Verteidigungshaushalt 2024: Es reicht nicht!

Deutschland kommt in puncto Sicherheit und Verteidigung nicht um mehr Planungssicherheit sowie eine dauerhafte Erhöhung der Ausgaben für Verteidigung und Zivilschutz herum. Es steht – welcher Bundesregierung auch immer – eine herausfordernde Dekade bevor.

IMAGO / NurPhoto

Der Verteidigungsetat soll laut „Ampel“-Planung angehoben werden: von 50,1 Milliarden im Jahr 2023 auf 51,8 Milliarden im Jahr 2024. Diese Steigerung um 3,4 Prozent ist angesichts des in weiten Bereichen unzureichenden Zustandes der Hauptwaffensysteme sowie längst überfälliger Neuanschaffungen und der Nato-Bündnisverpflichtungen nicht gigantisch, zumal man berücksichtigen muss, dass der Verteidigungsetat von 2022 auf 2023 von 50,4 auf 50,1 Milliarden gekürzt worden war.

Nun gut: Es gibt das im Rahmen der „Zeitenwende“ beschlossene 100-Milliarden-„Sondervermögen“ (eigentlich sind es Sonderschulden) für die Bundeswehr. Unter Rückgriff auf einen erheblichen Teil dieser Milliarden wird Deutschland die Nato-Verpflichtung, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, im Jahr 2024 wohl erfüllen können. Wahrscheinlich wird dieses Milliardenpolster auch ausreichen, um für die Jahre 2025 und 2026 das beim Nato-Gipfel vom 11. bis 12. Juli in Vilnius bekräftigte und für verbindlich erklärte 2-Prozent-Ziel zu schultern.

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Aber dann? Ab 2027 wird es wieder sehr eng. Denn erstens dürften die 100 Milliarden dann aufgebraucht sein, zumal diese Summe wegen Zinszahlungen und Teuerungsraten wohl eher auf 75 Milliarden zusammengeschmolzen sein wird. Zweitens dürften die „deutschen“ 2-BIP-Prozent nach 2026 ohne erhebliche Steigerungen des Regeletats auf 1,5 Prozent zusammenschnurrt sein. Drittens weisen die ganz großen neuen Projekte (F-35A, Chinook-Transporthubschrauber CH-47, neuer Kampfhubschrauber, Flottendienstboote, Munitionsbevorratung usw.) und die Bereitstellung von deutschen Brigaden im Baltikum über 2027 hinaus.

All die genannten Projekte wurden begonnen, ohne dass ihre Finanzierung auf Dauer gesichert war. Womöglich kommt der Bund dann ab 2026 um ein weiteres „Sondervermögen“ nicht herum. Viertens: Dauerhaft „nur“ rund 52 Milliarden würden bedeuten, dass die Betriebskosten der Bundeswehr den Rüstungshaushalt auffressen. Damit könnte Rüstung nicht mehr aus dem normalen Etat finanziert werden. Rüstung wäre dann nur noch aus Sondervermögen möglich. Oder aber es klafft nach Abfluss der 100 Milliarden unter der Maßgabe des 2-Prozent-Ziels ein Finanzierungsloch von 30 Milliarden.

Anders ausgedrückt: Von nachhaltiger Finanzplanung kann hier kaum gesprochen werden. Das gilt auch für Realisierung der am 14. Juni 2023 vorgestellten „Nationalen Sicherheitsstrategie“ (76 Seiten) mit dem Ziel der „integrierten Sicherheit“. Hier geht es um nicht-militärische Sicherheit und Resilienz, etwa mittels Technischem Hilfswerk (THW) oder Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

In einem aktuellen „Memo“ für die renommierte Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V. (DGAP) haben die beide Autoren Christian Mölling und Torben Schütz auf all die Probleme eindringlich und ungeschminkt hingewiesen. Die beiden schreiben klipp und klar: „Die Decke ist zu kurz … Es klaffen Lücken“. Die DGAP-Autoren weiter: Die für 2024 angekündigten Einzelbeiträge aus Verteidigungshaushalt (51,8 Milliarden), Sondervermögen (19,2 Milliarden) und Anteilen aus anderen Haushalten für Zivilschutz, Katastrophenschutz und dgl. (ca. 7 Milliarden) entsprächen insgesamt rund 78 Milliarden Euro. Um das 2-Prozent-Ziel bereits für 2024 zu erreichen, seien aber 85 Milliarden für Verteidigung erforderlich. Nach 2026 würden die Gesamtausgaben für Verteidigung nach bisheriger Planung massiv abfallen, wenn das „Sondervermögen“ aufgebraucht wäre und der reguläre Verteidigungshaushalt konstant bliebe.

