Udo Lindenbergs Kultsong „Sonderzug nach Pankow“ wird zensiert

Lindenbergs Kulthit wird bei einem Liedertreffen mit dem Motto „Vielstimmig 2024“ im Berliner „Humboldt Forum“ auf Wunsch aller acht beteiligten Chöre ohne „Oberindianer“ auskommen müssen. Lindenbergs „Sonderzug“ wird zwar gespielt bzw. gesungen, aber ohne das inkriminierte Wort, das rassistisch wirken könnte. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer immer mehr ins Groteske ausufernden Zensur.

IMAGO

Wir schreiben das Jahr 1983. Die DDR-Führung selbst sah sich noch in voller Blüte. Udo Lindenberg (Anfang 1983 36Jahre alt) klopft bei der DDR-Führung an und singt: „Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow? Ich muss mal eben dahin, mal eben nach Ost-Berlin. / Ich muss da was klär‘n mit eurem Oberindianer / Ich bin ein Jodeltalent und will da spielen mit ´ner Band.“ Der damalige DDR-„Oberindianer“ Erich Honecker (damals 70) ließ den Song verbieten. Ein paar Wochen später indes durfte Lindenberg einmal, ein einziges Mal, und zwar am 25. Oktober in der DDR auftreten: Bei einer Veranstaltung der „Freien Deutschen Jugend“ für den Weltfrieden konnte Lindenberg am 25. Oktober 1983 für 20 Minuten im Ost-Berliner Palast der Republik auftreten. Den „Sonderzug nach Pankow“ durfte er dabei nicht singen. Die Stasi wachte mit Hunderten von Mitarbeitern darüber. Dokumentiert ist das in der Online-Mediathek der Stasi-Unterlagen-Behörde.

Seither sind 41 Jahre vergangen. Wir schreiben das Jahr 2024. Lindenberg ist 78 Jahre alt, Honecker seit 1994 tot. Die DDR immer noch nicht. Warum? Was ist los? Lindenbergs Kulthit wird bei einem Liedertreffen mit dem Motto „Vielstimmig 2024“ am 16./17. November im Berliner „Humboldt Forum“ auf Wunsch aller acht beteiligten Chöre ohne „Oberindianer“ auskommen müssen. Lindenbergs „Sonderzug“ wird zwar gespielt bzw. gesungen, aber ohne das Wort „Oberindianer“. Intoniert wird einfach nur – als Kompromiss – „Ober-I***“ mit langer Betonung auf dem „I“. Nicht weil der „Oberindianer“ Honecker seit 30 Jahren tot ist, sondern weil „Oberindianer“ – nein, nein, nein – nicht geht. Das ist angeblich rassistisch, das ist kulturelle Aneignung, das ist „cultural appropriation“, das ist Kulturraub usw. Das Ganze übrigens dort, wo einst der Palast der Republik stand.

Die Manager des Liedertreffens legen sich denn auch brachial-intellektuell so richtig ins Zeug: „Auch wenn das Wort (gemeint ist „Oberindianer“ – TE) in dem Lied in seiner Entstehungszeit 1983 eine metaphorische Konnotation hatte – und es sich damals satirisch-kritisch auf Erich Honecker bezog – sind wir uns auch bewusst, dass in dem Wort die Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen nachklingt.“ Das erinnere an die „leidvolle Erfahrung der Unterdrückung“ der „Indigenen, Ureinwohner, Native Americans und First Nations“.

„WELT“ fragte nach und erhielt folgende Erklärung: Demnach hätten sich einige Sängerinnen und Sänger der teils international und multikulturell aufgestellten Chöre mit dem Text des Liedes „nicht wohlgefühlt“, weil sie den Begriff des Indianers als abwertend empfinden würden. Wörtlich: „Das Wort wird von vielen indigenen Menschen, aber auch von vielen unserer nationalen und internationalen Besucher*innen als diskriminierend und rassistisch wahrgenommen. Diese Sichtweise nehmen wir ernst und respektieren wir.“

Da der Lindenberg-Song, so ein Sprecher zur WELT, zudem von allen acht teilnehmenden Chorgruppen gemeinsam intoniert werden soll, habe man intern diskutiert, wie das Problem denn nun zu lösen sei, so dass sich alle Beteiligten bei den Auftritten wohlfühlen.

