Wirtschaftsjournalist Hermann-Josef Tenhagen bei Anne Will deutlich gemacht. Oder es zumindest versucht. Anne Will unterbrach ihn, als er davon redete, Heizungshersteller würden ihre Wärmepumpen nun in Polen produzieren, statt in Deutschland. Als Beispiele nannte Tenhagen Bosch und Viessmann: Diese würden in Polen „natürlich auch für den deutschen Markt produzieren“. Mehr wollte Will dazu nicht hören.

Da wäre Realität in die Sendung gekommen. Doch die musste noch zwei Tage warten, bis sie sich offen zeigte: Da meldete Viessmann, dass es seine Marktanteile einschließlich der Wärmepumpen an seinen Konkurrenten Carrier Global aus den USA verkauft. Für 12 Milliarden Euro – 80 Prozent davon in bar und 20 Prozent als Aktienpaket. Dieser Bereich, offiziell „Climate Solutions“ genannt, legte im letzten Jahr einen Umsatzsprung von 3,4 auf 4,0 Milliarden Euro hin, wie die Welt berichtete.

Den Verkauf tätigt Viessmann genau in dem Moment, in dem der Wärmepumpenmarkt durch das Gebäudeenergiegesetz absehbar stark expandieren wird – ja staatlich geregelt expandieren muss. Durch den Verkauf in dieser historischen Stunde bricht das Unternehmen seine 105 Jahre alte Familientradition, die es immer wieder stolz betont hat. Warum? Der Unternehmer Viessmann begründet das damit, dass er sich nur gegen die asiatische Konkurrenz behaupten kann, wenn er die Kapazitäten erweitert. Geywitz und die Bundesregierung kommen mit ihrem Gebäudeenergiegesetz also offensichtlich zu spät.

Während der Chef von Viessmann vor kurzem noch mehr Technologieoffenheit forderte und vor einer einseitigen Ausrichtung auf die Wärmepumpe warnte, schrieb der politische Sprecher von Viessmann Kai Roger Lobo jüngst auf Linked In: „Endlich ist die Wärmewende Thema eins durch den Entwurf der Bundesregierung für das neue Gebäudeenergiegesetz.“ Mutmaßlich dürfte der Verkauf in die USA zu dem Zeitpunkt schon in die Wege geleitet worden sein.

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Warum Carrier Global jetzt in den deutschen Markt einsteigt, ist offensichtlich. Mit Viessmann erwerben die Amerikaner quasi auch 75.000 Installateure, die in 25 Ländern Produkte von Viessmann einbauen können. Vor allem in Deutschland. Durch die Ampel werden Handwerker nun händeringend gesucht. Carrier Global greift also das Geschäft ab, das Robert Habeck (Grüne), Geywitz und Konsorten ermöglichen.

Warum aber gibt Viessmann diese profitträchtige Branche auf? Dem Unternehmen fehlen die Kapazitäten, die Wärmepumpen so schnell zu bauen, wie es die deutsche Gesetzgebung erfordert. Damit würden automatisch die asiatischen Produkte den hiesigen Markt schwemmen – und davon würde Viessmann auch nicht profitieren. Das Gebäude-Energiegesetz schadet also dem deutschen Marktführer und zwingt ihn förmlich zum Verkauf.

Genau das wirft Spahn laut Medienberichten der Bundesregierung vor: Ihr Gebäudeenergiegesetz sei mit verantwortlich für den Teil-Verkauf von Viessmann an den US-Konzern gewesen. Schon spannend, dass solche Ergänzungen nötig werden – keine zwei Tage nachdem sich Deutschlands größte Talkshow ausführlich mit dem Thema beschäftigt hat. Schon bei Anne Will warnte Spahn, diese Wärmewende mit der „Brechstange“ erzeuge großen Druck auf deutsche Hersteller: Sie müssten binnen Wochen ihre Produktion hochfahren, sonst würden sie Marktanteile an asiatische Hersteller verlieren. Ein Verkauf des Marktführers in die USA ist allerdings nicht gerade eine deutliche Verbesserung.

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