Thüringer Verfassungsschutz ohne parlamentarische Kontrolle

Eine parlamentarische Kontrolle des Thüringer Verfassungsschutzes gibt es seit einigen Monaten nicht mehr. Und die notwendige Dienstaufsicht über SPD-Mann Kramer hat SPD-Innenminister Maier offenbar eingestellt.

picture alliance / Bonn.digital | Marc John

Thüringen ist ein wunderbares Land im Herzen Deutschlands. Landschaftlich, städtebaulich und museal ist es das immer noch. Das, was Thüringen ausmachte, ist aber Erinnerung, es war einmal: Luthers Übersetzung des Neuen Testaments 1521/22 auf der Wartburg; die Baueraufstände 1524; die Erhebung von Burschenschaften 1817 auf der Wartburg gegen reaktionäre Politik; die Weimarer Klassik (ca. 1786 – 1832) mit ihrem Humanitätsideal; die Weimarer Verfassung 1919 als Begründung der ersten Demokratie auf deutschem Boden.

Ja, das war einmal. Zwischen 1949/1951 und 1990 war das in drei DDR-Bezirke aufgeteilte Thüringen demokratie-politisch ein Totalausfall. Seit spätestens 2020 ist Thüringen dies zunehmend wieder. Man denke allein an die Wahl des FDP-Manns Thomas Kemmerich, der am 5. Februar 2020 mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Am 6. Februar 2020 meldete sich Kanzlerin Merkel (CDU) aus Südafrika dazu zu Wort: Dieser Vorgang sei „unverzeihlich“ und deshalb „muss das Ergebnis rückgängig gemacht werden.“ Merkels Schlusssatz an diesem Tag: „Es war ein schlechter Tag für die Demokratie.“ Aber nicht, wie Merkel das meinte. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) brauchte übrigens bis 16. Juni 2022 (da war Merkel schon nicht mehr im Amt), diese Äußerung der damals amtierenden Bundeskanzlerin zu rügen. Kemmerich indes trat unter dem Eindruck eines politischen und medialen Sperrfeuers (auch aus der FDP) am 4. März 2020 zurück.

Schlechte Tage für Demokratie seit Februar 2020

Die schlechten Tage für die Demokratie setzten sich fort; seither regiert eine Linkspartei/Rot/Grün-Minderheitsregierung unter der Führung des „Linkspartei“-Frontmanns (der schon seit 2015 Ministerpräsident war) Bodo Ramelow. Letzterer versprach, baldige Neuwahlen herbeizuführen. Es kam nicht dazu.

Nun hat Thüringen am 1. September 2024 wieder gewählt, und es läuft wieder auf eine Minderheitsregierung hinaus. Diesmal als CDU/SPD/BSW(„Brombeer“)-Koalition wohl unter Führung des blassen CDU-Manns Mario Voigt – geduldet womöglich mit einer Stimme des Herrn Ramelow. Die Wahl findet voraussichtlich am 12. Dezember statt.

Derweil hatte Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer längst Fakten geschaffen, um die stärkste Fraktion im Thüringer Landtag, die AfD, für ein Parteiverbot freizugeben. Er betreibt das sehr eigenmächtig seit mehreren Jahren: sehr zum Wohlwollen von Ramelow und seines unmittelbaren Chefs, des bisherigen und voraussichtlich „neuen“ SPD-Innenministers Georg Maier. Zum Wohlwollen auch eines möglichen CDU-Ministerpräsidenten Voigt, auch wenn dieser sich in der Causa „Kramer“ bedeckt hält.

Das Problem nun ist: Eine parlamentarische Kontrolle des Thüringer Verfassungsschutzes gibt es seit einigen Monaten nicht mehr. Und die notwendige Dienstaufsicht über SPD-Mann Kramer hat SPD-Innenminister Maier offenbar eingestellt. Üblicher- und notwendigerweise gibt es für die Kontrolle der Tätigkeit eines Geheimdienstes parlamentarische Gremien. Auch im Thüringer Landtag. Laut Thüringer Verfassung Artikel 97 sind vom Landtag fünf Parlamentarier in das Gremium zu wählen. Bis 2020 geschah das mit 2/3-Mehrheit, seither mit einfacher Mehrheit. Klar, damit war die AfD draußen. Aber es wird noch lustiger: Derzeit besteht dieses Kontrollgremium nur aus drei Leuten: Vorsitzender ist Dieter Hausold (Linke, seit 2019 nicht mehr Landtagspolitiker), Raymond Walk (CDU) und Dorothea Marx (SPD). Ausgeschieden sind Dirk Adams (Grüne), weil er Minister wurde und auch nicht mehr MdL ist, sowie Wolfgang Fiedler (CDU), der nicht mehr im Landtag sitzt.

