Groß angekündigte Protest ohne großen Protest: Ulrich Vosgerau spricht in Erlangen

Wenn Ulrich Vosgerau zu einer Veranstaltung geladen wird, dann verspricht das Protest, zumindest was das politische Gegengewicht angeht. So geschah es am 23. August in Erlangen. Aber dann waren nur einige Protest-Opas und -Omas vor Ort. Von Samuel Faber

Wenn Ulrich Vosgerau zu einer Veranstaltung geladen wird, dann verspricht das Protest, zumindest was das politische Gegengewicht angeht. So geschah es am 23. August in Erlangen. Die Atlas-Initiative in Verbindung mit der Mittelstands-Union der CSU lud den Staatsrechtler ein, um einen Vortrag zu halten. Bereits im Vorfeld versuchte das „Aktionsbündnis für Courage Erlangen“, hinter dem laut Impressum der Deutsche Gewerkschaftsbund steht, möglichst viele Menschen zu einer Gegendemonstration zu bewegen. Die Lokalzeitung Nürnberger Nachrichten/Stadtteilausgabe Erlangen trommelte dafür mit Schaum vor dem Mund und erzählte noch einmal alle längst wiederlegten Correctiv-Storys von der angeblichen Remigrations-Wannsee-Konferenz ohne Konferenz und Wannsee und ohne Resignation nach. Klar. Bis sich neue Information bis Nürnberg/Erlangen herumsprechen kann es schon dauern. Vielleicht ist aber auch die Brieftaube abgestürzt, deren sich die Nürnberger Nachrichten wohl noch bedienen. Im Internet hätte man das sofort nachlesen können.  Oder ist Fehlinformation, neudeutsch „Fake-News“, die erklärte Absicht der Nürnberger Nachrichten? Man staunt.

Die Aktion betitelte das Bündnis wie folgt: „Die Mittelstands-Union der CSU hat Ulrich Vosgerau zum ‚Kamingespräch‘ in den Erlanger Bayerischen Hof eingeladen. Vosgerau ist CDU-Mitglied, vertrat anwaltlich Björn Höcke sowie die AfD-Parteistiftung und nahm am vom Recherchenetzwerk Correctiv aufgedeckten rechten Treffen ‚Geheimplan für Deutschland‘ in Potsdam teil. Gehen wir am 23.08. auf die Straße und zeigen, dass Vosgerau in Erlangen nicht willkommen ist. Die Menschenwürde ist unantastbar.“

Aufgrund dieser Aussage des Bündnisses waren auch Experten überrascht. So sagte der Jurist Christian Kott gegenüber Tichys Einblick: „Man darf zwar zur Täuschung der Öffentlichkeit einen Rechtsanwalt, der auch die AfD vertritt, ‚AfD-Anwalt‘ nennen, aber dann sollte man sich selbst weder ‚Aktion Courage‘ nennen noch sich ausgerechnet auf die Menschenwürde beziehen.“ Und in der Tat: Der Vortrag entbehrte dem Zuhörer alles, außer radikalen Thesen. Vielmehr referierte Vosgerau über das Thema, weshalb ihn die Mittelstands-Union und die Atlantik-Initiative eingeladen hatten: Europarecht.

Brüssel diktiert bundesdeutsche Gesetze

Doch das schien die Demonstranten wenig zu stören. Rund 50 Protestierende, hauptsächlich „Omas gegen Rechts“, gingen gegen den Vortrag auf die Straße. Vosgerau wird später bezüglich des „Potsdamer Treffens“ sagen, dass die allermeisten Prozesse entweder gewonnen wurden oder es gar nicht erst zu einem Prozess kam, da geneigte Medien bereit waren, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben, dass sie Unwahrheiten nicht weiter verbreiten dürfen.

Der Zuhörer des Vortrags musste das Groteske gespürt haben. In der Rede spricht ein Mann, der weiß, was er sagt, aber keinen Eindruck macht, radikal zu sein. Vosgerau wirkt sachlich, im ersten Teil professoral, als er über sein Thema des Abends, nämlich Europarecht, spricht. „Ich bin kein Rechter, ich sehe mich eher als Liberaler im Sinne von Hayek“, beginnt er seinen Vortrag. Was folgt, ist eine Abhandlung über den derzeitigen Zustand der Europäischen Union und weshalb sie wenig Raum für echte demokratische Entscheidungen lässt.

Laut Vosgerau möchte die Europäische Union keine Rechtsvorstellungen zusammentragen, wie es in Staatenbünden vorgesehen ist, sondern sie möchte erziehen. Als prominentestes Beispiel nennt er das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)“. Der Verdacht besteht, dass es nicht unbedingt den Wertevorstellungen der Bevölkerung entsprach. Doch die „Antidiskriminierungsrichtlinie“ kam von Brüssel, und Berlin setzte um, was die Kommission wollte. Das sieht der Jurist auch als den springenden Punkt.

