Seit sich das Corona-Virus in unser aller Leben gedrängt hat, sind inzwischen ganze anderthalb Jahre vergangen. Gerade für junge Leute eine schier endlos lange Zeit ohne soziale Kontakte, ohne Schule, ohne Uni und ohne Partys. Wir mussten uns im März letzten Jahres abrupt vom normalen Leben und Heranwachsen verabschieden – und zwar OHNE die Aussicht, dass der ganze Wahnsinn bald mal ein Ende nimmt.
Obwohl das dadurch erzeugte psychische Leid immens war und immer noch ist, hatte man in Politik und Medien wenig Mitleid mit der jungen Generation. Man erklärte uns lieber zum Sündenbock und zum Pandemietreiber, der durch sein wüstes und rücksichtsloses Partyleben alle anderen in die Katastrophe stürzt. Super-Spreader-Events wie Schule und Uni mussten also tunlichst unterbunden werden – zumindest bis vor kurzem. Man kann es zwar kaum glauben, aber ab kommendem Semester sollen „dank der hohen Impfquote“ nach den Schülern nun auch die Studenten endlich vom einsamen, müden und sinnlosen auf den Bildschirm Starren befreit werden. Der einzige Haken: Für Präsenzveranstaltungen gilt die 3-G-Regel. Bildung gibt es also nur noch für den, der es sich auch leisten kann.
Für die meisten Studenten sind das unbezahlbare Summen – der klassische Studentenjob reicht in der Regel sowieso kaum für Miete, Strom, Essen und den Semesterbeitrag von 315 Euro. Die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen wird für viele Ungeimpfte also nahezu unbezahlbar und stellt sie damit erneut vor die Wahl: Impfen oder wieder zurück in die Isolation vor den heimischen PC? – sofern man überhaupt das Glück hat, dass die Vorlesungen und Seminare parallel auch online angeboten werden. Aber auch wenn: wer will schon zurück in die Einsamkeit der Online-Lehre? Die soziale Isolation und das Fehlen von Gemeinschaft, einer normalen Tagesstruktur, Diskussionen und Kontakten hat schon jetzt extrem viele junge Menschen in Verzweiflung und Depressionen gestürzt. Existenzielle Ängste, Substanzkonsum, Mut- und Antriebslosigkeit haben extrem zugenommen – dazu gibt es inzwischen zahlreiche Untersuchungen aus ganz Deutschland.
Aber selbst, wenn man sich wirklich bemüht, aufmerksam ist und sich jedes Vorlesungsvideo und jeden noch so blöden Vortrag ganz genau anschaut, kommt am Ende nicht viel dabei rum. Der direkte Austausch, Fragen und Anschauungsmaterial sind online nicht zu ersetzen. Bei so theoretischem und realitätsfernem Geplapper wie in meinem Psychologie-Studium kann man vielleicht noch sagen: Schwamm drüber, ist sowieso egal. Aber was macht man mit Studienfächern, in denen praktische Fähigkeiten für die spätere Arbeit entscheidend sind? Eine Freundin von mir studiert Medizin und hat online gelernt, wie man einen Luftröhrenschnitt macht – in einem einzigen Online-Seminar mit Erklärvideo statt während eines ganzen Praktikums mit direkter Interaktion und Patientenkontakt. Würden Sie sich von so einem Arzt später behandeln lassen wollen? Ich nicht.
Das Problem wird aber natürlich vorerst abgemildert, wenn man den Großteil der Ungeimpften durch immense Zusatzkosten aus dem universitären Leben ausschließt und ihnen damit quasi ihr Recht auf Bildung entzieht. Dass sich angesichts dieser extremen Nachteile für impfunwillige junge Menschen immer noch Politiker hinstellen und davon sprechen, dass es weder durch die Vorder- noch durch die Hintertür eine Impflicht gibt oder geben wird, ist nicht nur grotesk, sondern dreist gelogen.