Zurück zu 1983: Da liegt es nahe, an die Dystopie „1984“ zu denken. Diese hat George Orwell unter dem Eindruck des um sich greifenden stalinistischen Totalitarismus zwar schon 1948 geschrieben. Aber was der Big Brother dort inszeniert, wird 2024 erneut Wirklichkeit: Geschichte wird umgeschrieben, damit sie in die Scheuklappengehirne der „Woken“ passt.

Groteske Auswüchse zuhauf

Aus „cultural appropriation“ wird damit “cultural deprivation”. Aus dem Verbot, Kulturelles aus anderen Kulturen zu übernehmen, wird kulturelle Verarmung. Aber das Berliner Liedertreffen ist ja nicht die erste dieser Verarmungen.

Im antikolonialistischen Säuberungsfuror müssen immer mehr Namen dran glauben. »Eskimo« heißt jetzt »Inuit«, denn angeblich heißt »Eskimo« übersetzt »Rohfleischesser«, was wiederum umstritten ist. Vor allem geht es dem »Mohr« an den Kragen: Mohrenstraße, Hotel zu den drei Mohren, Mohrenapotheke. In Deutschland gibt es (noch?) 100 Mohren-Apotheken. Darüber ist eine Rassismus-
Debatte ausgebrochen. Der Sarotti-Mohr wurde bereits 2004 zum Sarotti-Magier bzw. »Magier der Sinne« gebleicht. Der Mohrenkopf wurde zum »Schokokuss« oder
»Schaumkuss«. Der Ravensburg-Verlag nahm Mitte 2022 das Kinderbuch „Der junge Häuptling Winnetou“ aus dem Sortiment. Gewissen Moralwächtern im sozialen Netzwerk Instagram gefiel das gar nicht. Aus der Anonymität heraus polterten sie, dass das Buch und der Film rassistische Stereotype wiedergäben, die ihren Ursprung im Kolonialismus hätten. Die Ravensburger knickten ein.

 

Und schließlich die Öffentlich-Rechtlichen: Kinderlieder werden vom ZDF de-kolonialisiert: »Drei Chinesen mit dem Kontrabass …«; »Wer hat die Kokosnuss geklaut …« Solche Lieder würden »antirassistische Ressentiments« fördern. Die
Säuberungswelle hat Kinderbücher erreicht: In »Pippi Langstrumpf« wurde aus dem »Negerkönig« ein »Südseekönig«. Verlage und Firmen beschäftigen »Sensitivity Reader«, damit ja nichts schiefläuft.

Es geht auch »professoral«: Prof. Susan Arndt von der Uni Bayreuth will mit einem bei »Duden« (!) verlegten, 256 Seiten starken Buch folgende Begriffe verschwinden lassen: Orient, Okzident, Morgenland, Abendland, Buschmann (nicht den Minister Marco B. von der FDP), Dschungel, dunkelhäutig, Eingeborene, Entwicklungshilfe, Ethnie, Farbige, Fetisch, Flüchtling, Getto, Häuptling, Hautfarbe, Lateinamerika, Mohr, Mulatte, Naturvolk, Naturreligion, Neue Welt, Rasse, Südafrika, Stamm, Tropen, Tropenmedizin, Wilde, Neger, Eskimo, Indianer, Zigeuner …

Wie sagte der große österreichisch-britische Philosoph Ludwig Wittgenstein? „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ Hier die Grenzen meines Intellekts.


