Die Taliban können nun NATO-Waffen nutzen – und exportieren

Den Taliban ist fast kampflos eine große Menge modernen Kriegsmaterials amerikanischer Herkunft in die Hände gefallen. Dank westlicher Unfähigkeit verfügen sie nun über mehr Waffen und Ausrüstung, als sie überhaupt nutzen können. Der Rest wird auf dem Welt-Terrormarkt landen.

IMAGO / Xinhua

Nur wenige Wochen hat es nach dem NATO-Abzug gedauert, bis die Gotteskrieger in Afghanistan wieder die Macht übernehmen konnten. Die Provinzen und Distrikte fielen in atemberaubender Geschwindigkeit, der Regierungschef setzte sich ins Ausland ab. Die afghanische Armee ist pulverisiert, an deren Depots mit Waffen, Munition und Ausrüstung bedienen sich nun die radikal islamischen Taliban. Ein verheerendes Ergebnis des an eine überstürzte Flucht erinnernden Rückzugs der westlichen Truppen.

All die Waffen und das in Teilen aktuelle Gerät, das im Wesentlichen die US-Amerikaner der afghanischen Armee geliefert haben, ist damit in die Hände der Taliban gefallen. Neben einer Million Handfeuerwaffen und unzähligen Schuss Munition nebst Raketenwerfern und Sprengstoffen ist das ein militärischer Fuhrpark von rund 8.500 geländegängigen Fahrzeugen (Humvees) über Lastkraftwagen bis zu etwa 600 Schützenpanzern. Doch nicht nur das: Die Taliban verfügen nun gar über 68 leichte Kampfhubschrauber vom Typ MD 500 „Defender“, 19 brasilianische Bodenkampfflugzeuge A-29 sowie 16 Transporthubschrauber “Blackhawk“. Selbst aktuelle US-Aufklärungsdrohnen des Typs „ScanEagle“ vom US-Hersteller Boeing sollen sich darunter befinden. Siehe hier.

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Unzählige Rechner, Funkgeräte, Navigationssysteme wie auch Pionier- und Sanitätsmaterial etc. dürfte(n) ebenfalls „die Seiten gewechselt“ haben. Vom noch verfügbaren Militärarsenal aus Sowjetzeiten unter Einschluss von Mi-17-Hubschraubern ganz zu schweigen. Einzelnen Berichten zufolge erbeutete die Terrortruppe weit mehr Gerätschaften, als sie nutzen kann. Das klingt plausibel: Etwa 300.000 Sicherheitskräften der Regierung standen geschätzte 50.000 Untergrundkämpfer gegenüber. Mit Tiefladern wird „überschüssiges Kriegsmaterial“ bereits nach Pakistan transportiert. Wer hätte das gedacht: Die Taliban avancieren mit aktiver Unterstützung der USA über Nacht zum Exporteur von Rüstungsgütern! Siehe Landshuter Zeitung vom 17. August 2021, Seite 4: „Ein internationales und nationales Versagen“.

Geht es eigentlich noch einfältiger, ist der außenstehende Beobachter geneigt zu fragen? Wie kann man nach 20 Jahren Krieg mit Tausenden gefallenen Soldaten und Zehntausenden getöteten Afghanen über Nacht alles stehen und liegen lassen, ohne substanzielle Vorkehrungen für die Zeit danach zu treffen? Die Unzuverlässigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte war allseits bekannt, darüber gab es zahllose Berichte. Waffen, Munition und Benzin wurden meistbietend verscherbelt, die allgegenwärtige Korruption blieb der eigentliche Treibstoff des Landes. Ohne die Berater und Ausbilder der westlichen Staaten, ohne militärische Unterstützung wäre in den letzten Jahren kaum ein Militäreinsatz gegen die Untergrundarmee erfolgreich gewesen.

Wie konnte man auf ein Konzept setzen, mit dem die afghanischen Truppen von jetzt auf gleich sich selbst überlassen wurden? Es ist nicht wirklich überraschend, dass ganze Einheiten keinen Schuss abgefeuert haben und sofort übergelaufen sind. Das afghanische Militär wie auch die Polizei waren offensichtlich weder fähig noch willens, ohne westliche Unterstützung halbwegs für Sicherheit und Stabilität im Lande zu sorgen. Es war eine billige Illusion zu glauben, dass die zwei Jahrzehnte hochgepäppelten afghanischen Sicherheitskräfte dafür kämpfen würden, die Taliban in Schach zu halten.