Im Klartext: Kramer kann tun und lassen, was er will, zumal sein bisheriger und voraussichtlich wieder dazu ernannter Chef, SPD-Innenminister Maier, seine Pflicht zur Dienstaufsicht schleifen lässt.

Gewaltenteilung hops

Gewaltenteilung als Grundpfeiler der Demokratie schaut anders aus. Die Legislative kontrolliert die Exekutive und zieht ihr legislativ ein Skelett ein. Und die „vierte“ Gewalt, die Presse achtet, schon auch ein wenig darauf, ob die Gewaltenteilung funktioniert. Zumindest ist (wäre?) auch die Mainstreampresse dafür da. Diesen Job tut sie aber nicht, wie die von der Mainstreampresse ignorierten, aktuell aber von Apollo News, TE, Cicero, Junger Freiheit und Nius aufgedeckten Skandale des Herrn Kramer eindringlich belegen.

Die sich selbst mit dem Etikett „demokratisch“ adelnden Parteien CDU (23,6 Prozent), SPD (6,1 Prozent), Links-Partei (13,1 Prozent), BSW 15,8 Prozent), Grüne (mit 3,2 Prozent nicht mehr im Landtag) setzen zugleich alles daran, den 32,8-Prozent-Wähleranteil der AfD zu „vaporisieren“ (Sprachregelung des Big Brother).

Ramelow, geschäftsführender Noch-Ministerpräsident und Solo-Links-Kandidat für die voraussichtlich auf den 23. Februar 2025 vorgezogene Bundestagswahl, hat schon mal einen Vorstoß für eine solche Verdampfung der 32,8 Prozent unterbreitet. Er will die Dreier-Bromberg-Front zu einem „Pflichtenheft“ verpflichten, mit dem diese drei und Ramelows „Linke“ sich verbindlich verpflichten, nichts mit Stimmen der AfD zu verabschieden.

Wie gesagt: Thüringen war (!) einmal die Wiege einer deutschen Demokratie.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 38 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

38 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Peter Gramm
3 Stunden her

Kramer hat nicht nur seine Parteienzugehörigkeit gewechselt. Er ist auch Konvertit. So genau weiss der selber nicht wo es lang geht. Er hat halt mächtige Freunde.

Sonny
4 Stunden her

Was in Thüringen passiert ist, ist der glasklare Beweis, dass Deutschland zu großen Teilen kein demokratisches und rechtsstaatliches Land mehr ist.

thinkSelf
12 Stunden her

„Kramer kann tun und lassen was er will“ Ja warum denn auch nicht? Schließlich tut er doch höchst verlässlich das was er tun soll. „Gewaltenteilung als Grundpfeiler der Demokratie schaut anders aus.“ Das mag schon sein. Nur mir erschließt sich so gar nicht was das mit der Fläche zwischen Rhein und Oder zu tun hat. „Zumindest ist (wäre?) auch die Mainstreampresse dafür da.“ Auch so eine komische Idee. Erst mal die ständig neuen Synonyme für die Außenabteilungen des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Und dann auch noch die Forderung das die Hochverrat an ihrem Auftraggeber begehen. Die sind doch nicht… Mehr

PaulKehl
14 Stunden her

Wenn das parlamentarische Kontrollgremium nicht arbeitet, wäre dies ein großer Vorteil für die AFD in einem möglichen Verbots-Verfahren. Das Kontrollgremium ist für das Bundesverfassungsgericht die Garantie für rechtsstaatliches Handeln des VS. Wenn es nicht mehr handlungsfähig ist, sind die vom VS gewonnenen Erkenntnisse wertlos.

Bernd Bueter
14 Stunden her

Wie kann man so etwas schreiben ohne auch nur den Hauptschuldigen überhaupt zu erwähnen: die Wählermehrheit.
Das Deutsche wie auch das Thüringische Desaster ist demokratisch gewollt.
Demokratie der Dummen. Bis heute.