Quelle: DGAP

Mölling und Schütz führen damit die Expertise des „ifo“ vom April 2022 fort. Dort heißt es:

„Relativ zum BIP betrugen die Verteidigungsausgaben Deutschlands in 1990 noch 2,5%, sanken bis zur Jahrtausendwende jedoch bereits auf einen Anteil von unter 1,4% der Wirtschaftsleistung. Auch die Diskussionen um das 2%-Ziel beim NATO-Gipfel 2002 sowie die internationalen Einsätze, u.a. im Kosovo und in Afghanistan, änderten wenig an den Verteidigungsanstrengungen. Im Gegenteil fielen die Verteidigungsausgaben unter der rot-grünen Bundesregierung sogar weiter bis unter 1,1% im Jahr 2005. Danach pendelte der Wert in den ersten beiden (schwarz-gelben und schwarz-roten) Kabinetten unter Bundeskanzlerin Angela Merkel jahrelang zwischen 1,1 und 1,2% des BIP. Insgesamt erhöhte sich der deutsche Verteidigungsetat von 2002 bis zum Jahr 2014 nur geringfügig um 5 Mrd. Euro (bzw. 10 Mrd. Euro seit 2005), was allerdings nicht einmal die Inflation dieser zwölf Jahre ausgleichen konnte.“ (Siehe auch hier).

Übrigens: Bezüglich 2-Prozent-Ziel sind derzeit die wenigsten der 31 Nato-Mitglieder Musterknaben. Nur 7 Nato-Mitglieder erfüllten 2022 das 2-Prozent-Ziel: Griechenland (mit 3,54 Prozent), USA (3,46), Litauen (2,47), Polen (2,42), Großbritannien (2,16), Estland (2,12) und Lettland (2,07). Das Schlusslicht bildet das reiche Luxemburg mit 0,62 Prozent, was dessen Permanent-Außenminister (seit 2004) Jean Asselborn von der „Lëtzebuerger Sozialistesch Aarbechterpartei“ aber nicht daran hindert, allüberall kräftig mitzureden (siehe hier).

Fazit: Deutschland kommt in puncto Sicherheit und Verteidigung nicht um mehr Planungssicherheit sowie eine dauerhafte Erhöhung der Ausgaben für Verteidigung und Zivilschutz herum. Es steht – welcher Bundesregierung auch immer – eine herausfordernde Dekade bevor. Wobei man noch nicht einmal absehen kann, welche Folgen der wie auch immer geartete Ausgang des Krieges in der Ukraine mittel- und langfristig haben wird.

Oder aber (Achtung: Polemik!) die „Ampel“ setzt die Retardierung und Deindustrialisierung der deutschen Wirtschaft fort. Dann sinkt das BIP, und 2 Prozent eines gesenkten BIP bedeuten dann auch weniger Milliarden für die Bundeswehr.


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Kommentare ( 25 )

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Nibelung
1 Jahr her

Fragen sie doch mal einen Insolvenzverwalter, wenn er die Unterlagen eines Schuldners sichtet und da spielt es keine Rolle ob es eine Firmen -oder Privatinsolvenz ist, denn die unterscheiden sich nur in wenigen Merkmalen, weil sie beide nicht rechnen können oder die Gier, das Unvermögen oder andere Einflüsse das Faß zum Überlaufen bringen, was den Regierenden nicht anders geht, denn die sind vom gleichen Stern und bilden keine Ausnahme, wenn es um falsches Geldverwalten geht. Die einzige Ausnahme, die alle Regierungsprotagonisten vom wirtschaftlichen Teil des Landes abtrennt ist die Tatsache, daß sie bei allem Tun dabei nicht in Haftung genommen… Mehr

November Man
1 Jahr her

Von den 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr sind bislang gerade mal 1,2 Milliarden bei der Bundeswehr angekommen. Die 100 Milliarden Euro schrumpfen schon ohne Ausgaben. Nach Angaben von Rafael Loss, Verteidigungsexperte beim European Council on Foreign Relations (ECFR), wurde ursprünglich geschätzt, dass nur 8 Milliarden Euro aus dem Sonderfonds als Zinsen für dieses zusätzliche Darlehen der Regierung gezahlt werden müssen. Aufgrund der steigenden Zinssätze sei diese Schätzung nun auf 13 Milliarden Euro gestiegen. Bleiben also noch 87 Milliarden Euro, die tatsächlich ausgegeben werden können. Hinzu kommen die Inflation und die Mehrwertsteuer, so dass nach Deckung aller zusätzlichen Kosten nur… Mehr

wat nu
1 Jahr her

Was soll das? Denken Sie der „Russ“ fällt morgen bei uns ein? Die einzige Verteidigung, die wir brauchen, ist die, die uns davor schützt, als Versall missbraucht zu werden. Es wird Zeit, uns an das zu erinnern, was uns zwei Kriege in Europa gelehrt haben sollten. Es bedarf keiner „Sektsteuer“, es bedarf die vehemente Forderung, Konflikte (insbesondere jene, die das Imperium USA und GB eingefixt haben) friedlich zu lösen! Ich will weder, dass mit meinen hart erarbeiteten Steuergelder sinnlos Waffen gekauft oder produziert werden und erst recht nicht, dass demnächst meine Kinder auf profitablen Schlachtfelder den Heldentod sterben dürfen. Wo… Mehr