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Wozu sind aber unzählige Geheimdienstmitarbeiter in Afghanistan tätig, wenn diese nicht mal den unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch erkennen? Von einem viertel Jahr und mehr war die Rede, die sich die Regierung würde halten können. Wieso wurden keine Vorkehrungen getroffen, dass das technische Arsenal der afghanischen Streitkräfte im Fall des Falles neutralisiert, zumindest in Teilen hätte unbrauchbar gemacht werden können? Je moderner die Waffen, umso leichter sind diese bei detaillierter Kenntnis der Systeme auch zu stören, bei Bedarf auch zu zerstören. Nicht zuletzt: Wieso konnten die Untergrundkämpfer eigentlich die ganzen Jahre und Jahrzehnte das von den westlichen Staaten aufgebaute Mobilfunknetz als Führungsmittel zur Koordination von Angriffen wie zum Auslösen von Sprengfallen missbrauchen? Eine wirksame Bekämpfung der Gotteskrieger – nebenbei bemerkt auch der Drogengeschäfte – hätte von Anfang an dort ansetzen müssen.

Nun liegt der Hase im Pfeffer. Die Taliban werden mithilfe übergelaufener Militärangehöriger Mittel und Wege finden, die westlichen Waffensysteme notdürftig am Laufen zu halten und einzusetzen. Sie mausern sich damit zur bestausgerüsteten Extremisten-Kampftruppe weltweit. Auch der Terrormarkt kann mit großen Mengen Militärgerät versorgt werden. Ein Rückblick auf schlimme Beispiele der Vergangenheit hätte ausreichen müssen, die Notwendigkeit von Vorkehrungen dagegen zu erkennen. Neben Vietnam ist der Sturz des Schahs von Persien 1979 dafür ein prägnantes Beispiel. Den Ayatollahs war mit den vom Schah-Regime übernommenen, zuvor von den Amerikanern gelieferten F4-Kampfflugzeugen, UH-1-Hubschraubern, Schnellbooten und Panzern ein veritabler Vorrat für ihre islamistische Mission in die Hände gefallen. Der acht Jahre währende Erste Golfkrieg bis 1988 gegen den Irak fand dort einen Nährboden.

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Bei uns wird hingegen darüber spekuliert, ob die verlorenen Waffensysteme und Ausrüstungen der NATO nun Russen oder Chinesen in die Karten spielen können. Aller Erfahrung nach ist es aber schlichtweg so, dass neue Waffen über kurz oder lang ohnehin ihren Weg auf die Gegenseite finden. Um Militärtechnik zu kopieren, braucht es keine Terroristen. Es darf auch getrost vorausgesetzt werden, dass den Aufständischen nicht die neuesten Systeme in die Hände gefallen sind. Unabhängig davon bleibt es ein Trauerspiel erster Güte, dass nun Rüstungsmaterial zur Ausrüstung ganzer Untergrundarmeen auf dem Schwarzmarkt zur Verfügung steht.

Das Kernproblem der schmählichen Niederlage der westlichen Staaten nach 20 Jahren Krieg ist dennoch ein anderes: Länder der Dritten Welt, die mit ihrer Entwicklung kämpfen und auf stabile Unterstützung angewiesen sind, werden sich fragen müssen, ob westliche Mächte verlässliche Partner sind. Ihnen fehlt der lange Atem. Wenn der mediale und damit öffentliche Gegenwind zu groß wird und die Wiederwahl gefährdet ist, streichen Demokratien früher oder später die Segel. Die Taliban, aber auch Chinesen und Russen reiben sich die Hände ob der auf einem Silbertablett servierten Blamage des westlichen Bündnisses.


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Kommentare ( 111 )

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RA.Dobke
3 Jahre her

So „robust“ ist weder Frau Ministerin, geschweige denn die Bundeswehr!
Im übrigen fällt beim Zuhören in den Medien auf, dass die Verlautbarungen unrichtig wiedergegeben werden oder aber widersprüchlich an die Medien herausgegeben werden.