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Kommentare ( 89 )

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K. Sander
1 Monat her

Und jetzt geht es weiter. Heute habe ich gelesen, dass es nun Helene Fischer wegen Kinderliedern trifft. Gus Backus hat nun kein Problem mehr. Der ist vor einigen Jahren gestorben. Und früher hat er gesungen „Da sprach der alte Häptling der Indianer…“

Dieter
1 Monat her

Wer die Sprache beherrscht, beherrscht die Menschen frei nach Kippling: „Worte sind die mächtigste Droge, welche die Menschheit benutzt“. Diese Interpretation ist recht milde dargelegt. Tatsächlich ist die einseitige Verwendung und Interpretation der Worte das Trennendste in der Menschheit. Gleichzeitig ist es tatsächlich so, dass der, der die schöpferische Macht der Worte, der Sprache kennt und nur auf Macht und Herrschaft aus ist, tatsächlich damit die Menschheit in einem Ausmaß manipulieren und beherrschen kann, dass es wohl jedem schwindlig würde, wenn er es begreift… Anders herum kann einer, der der Liebe zugewandt ist und die Macht der Sprache beherrscht, die… Mehr

taliscas
1 Monat her

Eine Petitesse. Vermutlich hat das nuschelnde Wrack es lanciert, um noch einmal aufzufallen bevor er mit dem System untergeht, das er so devot unterstützt hat.

Ernst K.
1 Monat her

Immer die große Schnauze und gegen Rechts – und nun die Zensur aus dem eigenen woken linksgrünen Lager.
Vielleicht verhilft es Lindenberg zu einem realistischen Blick auf den ganzen Irrsinn, der inzwischen unser Land beherrscht. Ob er es noch begreift?

Last edited 1 Monat her by Ernst K.
Kristina
1 Monat her

Frau Arndt erfreut die FOCUS-Leser in Abständen mit Berichten über ganz schlimme AFD-Wähler, die sie um den Schlaf bringen. Überall trifft die arme Frau auf solche unangenehmen Zeitgenossen und muss sich mit denen auseinander setzen. FOCUS schreibt über ihre Vita: „Susan Arndt ist Professorin für Anglophone Literaturen an der Universität Bayreuth. Nach einem Studium der Germanistik, Anglistik und Afrika-Literaturwissenschaft in Berlin und London promovierte sie zu Feminismus in der nigerianischen Literatur und Oratur.“ Leider forscht Frau Arndt lieber hier, als gemäß ihrer Promotion in Nigeria zu Feminismus. Empfehlenswert wäre die Region, wo Boko Haram vertreten ist. Die Herren könnten dort gut eine… Mehr

Michael Palusch
1 Monat her

Der Udo wird das schon verstehen, genau so, wie er für Masken, Lockdowns und „Impfung“ volles Verständnis, wenn nicht gar Enthusiasmus aufzubringen vermochte.

Stefan Z
1 Monat her

Das beweist doch nur, dass unsere Oberindianer mittlerweile mit Honecker und Co auf einer Stufe stehen. Buschmann würde ich aber auf jeden Fall verbieten. Nicht das Wort natürlich.

Okko tom Brok
1 Monat her

Auch wenn Udo Lindenberg bestimmt kein übermäßiges Mitleid verdient hat, ist diese Nachricht mehr als nur eine Posse: Es zeigt, wes Geistes Kind die “Woken” sind. Sie machen sich selbst zu heimlichen Erben Honeckers, den Lindenberg mit besagtem Song damals recht gekonnt verballhornt hatte.

Michaelis
1 Monat her

Dem Lindenberg gönn ich’s. Ist doch selbst ein Jünger der Woke-Kultur.

siebenlauter
1 Monat her

Artikel und Beiträge werden ausgewählt – und Leserkommentare eben auch. Wo ist das Problem? Einen Rechtsanspruch auf anderleuts Domainen und Ressourcen postulieren nur Kommunisten und Ähnliche.

Michael Palusch
1 Monat her
Antworten an  siebenlauter

„Artikel und Beiträge werden ausgewählt – und Leserkommentare eben auch.“
Da haben Sie völlig recht. Nur kann man dann schwerlich mit dem Finger auf die zeigen, die das, mit dem gleichen Argument, ganz genau so machen.

siebenlauter
1 Monat her
Antworten an  Michael Palusch

Die machen das eben mit einem ganz anderen Argument – und suchen zudem mit Staatsgewalt zu zensieren, was eben auch nur ein Eigentumseingriff ist.