Robert Guenther
1 Jahr her

Ich weiss garnicht was die mit den Milliarden noch ausrichten sollen?Die Bundeswehr wurde kontinuirlich seid 1990 kaputtgespart.Wehrmaterial von Schiffen,über Flugzeugen bis hin zu Panzern ,Schrott und veraltet.Man hat uns bei internationalen Nato-Einsätzen mitleidig belächelt.Und für was?Als nachwievor besetztes Land ,dass lediglich das an Waffentechnik besitzen darf, ,was uns unsere „Sieger“ uns zugestehen,sollen aber zunehmend Natoverpflichtungen wahrnehmen ?Unsere Bugutruppe taugt nicht mal mehr zur Heimatverteidigung Anstatt dieses heruntergewirtschaftete Fass ohne Boden weiterhin mit Milliarden an Geldern zu füllen…einstampfen den Laden und das eingesparte Geld besser in marode Schulen und Kindergärten stecken .Da ist es besser investiert.Dann müssen sich auch unsere Männer… Mehr

ImWindevonGerlinde
1 Jahr her
Antworten an  Robert Guenther

Die brauchen die Bundeswehr noch als Absicherung gegen das eigene Volk, sonst sehe ich auch keinen Sinn mehr darin

Stuttgarterin
1 Jahr her

Wenn sehr viel Geld auf einmal in öffentlichen Haushalten bereit gestellt wird, ist Misswirtschaft (vermutlich auch Korruption) nicht fern. Es würde genügen, wenn ordentlich mit den vorhandenen Mitteln umgegangen würde.
Wir sollten ansonsten unsere Kraft auf Diplomatie und Wirtschaftsstärke setzen (auch deshalb besser ohne Baerbock) und ansonsten die militärischen Basics in Ordnung bringen.
Es wurde ja viel geschrieben, dass deutsches Kriegsgerät nicht funktioniert – zum Export in die Ukraine taugt es aber dann doch….

nomsm
1 Jahr her

Nochmal zum mitschreiben: es fehlt insbesondere an Manpower. Es gibt keine Wehrpflicht mehr. Zudem hat sich dieser Staat selber aufgegeben als er 2015 nicht bereit war die Grenzen zu schätzen. Die Bundeswehr hat halt die Aufgabe das Staatsgeblez markiert durch Grenzen zu schützen vor einem militärischen Angriff. Da man das Staatsgebiet nicht schützen wollte oder konnte, so kann man auch hier fragen: warum dann die Bundeswehr fit machen. Unabhängig davon muss dieser Wille von der Bevölkerung ausgehen, den sehe ich nicht. Im Falle eines Krieges wäre das Heer binnen 14 Tagen aufgerieben. Wenn dann bräuchte ich eine territoriale verteidigung so… Mehr

Peter62
1 Jahr her

Warum überhaupt muss der Verteidigungshaushalt erhöht werden? Wer bedroht uns? Russland, sagen viele, also gut, wegen Russland muss der Verteidigungshaushalt erhöht werden. Russland hatte 2022 86,4 Milliarden USD für das Militär ausgegeben. Deutschland allein will über 50 Milliarden Euro ausgeben. Die Nato gab 2022 geschätzt 1,125 BILLIONEN USD für das Militär aus. Das ist 13 mal so viel, wie Russland ausgibt. Wer bedroht eigentlich wen?

Hans E.
1 Jahr her

Erstens ist der Etat schon exorbitant. Nicht mehr, sondern weniger EUR im Rahmen einer europäischen Abstimmung. Zweitens ist unser Land faktisch bankrott. Allein schon deshalb benötigen wir dringend eine europäische Sicherheitspartnerschaft unter Einbeziehung Russlands. Gerne in Abstimmung mit unseren US Freunden, aber nicht als Vasall.

cernunnos
1 Jahr her

Naive Frage, wo gehen die ~50 Mrd denn immer so hin? Ich war vor rund 20 Jahren beim Bund, da vergammelte schon alles. Und selbst G36 gab es nur ein paar, der Rest rannte mit G3 rum, meins war Baujahr ’68.

verblichene Rose
1 Jahr her
Antworten an  cernunnos

In Afghanistan haben sich die Leute in den Achtzigern mit Vorderladern gegen die Russen verteidigt!
Was „wünschen“ Sie sich?
Ein G2000, das um Ecken schiessen kann?
Entschuldigung, aber ich kann es nicht mehr hören!
Neue Gewehre? Mit Leuten, die damit bestenfalls Konserven vom Deckel befreien?
Europa benötigt MENSCHEN, die gut ausgebildet ÜBERHAUPT eine irgendwie geartete Verteidigung bewerkstelligen können.
Für meine Verhältnisse genügt dazu ein Kartoffelschälmesser!
MEHR Aufrüstung benötigt es für meine Verhältnisse also nicht.
Übrigens bedeutet Aufrüstung, dass man in Zukunft auf das Fussvolk verzichten kann, welches man heute noch „ausrüsten“ will!

Michael M.
1 Jahr her

Anstatt nach immer mehr Geld zu plärren, sollte man (das gilt übrigens auch für den Autor dieses Artikels) sich eher damit beschäftigen die vorhandenen Mittel deutlich effektiver einzusetzen. Andere Länder sind da offensichtlich deutlich besser aufgestellt.