Manfred_Hbg
3 Jahre her

Nun ja, vielleicht kommen ja zumindest die Ami’s noch auf die Idee, die ihnen bekannten Waffen-Depots oder abgestelltes/geparktes Fahr- und Fluggeräte per Drohnen und Flieger zu pulverisieren um die Schäfen so zumindest etwas abzumildern.

Und -auch- ich sollte in naher Zukunft vielleicht mal auf den sogenannten Balkan achten und beobachten, ob dort bald vermehrt günstige Ak-47, Handgranaten und Semtex im Kilo-Preis im Angebot zu haben sind 😉

peter keller
3 Jahre her

Ich würde das nicht überbewerten. Ausser Kryptographie und dementsprechend sichere Kommunikationsmittel ( auch füe Drohnen), ist militärsiches Material heutzutage eigentlich nicht besonders gut, sondern vorallem billig und dementsprechend schlecht. Es ist kein Zufall, wird bspw. die PS4 zur Remotesteuerung von Grosskaliberwaffen von Milizen auf der ganzen Welt verwendet. M.E. geht es hier nur um die Menge von Gerät, aber keinesfalls um die Qualität.

Dieter Rose
3 Jahre her

Die Regierungsde…n haben hier in Europa, genauer in Süditalien, erleben dürfen, dass 75 Jahre des Versuches einer Anpassung an wenigstens norditalienische Verhältnisse nicht zum Erfolg führten. Da meinten die, Länder wie Afghanistan wären einfacher „umzubauen“.

Und diese Politiker werden von uns gewalàhlt und alimentiert.

RUEDI
3 Jahre her

Egal was es kostet – Waffen zurückkaufen. Die Politiker mussten nie für die Schäden, die sie angerichtet haben aufkommen. Nur WIR – die das immer alles schaffen und bezahlen sollen.
Deutsche Soldaten wurden in den Krieg geschickt – Tote in Zinksärgen sind zurückgekommen im Begleit-Tross Tausende- Hunderttausende junge wehrhafte Männer, die ihr Land nicht verteidigen, nichtmal ihre Familien beschützen wollen.
Erbärmliches Spiel der Verlogenheit. Merkel und Konsorten machen Polit-Promi Party auf Kosten unseres Volkes.

Britsch
3 Jahre her

Selbst in den öffentlich rechtlichen habe ich vor kurzem vernommen daß „berichtet“ wurde ein Drittel, derer welch die Bundeswehr in Afganistan ausgebildfet hat hätte sich nach der Ausbildung sofort in die Reihen des IS eingereiht. Aus nicht Staatlichen „Qualitätsmedien“ konnte man schon länger erfahren, zahlreiche IS Anhänger seien in die brd gekommen und hätten es in die Bundeswehr „geschafft“ wren nach der Ausbildung aber dann ganz schnell verschwunden. Afghanistan ist ein ganz anderes Land mit ganz anderen Sitten und Gebräuchen. Das kann man nicht so einfach nach fremden Vorstellungen umkrempeln. Von Deutschen und Amis die ins Land haben diejenigen, die… Mehr

Juergen Waldmann
3 Jahre her

Es war schon vor 10 Jahren ab zu sehen , dass wir die Demokratie nicht in eine Gesellschaft pflanzen können , die noch in einer Zeit vor 600 Jahren lebt .
Erschütternd war die Beerdigung in Bayern , bei der Herr zu Guttenberg die Trauerrede hielt . Der Mann hatte als erster davon gesprochen : „es ist Krieg !“
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Wir können jetzt nur hoffen , dass nicht noch mehr Afghanen zu uns kommen !

Kassandra
3 Jahre her

Wieder wird man nicht wissen, wen man ins Land und auf die Indigenen los lässt.
Laut einer Umfrage bei der taz will das die Mehrheit nicht: https://taz.de/Meinungsumfrage-zu-Migrationspolitik/!5779674/

Kassandra
3 Jahre her

Und sie holen sich freiwillig weitere Gotteskrieger ins eigene Nest. Irre das alles. Zu wissen, dass sie einen der Führer bereits in Guantanoma hatten und ihn dann frei ließen: https://www.nau.ch/news/ausland/taliban-kommandant-trickste-sich-dank-papi-aus-guantanamo-raus-65983815
So dumm kann man wirklich gar nicht sein.

Moses2
3 Jahre her

Nun ja. Das Rennen gegen/mit China ist eh gelaufen. Insofern ist es auch schon egal.