Das Pariser Abkommen ist nicht bindend

Denn die EU-Kommission ist das eine. Doch der Klüngel dahinter, das Netz von Lobbyisten, ist für den Bürger kaum zu greifen. Daher ist dieses System, wie auch eine Zuschauerfrage deutlich machte, kaum zu fassen. Mehr noch: Man bekommt den Eindruck, dass eine unsichtbare Macht die Geschicke innerhalb der EU zu leiten versucht. Besonders deutlich wird das in Vosgeraus Formulierung der virtuellen Alleinzuständigkeit: „Die EU ist quasi schon ein Bundesstaat. Das heißt, der Staat kann nicht für alles zuständig sein, aber er kann sich zuständig erklären“, so Vosgerau.

Als wesentliches Beispiel dafür nennt Vosgerau die „Treibhausziele“. Die Europäische Union kontrolliert den Klimaschutz. Doch das Pariser Abkommen ist nicht bindend, eher eine Art der Selbstverpflichtung. Hält man sich nicht daran, werden Sonderwege erfunden. Doch für eine grüne Bewegung scheinen diese Ziele, auch „Green Deal“ genannt, als Gesetzlichkeit zu gelten. Dies ist laut Vosgerau jedoch nicht der Fall, sondern es bleibt eine Selbstverpflichtung von Staaten.

Von Rechtsradikalismus war keine Spur

Das Eingangsstatement Vosgeraus, er sei eher liberal, kommt im Laufe des Vortrags zum Vorschein: „Ökonomen sind sich uneinig, woher Wachstum kommt. Doch man ist sich einig, dass es etwas mit Innovation zu tun hat. Nach bisheriger Erfahrung sind es eher Unternehmen als Politiker“, so der Jurist. Etwas, was der eine oder andere Gesellschaftsingenieur wohl nicht so gerne hören wird. Doch es kommt für diese noch dicker: „Ein idealer Staat ist der, der sich zurückhält, Infrastruktur zur Verfügung stellt. Dann wären Politiker unauffällige Leute, die gar nicht im Vordergrund stehen.“

Wer vom Couragebündnis oder von den Nürnberger Nachrichten erwartet hätte, dass am 23. August in Erlangen ein ausgewiesener Rechtsradikaler gesprochen hat, der dürfte enttäuscht sein. Bekommen haben die Zuhörer einen sachlichen Beitrag über das Europarecht. Doch das dürfte die „Omas gegen Rechts“ wenig gestört haben. Als die Veranstaltung vorbei war, fand sich kein Demonstrant mehr auf der Straße. Vosgerau ist vielleicht kein ganz normales Mitglied der CDU und womöglich auch kein ganz normaler Jurist. Doch von Rechtsradikalismus, was die wenigen Demonstranten vehement vermuteten, war an diesem Abend keine Spur. Auch nicht von einem ernsthaften Protest, wie ihn das Bündnis und die Lokalzeitung anzuheizen versuchten. Ein paar ältere Herrschaften ohne notwendige Information im Kopf machen eben keinen wirklichen Protest. Und die Jüngeren und Klügeren informieren sich ohnehin hier: www.tichyseinblick.de/meinungen/affaere-correctiv-politisch-mediale-operation/

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Kommentare ( 4 )

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Rolfo
2 Monate her

Rechts und rechtsradikal wurden längst zusammengemixt. Rechts ist was nicht Nancys Schuhabdrücken folgt, was uns ja auch die treuen ARD-ZDF erklären,: Wie Straftaten eingeordnet werden müssen, Unternehmensabwanderungen, Heizungs- und Verbrennerverbote, demnächst Feinstaubverschärfungen gegen die Holzheizer.
Merke: Will man bis 2045 im Land klimaneutral („treibhausgasneutral“ — this science is settled!) „leben“, kommen die Zumutungen erst noch gegen die alles bisher wie Spielzeug aussieht.
Vielleicht erfindet man aber auch eine CO2-Heuchel-Abgabe nach Ozeanien, deren Algen und Moore alles inclusive kompensieren.

Ludwig von Gerlach
2 Monate her

Naja, wenn ich als Oma bei schwüler Hitze im Doppelzimmer des AWO-Altenheims säße, würde ich mir auch einen Vorwand suchen, auf die Straße zu gehen. Der Besuch im Pennymarkt bringt nicht in die Gazetten, also lieber „gegen rechts“. Lasst den Alten ihrem letzten Spaß.

Tacitus
2 Monate her

Mein Gott! Die Omas und Opas sollten besser rechts (wahlweise links für Fahrer aus UK, Australien oder Japan) abbiegen, um sich den wichtigen Themen des Lebens zu widmen. Wenn Ihr, Omas gegen Rechts‘ nichts besseres zu tun habt, als gegen einen echten Demokraten zu hetzen, dann habt ihr wohl Euer demokratisches Leben schon abgeschlossen.

Last edited 2 Monate her by Tacitus
Deutscher
2 Monate her

Soso, der Gewerkschaftsbund. Wie gut, dass ich niemals G-Mitglied geworden bin.