Kassandra
16 Stunden her

Kemmerich trat auch zurück, weil man seine Familie bedrohte.
Zu Neuwahlen danach kam es nicht, weil die cdu Ramelow das Füßchen hielt und beipflichtete, ihn als MP bis zum Ende der regulären Legislatur zu unterstützen.
Und der, der von der union jetzt MP werden will, hat ein Plagiatsverfahren am Hals: https://plagiatsgutachten.com/blog/200-plagiate-mario-voigt/
Aber gut. Wenn jemand im Hintergrund bereits Sorge für alles trägt, wie es der Herr Kramer anscheinend macht, dann wird schon alles gut werden.
Woran mich nur seine Haartracht erinnert?

Dieter Blume
16 Stunden her

Wenn es keine parlamentarische Kontrolle des Thüringer Verfassungsschutzes mehr gibt, dann haben die Genossen ihr Ziel erreicht.

Simplex
17 Stunden her

Die Mehrheit der Deutschen will politisch gut gemanagt werden, keine Konflikte, also „Streit“, also jemanden, der sagt, wo es lang geht, regelmässiges Einkommen und ein Dach übern Kopf. Der Untertan will seine Ruhe, sein Tittytainement, Sex und seine Reisefreiheit. Jetzt ist das auch mit dem Cannabis geregelt, nur das Bier ist bisschen teurer geworden. Also, der klassische Proll ist bei uns doch ruhig gestellt. Was fehlt den Thüringern denn noch?

thinkSelf
12 Stunden her
Antworten an  Simplex

Keine Konflikte würde ich unterschreiben. Das die ein regelmäßiges Einkommen oder ein Dach über dem Kopf wollen kann für die überwältigende Mehrheit allerdings alleine auf Grund ihres Wahlverhaltens vollständig ausgeschlossen werden.

Ralf Poehling
19 Stunden her

In Thüringen liegt die AfD bei über 30%.
In NRW nur bei einem Drittel davon.
Und der Grund dafür ist aktive Zersetzung der AfD.
Aktive Zersetzung der AfD durch den hier durch die CDU gesteuerten VS.
Der VS in Thüringen funktioniert offensichtlich neutraler als der in NRW.
Und das sollte einem bei der Ausgangslage schwer zu denken geben.

Michael Palusch
12 Stunden her
Antworten an  Ralf Poehling

Mit Zersetzung hat das wenig zu tun. Es liegt nach meiner Einschätzung vielmehr daran, dass die Leute im Westen der Republik eine viel stärkere Parteibindung als im Osten haben. Die wählten schon vor 40 Jahren CDU und wählen die eben heute immer noch. Noch schlimmer die SPD Wähler. Welchen vernünftigen Grund gab es für die Leute in Bochum, Dortmund oder Duisburg eigentlich, die SPD zur stärksten Kraft zu machen?

November Man
19 Stunden her

Kramer arbeitet als politisch instrumentalisierter Verfassungsschutzpräsident von Thüringen mit Bedrohung, Androhung von Gewalt, Manipulation und Intrigen innerhalb des Verfassungsschutzes gegenüber seinen Mitarbeitern. Er missbraucht seine Macht als Vorgesetzter um gefälschte Gutachten durch Zwang erstellen zu lassen. Negative, gefälschte und manipulierte Gutachten werden von Kramer großmundig im deutschen Propagandafernsehen veröffentlicht und positive Gutachten über die AfD werden von Kramer vorsätzlich unterschlagen. Der Mann ist ein Fall für den Staatsanwalt und gehört unverzüglich entlassen.    

Imre
18 Stunden her
Antworten an  November Man

Was zu beweisen war: Besonders der Thüringer Verfassungsschutz gilt als gesichert verfassungsfeindlich. Kein Wunder, bei diesem bisherigen /zukünftigem politischem Personal an der Landesspitze! Mit den „Versagern vom Dienst“, CDU, SPD und tlw. den Linken kann der bewusste Blumentopf nicht errungen werden!

Simplex
17 Stunden her
Antworten an  November Man

Das glauben Sie doch wohl selber nicht. Solche Methoden kann man sich in den Stasi-Dokus über die alte DDR ansehen. Na, Hauptsache, Sie können Ihre Anwürfe beweisen, wenns ernst wird.

Bernd Bueter
14 Stunden her
Antworten an  November Man

Politisch Organisierte Parteibanden-Kriminalität. Und die Justiz gehört dazu. Wie immer!